Am 17. Mai wird in Berlin der Next Generation Award 2019 verliehen. Dahinter steckt eine tolle Idee des Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU). Dieser vergibt zum zweiten Mal den außergewöhnlichen Preis.
Voraussetzungen dafür: Man muss eine Frau sein. Und man muss vor mindestens zwölf Monaten die Übernahme eines Unternehmens abgeschlossen haben, mindestens 50 Prozent der Gesellschaftsanteile halten und eine geschäftsführende Funktion innehaben.
Das alles trifft auf Sabine Lottes aus Kamenz lange zu. Bereits seit 2011 steht sie ihre Frau in einer sonst männerdominierten Branche. Die Chefin von Leichtmetall- und Stahlbau Lottes ist anerkannt, beliebt und hat sich jeden Zipfel Respekt mit harter Arbeit, Einfühlungsvermögen und Fachkenntnis erkämpft. Gerade feierte die Geschäftsfrau ihren 40. Geburtstag. Mit Freunden, der Familie und ihren Kollegen. Die sind fast alle Männer, doch das macht der Kamenzerin nichts.
Neun Mitarbeiter
Noch vor zehn Jahren war das alles unvorstellbar für sie. „Ich hatte eigentlich nicht viel mit der Firma meiner Eltern am Hut. Natürlich bin ich als Kind in den Ferien mit auf Baustellen gefahren und kannte die Werkstatt in- und auswendig. Der Werkstoff Metall, die Maschinen, Arbeitsabläufe und Gerüche waren mir nicht fremd“, sagt Sabine Lottes. Dennoch ging ihr Berufswunsch in eine ganz andere Richtung. Sie wurde Fotografin, studierte später in Düsseldorf Kommunikationsdesign. Anschließend flattert vor Ort sogar ein Jobangebot als Junior Art Director ein. „Ich war glücklich, hatte mich gut in der Großstadt arrangiert“, erzählt sie.
Doch Lebenswege verlaufen selten gerade. Und selbst der wundervollste Plan kann von heute auf morgen umgeworfen werden. Sabine Lottes hat das vor acht Jahren schmerzhaft erfahren. Da starb ihr geliebter Vater Gerd Lottes nach schwerer Krankheit viel zu früh. Und hinterließ eine große Lücke. Nicht nur in der Familie. Auch in der Kamenzer Leichtmetall- und Stahlbaufirma, die er 1988 gründete. Gestartet war er vor der Wende an der Burgstraße mit nur einem Mitarbeiter und 35 Quadratmeter Werkstattfläche. Heute stehen auf dem 6 000 Quadratmeter großen Firmengelände an der Güterbahnhofstraße neun Mitarbeiter in Lohn und Brot. Ihre Mama Dagmar Lottes ist die gute Seele im Büro und nicht wegzudenken. Auch drei Lehrlinge hat Sabine Lotte mittlerweile ausgebildet. Zurzeit sucht die Firma einen neuen Azubi. „Er wäre gut aufgehoben bei uns. Wir haben ein tolles Arbeitsklima und begegnen uns alle auf Augenhöhe, schätzen die Ideen und Vorschläge des anderen. Hier sind Menschen, die mitdenken. Die brauche ich aber auch“, lacht sie.
Die Firma baut bundesweit. Hauptsächlich aber schon in Sachsen. Balkonanlagen, Wintergärten, Haustüren, Fenster, Zäune und Tore, Treppen und Fluchtweganlagen. Ein größeres Projekt der letzten Jahre war der Umbau einer bekannten Social Media zentrale in Berlin. Genau dort in der Landeshauptstadt wird Sabine Lottes bald zu Gast sein. „Ich weiß noch nicht genau, wie alles ablaufen wird, aber ich bin sehr aufgeregt“, gesteht sie. Dass sie zu den wenigen Nominierten des Awards gehört, hat sie etwas umgehauen.
Neue Wege in der Nachfolge
Henriette Braun, selbst Kamenzer Geschäftsfrau und Mitglied im Verband deutscher Unternehmerinnen, hat sie dafür vorgeschlagen. „Ich dachte sofort an Sabine“, erzählt die Fotografin. Die beiden Frauen kennen sich. Wie das in einer Kleinstadt ist. Man schießt zum Forstfest gemeinsam den Adler ab, man winkt sich auf der Straße zu und kennt die Lebensgeschichte der anderen. „Dass sie für den Preis nominiert wurde, ist ein super Zeichen, denn das sind am Ende nicht sehr viele. Ihr Unternehmen wird auf jeden Fall zur Auszeichnungsveranstaltung in Berlin vorgestellt und die Chancen auf den Award stehen gut“, weiß Henriette Braun.
Peter Altmaier, Bundesminister Wirtschaft & Energie, ist Schirmherr des Awards. Der Verband deutscher Unternehmerinnen setzt sich seit über 60 Jahren für mehr Frauen in der Wirtschaft und ihre größere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit ein. Die Zahl der unternehmerisch tätigen Frauen wächst nicht nur durch immer mehr Gründerinnen. Durch den Generationenwechsel in kleinen und mittelständischen Unternehmen erhalten mehr Frauen eine Chance auf eine Firmenübernahme. Mit dem Preis für die Nachfolge stellt man die Attraktivität der Firmenübernahme heraus für Töchter wie auch familienfremde Nachfolgerinnen. Der Preis soll erfolgreiche Wege der Nachfolge sichtbar machen.
„Mit weiblicher Intuition kann man viel erreichen. Auch in unserer Branche. Der Umgangston mit einer Frau basiert hier zwar auf einem anderen Level. Gerade auf dem Bau. Aber ich habe alle Aufmerksamkeit auf meiner Seite, wenn man merkt, dass ich die Chefin bin“, so Sabine Lottes. Viele spannende Projekte liegen privat und beruflich auf dem Tisch. Mit einem Award in der Tasche wäre alles doppelt cool.
Von Ina Förster
Foto: © Matthias Schumann