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Fünf Tage Weiterbildung: Die „Bezahlte Bildungszeit“ wird Streitthema in Sachsens Landtag

Bundesweit haben Beschäftigte ein Recht auf bezahlte Bildungszeit - außer in Sachsen und Bayern. Ein Volksantrag mit 55.000 Unterschriften macht nun Druck. Das ist der Sachstand.

Lesedauer: 3 Minuten

Michael Rothe

Dresden. Was macht eigentlich? … so sind in Magazinen oft Nachfragen zum Befinden von Prominenten überschrieben, von denen lange nichts zu hören war. Auch Dinge geraten mitunter in Vergessenheit – selbst, wenn sie mal viel Staub aufgewirbelt haben – wie das Bildungsfreistellungsgesetz.

Im August 2024 hatte ein Bündnis von über 60 Parteien und Organisationen 55.628 Unterschriften an Sachsens damaligen Landtagspräsidenten Matthias Rößler (CDU) übergeben. Die Unterzeichner fordern ein Gesetz, das Beschäftigten auch im Freistaat fünf Tage pro Jahr bezahlte Weiterbildung garantiert – so wie in den meisten Bundesländern. Und was hat sich seitdem getan?

Rößlers Nachfolger, Landtagspräsident Alexander Dierks (CDU), habe nach Prüfung entschieden, dass der Volksantrag zulässig sei, heißt es vom Landtag. Eine erste Beratung finde „gegebenenfalls in einer der nächsten Plenarsitzungen am 26. beziehungsweise 27. März statt“. Sachsens stellvertretende DGB-Vorsitzende Daniela Kolbe erwartet, dass sie dann als Vertrauensperson sprechen darf. In der Regel wird so ein Gesetzentwurf innerhalb von fünf Monaten nach Veröffentlichung im Amtsblatt abschließend behandelt. Deshalb müsste sich das Plenum spätestens im Juni damit befassen.

Meist fünf bezahlte Tage zur Weiterbildung

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht: „Mit einem Qualifizierungszeitgesetz verankern wir das Recht der Beschäftigten ab 1. Januar 2027 auf drei Tage bezahlte Freistellung im Jahr.“ Das sei angesichts des bisherigen Widerstands der Christdemokraten „ein beachtlicher Teilerfolg“, sagt Daniela Kolbe, das Gesicht der Initiative. Das Bündnis halte aber weiter an den geforderten fünf Tagen fest. Es ist sei nicht begründbar, warum Beschäftigte in Sachsen zwei Tage weniger bekommen sollen.

Bei dem Gesetz gehe es nicht nur um Know-how für Unternehmen, argumentieren die Initiatoren, sondern auch um Trainer in 4500 Sportvereinen, Vertrauensleute in Betrieben und die Freiwillige Feuerwehr. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen haben alle Länder so ein Gesetz für meist fünf bezahlte Arbeitstage im Jahr. Es erlaubt berufliche, kulturelle und politische Weiterbildung oder eine Qualifizierung für ehrenamtliche Arbeit. Teils gilt es ab einer Betriebsgröße von fünf, zehn oder 20 Leuten. Der Antrag kann verwehrt werden, wenn Betriebserfordernisse entgegenstehen. Und: Urlaub anderer hat Vorrang.

Dass es angesichts der Sitzverteilung eine Abstimmung mit der Opposition braucht, sieht Gewerkschafterin Kolbe positiv. Mit Grünen und Linken seien neben der SPD zwei Oppositionsparteien Teil des Bündnisses. Auch das BSW habe die Initiative befürwortet. Auf Unterstützung durch die CDU können die Initiatoren nicht bauen, sie sieht einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Auch hätten die Arbeitgeber nur begrenzt Einfluss auf Inhalte.

Wirtschaft: zu teuer, zu viel Bürokratie

Die Befürworter hoffen auf ein Déjà-vu: 2019 waren gut 50.000 Unterschriften für längeres gemeinsames Lernen in Schulen Basis dafür, dass SPD und Grüne der CDU die Bildung von Gemeinschaftsschulen abringen konnten.

Ginge es nach der Wirtschaft, könnte das Gesetz ewig auf sich warten lassen. Kammern und Verbände begründen das mit Mehrkosten und zusätzlicher Bürokratie. Das belegten die Quoten anderswo, heißt es von der Dresdner Industrie- und Handelskammer. Bildungsurlaub gebe es seit den 1970ern, sagt Geschäftsführer Lars Fiehler. Dennoch nutzten ihn bundesweit kaum drei Prozent.

„Warum sollte Sachsen übernehmen, was nachweislich nicht funktioniert?“, fragt er. „94 Prozent der sächsischen Unternehmen haben weniger als zehn Mitarbeiter. Ist einer krank, einer im Urlaub, einer im Bildungsurlaub, fehlt schnell ein Drittel der Belegschaft“, argumentiert Fiehler. Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) aller drei sächsischen Industrie- und Handelskammern spricht sich explizit gegen die Einführung eines gesetzlichen Bildungsurlaubs aus. In einer Mitteilung vom 10. März verweisen sie auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, der ein Bürokratie-Moratorium insbesondere hinsichtlich eines Bildungsfreistellungsanspruchs bis 2027 definiert habe. „Die Bedeutung kontinuierlicher Weiterbildung ist in einer Zeit rasant fortschreitender technologischer Entwicklung unbestritten. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Bildungsfreistellung ohne zwingenden Bezug zu betrieblichen Themen ist jedoch nicht der richtige Weg“, heißt es.

Sachsens Handwerkstag lehnt ein Recht auf Bildungsurlaub ebenfalls ab. Das sei für die Betriebe, zumal in Zeiten von Personalmangel, nicht leistbar, sagt Uwe Nostitz, Präsident jener Dachorganisation der Kammern und Verbände.

Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) aller drei sächsischen Industrie- und Handelskammern spricht sich explizit gegen die Einführung eines gesetzlichen Bildungsurlaubs aus. In der aktuell angespannten konjunkturellen Situation sind vielmehr betriebliche Entlastungen oder ein Belastungsmoratorium angezeigt. Die Kammern verweisen in dem Kontext auch auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, der ein Bürokratie-Moratorium insbesondere hinsichtlich eines Bildungsfreistellungsanspruchs bis 2027 definiert

SZ

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