Von Beate Erler
Es ist Mittagszeit auf dem Hof der Freitaler Milchtanke in Somsdorf. Juniorchef Marc Bernhardt sitzt in seinem Büro und guckt immer wieder auf den Bildschirm an der Wand, der die Melkergebnisse jeder einzelnen Kuh anzeigt. Bis zum Mittag war er mit dem Füttern der Kühe, dem Einstreuen und dem Reinigen der Melkroboter beschäftigt. Das Büro grenzt direkt an den neueren Kuhstall, mit dem die Familie Bernhardt den Hof 2012 erweitert hat.
Genau mit diesem Gebäude hatte Marc Bernhardt neue Pläne. Genauer gesagt mit dem Dach des Stalls. „Das ist großflächig und wird den ganzen Tag von der Sonne beschienen“, sagt er. Deshalb wollte der Milchbauer darauf eine 200 Kilowatt-Photovoltaikanlage installieren lassen, die den kompletten Hof mit Strom versorgt. Der Rest sollte ins Netz eingespeist werden, um über die Einspeisevergütung mit der grünen Energie Geld zu verdienen.
Der Auslöser für die geplante Investition war die Sorge um den Preisanstieg bei Diesel, Strom, Gas und Dünger im letzten Jahr. Aber auch die unsichere Lage mit der Energieversorgung. Die Explosion der Kosten in so vielen Bereichen hat Marc Bernhardt so noch nicht erlebt. „Wir sind zu 100 Prozent vom Strom abhängig“, sagt der 36-Jährige, „und auch, wenn der Worst Case nicht eingetreten ist, wollten wir den Betrieb fit für die Zukunft machen.“
Stromnetz für 200 Kilowatt nicht ausgelegt
Doch das ist leichter gesagt als getan, denn es gibt kaum noch Kapazität im Stromnetz. Überall in Deutschland gibt es regionale Engpässe und die Anmeldungen für neue Fotovoltaikanlagen in diesem Jahr sind explodiert. Auch der Ausbau der Leitungen geht nicht schnell voran. Daran scheitert jetzt auch der Plan von Marc Bernhardt. „Unser Energieversorger, die Stadtwerke Freital, haben uns mitgeteilt, dass das Ortsnetz für 200 Kilowatt nicht ausgelegt ist.“ Ein neues Kabel an der nächsten Umspannstation zu verlegen, würde die Stadtwerke zwischen 10.000 und 15.000 Euro kosten, sagt der Landwirt.
Mit der Milchtanke ist es der letzte Milchbetrieb in Freital, der mittlerweile in siebenter Generation geführt wird. Die Bernhardts haben 110 Milchkühe der Rasse Holstein-Friesian und produzieren 3.000 Liter Milch pro Tag. Die wird einmal täglich von einem Lkw abgeholt, der sie dann zum Abnehmer der Bernhardts zu Sachsenmilch in Leppersdorf bringt. Diesen Monat hat der Familienbetrieb pro Liter Milch 45 Cent erhalten. „Im Dezember waren es noch 60 Cent“, sagt Marc Bernhardt.
Die Arbeit teilt er sich hauptsächlich mit seinem Vater Gottfried. Ab und zu beschäftigen sie noch Saisonkräfte. Dass er den Hof übernimmt, stand außer Frage, denn er ist auf dem Hof aufgewachsen und hatte seit seiner Kindheit mit den Kühen zu tun. „Ich mag alle Tiere, aber mit den Kühen komme ich am besten klar“, sagt er. In Dresden Pillnitz hat er sein Studium in Agrarwissenschaft gemacht. Mit seiner Frau lebt er auf dem Hof.
Nur 20 Prozent des Energiebedarfs decken
Die letzte große Investition von einer Million Euro war im Jahr 2012. Da haben sie den Hof mit einem neuen Stall erweitert und sich zwei automatische Melkroboter angeschafft. Ohne sie wäre das Melken der über 100 Kühe nicht zu schaffen. Die Tiere gehen selbst in den Melkroboter, wo auch das Lockfutter liegt. Eine der Maschinen schafft 55 bis 60 Kühe am Tag, sagt Marc Bernhardt. Etwa sieben bis zehn Minuten dauert ein Melkvorgang, und die Kuh gibt im Schnitt 50 Liter pro Tag.
Ein Zusammenbruch der Energieversorgung würde für den Betrieb den Stillstand bedeuten. Doch nun müssen sie sich mit einer 30 Kilowatt-Anlage zufriedengeben, die gerade einmal ein Viertel der Dachfläche bedeckt. „Damit schaffen wir aber nur etwa 20 Prozent unseres Energiebedarfs“, sagt Marc Bernhardt. Er ärgert sich über die großen Reden der Politiker von der Energiewende, die nicht zur Realität passen. Das hat er gerade wieder einmal selbst erlebt. „Das alles ist mit immensen Kosten, Aufwand und Bürokratie verbunden“, sagt er.

Deshalb hat sich der Landwirt nun für die einfache Lösung entschieden. Die gute Nachricht ist, dass die Anmeldung für die kleine Anlage beim Netzbetreiber schnell ging. Auch die Solarmodule und eine Dresdner Firma, die sie installieren wird, sind verfügbar. Schon ab April soll im Landwirtschaftsbetrieb in Somsdorf neben Milch, Eiern, Joghurt und Eis auch grüner Strom erzeugt werden. Wenn auch erst mal nur in kleinen Mengen.
Freitaler kämpft an mehreren Fronten
Bis es so weit ist, nutzt Marc Bernhardt die Zeit, um in Berlin Hintergrundgespräche mit Politikern zu führen – darunter sind Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir (Bündnis 90/Grüne). Dabei geht es dem Mitglied der Initiative „Land schafft Verbindung“ unter anderem um die Nutzung von Agrarflächen im Zuge des Ausbaus regenerativer Energien. „Das ist eine schwierige Diskussion“, räumt der Freitaler ein. „Die Gefahr besteht, dass Flächeneigentümer sich für die höheren Pachten von Solarparkinvestoren entscheiden.“ Landwirte könnten somit beim Pachtland den Kürzeren ziehen. Er sieht daher einen gewissen Handlungsbedarf.
Doch auch in anderer Hinsicht droht eine Einschränkung der Flächenbewirtschaftung. „Die Agrarminister tagten vor einer Woche in Büsum zum Naturschutz. Demnach sollten Möglichkeiten erörtert werden, wie sich die Ausweitung von geschützten Gebieten realisieren lässt.“ Das habe auch bei Marc Bernhardt die Alarmglocken schrillen lassen. Deshalb beteiligte er sich an einem gemeinsamen Protest von Landwirten und Krabbenfischern. „Wenn uns in dem Zusammenhang eine Enteignung bevorsteht, wird uns die Existenzgrundlage entzogen. Darauf wollten wir die Politik aufmerksam machen.“ Gleichzeitig stehe der Abschluss eines Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten Lateinamerikas im Raum, der unter anderem einen verstärkten Import von Agrarprodukten aus Übersee vorsehe. Nach Ansicht des Milchbauern steht das Ganze aufgrund der unterschiedlichen Standards in einem Zwiespalt.
Sein Appell lautet daher: „In dem Punkt und in der Flächennutzung durch Solarparks muss die Politik auf jeden Fall noch einmal nachjustieren. Ackerflächen sollten nicht die erste Wahl beziehungsweise bevorzugte Variante sein.“ (mit SZ/rk)