Dresden. In die Diskussion um die Zukunft der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden mischen sich jetzt lautstark die Arbeitnehmervertreter am Standort ein. Die Kombination von Forschung und Produktion sei das einzig Sinnvolle, um die Arbeitsplätze dort zu sichern, sagt Betriebsratschef Thomas Aehlig. „Ziel muss es sein, den VW-Standort zu einer Wissensfabrik weiterzuentwickeln.“
Der Plan sei nicht neu, müsse jetzt aber endlich konsequent umgesetzt werden. Bereits mit Beginn der Fertigung des ID.3 Anfang 2019 sei von Dresden als Fertigungsstätte, Besuchermagnet, Eventlocation, Erprobungslabor und Auslieferungszentrum die Rede gewesen. „Diese Kombination war visionär, ist aber nicht verfolgt worden, sonst stünde das Werk jetzt nicht da, wo es steht“, erklärte Aehlig.
Ideen für künftige Nutzung überschlagen sich
Volkswagen muss sparen und will deshalb die Produktion in der Gläsernen Manufaktur Ende 2025 einstellen. Über die Zukunft des kleinsten VW-Standortes ist eine heftige Diskussion entbrannt. Die Ideen überschlagen sich. Die Berichte darüber, sagte Betriebsratschef Aehlig, würden die Belegschaft massiv verunsichern, zumal sich Volkswagen dazu bislang überhaupt nicht positioniert habe.
Geht es nach dem Intendanten der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler, soll die Richard-Wagner-Akademie in die Gläserne Manufaktur einziehen. Vogler soll bereits in Wolfsburg für seine Idee geworben haben. Im Gespräch ist ferner, die Manufaktur zum Ort zeitgenössische Kunst zu machen oder die Räumlichkeiten als Kunstdepot umzuwidmen.
Vorreiterrolle bei E-Mobilität
„Nach dem Aus des Phaeton haben wir 2017 als erster Standort voll auf die E-Mobilität gesetzt“, berichtete Aehlig. „Mittlerweile ist die E-Mobilität die klare strategische Stoßrichtung des Konzerns.“ Die Gläserne Manufaktur sei im Konzern der Leuchtturm auf diesem Gebiet. „Und nun haben wir Angst, dass uns das Licht ausgeknipst wird.“
Wir brauchen kein Wünsch-dir-was, das uns in spätestens zwei Jahren auf die Füße fällt. – Thomas Aehlig, Betriebsratschef der Gläsernen Manufaktur
Vize-Betriebsratschef René Rostock wird noch ein Stück emotionaler. Nach dem Abgasskandal sei Dresden das erste Werk gewesen, das vom Produktionsstopp betroffen war. „Mitarbeiter fuhren in der Folge in den Westen oder ins Ausland zur Arbeit. Dennoch haben wir an die Zukunft von VW an der Elbe geglaubt. Das Dresdner Werk war das erste, das mit dem E-Golf vollelektrische Autos baute. Und nun stehen wir wieder zur Disposition.“
Wissensfabrik nur mit realer Fahrzeugmontage
Wenn der Automobilbau in der Gläsernen Manufaktur nach 25 Jahren verschwindet, so Rostock weiter, wäre das „definitiv ein Zeichen von Schwäche für das Land und die Stadt Dresden und ein schlechtes Omen für alle Fahrzeugproduzenten in ganz Sachsen“. Und er fragt: „Wer 300 Arbeitsplätze in der Landeshauptstadt Dresden nicht sichern kann, wie will er es anstellen, 10.000 VW-Arbeitsplätze in ganz Sachsen zu schützen?“
Es sei ja nicht so, dass man nichts zu bieten habe, ergänzt Aehlig. Die Manufaktur habe den gewaltigen Vorteil, dass hier anders als im Labor direkt an die Seriensysteme anderer Werke angeknüpft werden kann.

Quelle: Rene Meinig
Zwingender Bestandteil der Wissensfabrik sei die reale Fahrzeugmontage, die Auslieferung von Neufahrzeugen an Kunden sowie die Entwicklung und Erprobung von Anlagen- und Systemtechnik, einschließlich von Software in realem Fertigungsumfeld.
Aufbau eines Innovationsnetzwerkes als Ziel
Die Arbeitnehmervertreter fordern „ein langfristiges Konzept, das zum Charakter der Gläsernen Manufaktur und den Beschäftigten passt. Wir brauchen kein Wünsch-dir-was, das uns in spätestens zwei Jahren auf die Füße fällt.“
Das 2019 entwickelte Konzept ging von rund 400 Beschäftigten aus. Der Betriebsrat hat es an die aktuellen Entwicklungen angepasst und spricht jetzt von rund 300 Kräften. Die Arbeitnehmervertreter plädieren für den Aufbau eines Innovationsnetzwerks unter Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden, dem Fraunhofer-Institut und anderen Kooperationspartnern.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kenne das Konzept Wissensfabrik und habe es damals befürwortet, sagt Aehlig. „Wir haben seitens der sächsischen Staatsregierung mehrfach Unterstützung zugesagt bekommen, dass die Industriearbeitsplätze in der Gläsernen Manufaktur erhalten bleiben. Wir werden als Betriebsrat genau hinschauen, dass hier Wort gehalten wird.“
Verweis auf 100.000 Besucher pro Jahr
In Dresden stehen laut Rostock nicht nur hunderte gut bezahlte Industriearbeitsplätze auf dem Spiel. Das Werk verzeichne jedes Jahr 100.000 Besucher alle Altersklassen. „Sie lernen die Fahrzeugproduktion kennen, und sie erleben Elektromobilität von Volkswagen“, so der Betriebsrats-Vize und leitet zum VfL Wolfsburg über.
Die VfL-Fans seien begeistert, dass sich der Konzern eine eigene Werkself leistet. „Auch wir haben Fans – und das an 365 Tagen im Jahr“, so Rostock. „Anderswo auf der Welt beneidet man uns um diese gläserne Fabrik und um die Entscheidung des damaligen Konzernchefs Ferdinand Piëch, sie in Dresden zu errichten. Packen wir alle an, dass sie erhalten bleibt.“