Von Ulrich Wolf & Heike Sabel
Die Fluorchemie Dohna GmbH steckt in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Ein Rechtsanwalt in Frankfurt am Main hat nun in dem Unternehmen das Sagen.
Die Stadt Dohna im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat den zweiten wirtschaftlichen Rückschlag innerhalb weniger Monate zu verkraften. Nach dem Aus für die Gießerei Druckguss mit 120 Beschäftigten im Dezember vorigen Jahres hat nun auch die Fluorchemie Dohna GmbH Insolvenz beantragt. Das geht aus den Bekanntmachungen des Amtsgerichts in Frankfurt am Main hervor.
Nun müssen 70 Mitarbeiter um ihre Jobs bangen. Der Insolvenzantrag war am 17. April eingegangen. Das Gericht bestimmte den Frankfurter Rechtsanwalt Martin Obermüller zum Insolvenzverwalter, der nun bis auf Weiteres das Sagen in dem Unternehmen hat. Er betreut zudem die Dohnaer Schwesterfirma Fluorchemie Stulln GmbH, deren Insolvenzantrag beim Amtsgericht im bayerischen Amberg eingegangen war, ebenfalls am 17. April. Betroffen sind auch zwei Bergwerke im Erzgebirge und Mitteldeutschland sowie der Standort Kronberg bei Frankfurt/Main, sagt Obermüller.
Beschäftigte hatten auf Geld warten müssen
Als Ursachen für die Insolvenz seien Ukraine-Krieg und Lieferkettenprobleme in beide Richtungen genannt worden, sagt Obermüller. Seine erste Aufgabe ist es, Liquidität zu schaffen und Gesprächen mit allen Beteiligten, von Banken über Kunden und Lieferanten zu führen. Eine Schließung hat es bisher nicht gegeben, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Derzeit werde produziert, wenn es genug Material gibt. In der zweiten Maihälfte werde die Situation schon klarer sein, in welche Richtung es geht, ob die Fluorchemie also gerettet werden kann oder nicht. „Es ist eine schwierige Situation“, sagt Obermüller.
Die Beschäftigten hatten im März keinen Lohn bekommen. Der wurde inzwischen gezahlt, jetzt erhalten sie Insolvenzgeld. Die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie bezeichnete die Situation kurz vor dem Insolvenzantrag als sehr ärgerlich, da es keine klaren Informationen zum Stand gab.
Dohnas Bürgermeister Ralf Müller (CDU) hält die Produkte der Fluorchemie für so wichtig in Zukunft in jeglichem Bereich, dass er eine Rettung für zwingend geboten hält. Für Dohna seien die Fluorwerke ein akzeptierter Chemiestandort und wichtiger Arbeitgeber. „Es wäre dramatisch, diesen zu verlieren.“
Der Eigentümer ist als Investor umstritten
Die Fluorchemie-Gruppe gehört über diverse Zwischenfirmen in Hessen und dem US-Bundesstaat Delaware dem Unternehmer und Finanzinvestor Daniel Deistler aus der Taunus-Stadt Kronberg. Der 52-Jährige war 2018 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden, weil er die Biermarken Hasseröder und Diebels übernehmen wollte.
Der Verkauf platzte jedoch, dem Wirtschaftsmagazin Wirtschaftswoche zufolge gab es „Zweifel an der Seriosität des Finanzinvestors“. Weitere Recherchen des Blatts ergaben, dass auch die Deistler-Übernahmen des sächsischen Motorradfelgen-Herstellers Behr in Mylau in der Insolvenz endete.
Hohe Verluste gab es schon 2019 und 2020
Noch im März dieses Jahres war der Dohnaer Chef Harald Werner als Geschäftsführer abberufen worden. Im April 2022 hatten sich Geschäftsführung und Gewerkschaft auf eine Lohnsteigerung von bis zu zwölf Prozent geeinigt. Und noch ein weiteres Jahr zuvor, bei einem Besuch von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), hatte das Unternehmen angekündigt, 250 Millionen Euro in Dohna investieren zu wollen, unter anderem für den Bau einer neuen Schwefelsäureanlage. Die Fluorchemie hatte große Pläne für Dohna. Im Herbst 2021 wurde verkündet, man wolle in die Batterieproduktion für Elektro-Autos einsteigen sowie den Firmensitz der Gesamtgruppe nach Dohna verlegen.
Im zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2020 ist von einem Verlust von gut zwei Millionen Euro die Rede. Bereits 2019 waren 2,1 Millionen Euro Minus entstanden. Wörtlich heißt es in dem Bericht: „Die Geschäftsführung ist mit der Entwicklung nicht zufrieden. Die Verfehlung des Rohergebnisses ist im Wesentlichen auf Planungsunsicherheiten zurückzuführen.“ Als führende Banken wurden darin die Sparkasse Schwandorf, die Commerzbank sowie die Ostsächsische Sparkasse Dresden angegeben.