Dreimal schlägt der Zeremonienmeister mit seinem Stab auf. Ruhe kehrt ein. Männer in schwarzen Anzügen warten vor dem Eingang des Tempels. Einheitlich sind sie mit einem symbolischen Maurerschurz, weißen Hemden und Handschuhen bekleidet. Ein Wächter mit Schwert hütet die Pforte. Nur wer das überlieferte Passwort nennt, darf passieren.
Geht es nach Carsten Hacker, könnte dieses mystische Ritual noch in diesem Jahr in einer neuen Freimaurer-Loge in Meißen stattfinden. Der Dresdner ist Mitglied der in der Landeshauptstadt beheimateten Loge „Zu den ehernen Säulen“. Gemeinsam mit mehreren, als Brüder bezeichneten Mitstreitern möchte er nach 15 Jahren der Dunkelheit wieder das Licht der Freimaurerei in der Region leuchten lassen.
Die „Ehernen Säulen“ in Dresden zählen zur sogenannten Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer. Mit rund 10.000 Mitgliedern ist sie der stärkste Freimaurer-Dachverband in Deutschland. Doch was sind die Ziele dieses geheimnisumwitterten Bundes? Wozu braucht es neben Rotariern und Lions einen weiteren Männerclub in der Region?
Carsten Hacker hört diese Frage nicht zum ersten Mal. Über mehrere Jahre hinweg hat er das Amt des Meisters vom Stuhl, das heißt des Chefs der Säulen-Loge begleitet. Er weiß um die Klischees von freimaurerisch geprägten Orden wie den Illuminaten oder Rosenkreuzern, welche angeblich als Geheimgesellschaften nach der Weltherrschaft strebten.
Wichtigste Aufgabe für jeden einzelnen Freimaurer sei die Arbeit am „rauhen Stein“, sagt Hacker, das heißt an der eigenen, unvollkommenen Persönlichkeit. Es gehe darum, sich selbst zu erziehen und fortzubilden, um mit einem guten Charakter in die Familie, den Freundeskreis, ja die Gesellschaft allgemein hinein zu wirken. Kurz gesagt: Der Freimaurer sollte als Vorbild ausstrahlen und unsere Welt auf diese Weise ein bisschen besser machen.
Eine wichtige Säule für die praktische Arbeit am „rauhen Stein“ bildet das regelmäßige Gespräch zwischen den Brüdern. Mit Hilfe von Vorträgen zu den verschiedensten Themen werden Wissen und Meinungen untereinander ausgetauscht. „Bei uns sind alle sozialen Gruppen vertreten – vom Schichtarbeiter bis zum Staatssekretär“, sagt Carsten Hacker. Diese Durchmischtheit bilde eine gute Basis, um den eigenen Horizont bei den Diskussionsabenden zu erweitern. Die Rituale im Tempel wiederum stärken das Gemeinschaftsgefühl, bilden den roten Faden für die Brüder. Sie verbinden zudem die Logen untereinander.
Wer Freimaurer in anderen Städten besucht, fühlt sich sofort heimisch und zugehörig. Eine dritte Säule der Arbeit bildet die Wohltätigkeit. Zu Jubiläen und anderen Anlässen werden regelmäßig Spenden gesammelt.
Als Standort für die neue Loge Krone im Elbtal ist Meißen angedacht. Die Stadt habe ein riesiges Potenzial und verkaufe sich oft unter Wert. Die Brüder möchten auch helfen, dies zu ändern. Der Einzugsbereich für den neuen Tempel entspricht in etwa dem Gebiet des Landkreises.
Sollte die Gründung gelingen, würde es damit zum zweiten Mal nach der Friedlichen Revolution eine Loge in der Porzellan-Stadt geben. Vor knapp 20 Jahren übernahm die neu gegründete Loge „Zur Akazie“ das historisches Meißner Logenhaus an der Leipziger Straße. Damit lebte für mehrere Jahre eine bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts reichende Tradition auf.
Nicht zuletzt aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste die „Akazie“ bereits nach wenigen Jahren aufgeben. 2011 kam es zur Zwangsversteigerung der Immobilie. Seitdem hat sich für das Denkmal mit seinem hohen Sanierungsbedarf noch keine neue Perspektive ergeben.
Carsten Hacker und seine Verbündeten geben sich in dieser Hinsicht keiner Illusionen hin. Sie haben nicht vor, das frühere Logenhaus zu übernehmen. „Das würde unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen“, so Hacker. Die Vereinsbeiträge sollen niedrig gehalten werden, um hier keine unnötige Hürde aufzubauen. Hacker hofft zunächst darauf, ein geeignetes Vereinszimmer in einer der Gaststätten als Konstante einrichten zu können.
Von Peter Anderson
Foto: © Claudia Hübschmann