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Globalfoundries will Kapazität seiner Dresdner Chipfabrik verdoppeln

Geschäftsführer Manfred Horstmann spricht im Interview über seinen Blick auf die TSMC-Ansiedlung, eigene Ausbaupläne - und die Folgen des Karlsruher Urteils zur Schuldenbremse.

Lesedauer: 5 Minuten

Ein Mann schaut lächelnd in die Kamera.
"Große Unsicherheit und Ratlosigkeit" habe das Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse bei Globalfoundries ausgelöst, so Geschäftsführer Manfred Horstmann im Interview. Foto: Jungnickel-Fotografie

Von Heiko Weckbrodt

Herr Horstmann, wie gefällt es Ihnen, dass demnächst ein übermächtiger Konkurrent wie TSMC vor Ihrer Nase in Dresden eine Mega-Fab baut?

Wenn dieser Branchen-Gigant hierher kommt, bringt das sicher Herausforderungen im Wettbewerb um Talente auf dem regionalen Arbeitsmarkt, aber auch in der Wasser- und Energieversorgung mit sich. Doch wir sind Konkurrenz gewöhnt. Wir haben selbst ein gutes technologisches Portefeuille, mit dem wir unseren Kunden die besseren Chips anbieten können. Hinzu kommt: Der Halbleitermarkt wächst durchschnittlich um elf bis zwölf Prozent pro Jahr. Auch gibt es politische Bemühungen, den Anteil der in Europa produzierten Mikroelektronik zu verdoppeln. Parallel dazu sorgen der Umstieg der Automobilindustrie vom Verbrenner auf den Elektroantrieb und andere Trends für Impulse. Allein in dem Marktsegment, das wir bedienen, fehlen im Vergleich zu den EU-Zielen sechs bis sieben Fabriken beziehungsweise 1,3 Millionen Waferstarts* pro Jahr in Europa. Kurz gesagt: Es ist genug für alle da. Ich bin davon überzeugt, dass der Halbleitermarkt gerade auch hier in Europa genug Raum für uns genauso wie für TSMC und weitere Unternehmen hergibt.

Das klingt jetzt recht entspannt. Kürzlich war aber zu hören, dass Globalfoundries womöglich gegen die hohen Subventionen für TSMC vorgehen will, auf jeden Fall aber für die eigenen Ausbaupläne in Dresden ebenfalls Zuschussquoten um die 50 Prozent wie die Taiwanesen bekommen möchte. Was ist da dran?

Wenn der Staat Ansiedlungen unterstützt, dann sollten die Förderungen fair für alle fließen.

Wofür zum Beispiel?

Seit 2020 haben wir unsere Kapazität hier in Dresden von 300.000 Waferstarts pro Jahr auf 800.000 bis 850.000 Waferstarts ausgebaut. Das ist bisher in den bestehenden Reinräumen geschehen, indem wir Reserven genutzt und viele Anlagen durch modernere Tools, die weniger Platz brauchen, ausgetauscht haben. Mit knapp 60.000 Quadratmetern Reinraum ist Globalfoundries Dresden schon jetzt eine der größten Chipfabriken in Europa. Möglich wurde dieser Kapazitätsausbau unter anderem durch die starke Nachfrage aus dem Automobilsektor. Inzwischen werden Sie kaum noch ein neues Auto in Europa finden, in dem nicht ein Mikrocontroller, ein Radarchip oder ein anderer Schaltkreis von Globalfoundries Dresden arbeitet. Und der Bedarf an unseren Chips steigt weiter, auch weil in Elektroautos mehr Elektronik verbaut wird als in Verbrennern. Nun wollen wir den nächsten Schritt gehen und unsere Kapazitäten in Dresden bis 2030 noch einmal verdoppeln – auf dann rund 1,5 Millionen Waferstarts pro Jahr. Dabei denken wir vor allem an Anlagen für die Fertigung von Chips für die Auto- und die allgemeine Industrie in den Strukturknoten von 55 bis hinunter zu 22 Nanometern.

Wieviel wollen Sie konkret investieren und wieviel Zuschuss möchten sie dafür vom Staat?

Wir reden derzeit mit dem Bund und dem Land, um solche Fragen zu klären. Unsere Position dabei ist: Wir können den politischen Willen verstehen, große Akteure wie TSMC in Deutschland anzusiedeln und dies auch zu fördern. Aber wir wollen auch klarmachen, welchen Beitrag wir leisten können und wie wichtig dabei faire Wettbewerbsbedingungen sind.

Einmal anders gefragt: Dafür werden Sie doch ein neues Fabrikmodul bauen und mehr Leute einstellen müssen, oder? Denn solch ein Ausbau dürfte doch wohl kaum auf der bestehenden Reinraumfläche und mit der heutigen Belegschaftsstärke zu stemmen sein?!

Das ist richtig. Aber wir wollen während der laufenden Gespräche noch keine Details nennen.

Welche Auswirkungen hat aus Ihrer Sicht das jüngste Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse auf die „Wichtigen Projekte von gemeinsamem europäischen Interesse“ in der Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien, auch IPCEI 2 genannt, von Globalfoundries in Dresden?

Große Unsicherheit und auch Ratlosigkeit. Seit Ende Dezember 2022 sind wir bereits in der Umsetzung unseres Milliarden-Projektes, auch wenn wir noch keinen rechtsgültigen Förderbescheid in der Hand haben. In den letzten 25 Jahre war das nie ein Problem, wir konnten immer auf eigenes Risiko loslegen im Vertrauen darauf, dass die Zusagen eingehalten werden.  Dem hat Karlsruhe erst einmal einen Riegel vorgeschoben, und wir wissen aktuell nicht, wie es mit dem mehrjährigen Großprojekt weitergehen kann. Das betrifft im Übrigen nicht nur uns, sondern hat auch Auswirkungen auf unsere Partner wie zum Beispiel Fraunhofer

Und wie sieht es mit Ihren weitergehenden Plänen aus?

Solange die Thematik IPCEI 2 nicht geklärt ist, sind auch unsere Pläne basierend auf dem EU-Chipgesetz für den Ausbau von GF Dresden blockiert. Ein starkes und erfolgreiches IPCEI 2 ist die technologische Grundlage für unser EU Chips Act Projekt, mit dem wir die industrielle Transformation Deutschlands fördern wollen. Unser Ziel ist eine energieeffiziente und ressourcenschonende Produktion von solchen Chips, die einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung und Digitalisierung der Auto- und anderer Industrien leisten. Das ist jetzt in Frage gestellt. Ich kann die handelnden Akteure nur ermuntern, jetzt schnell und nachhaltig tragfähige Lösungen für zunächst die IPCEI-Projekte zu finden – nur so werden wir große Transformationsprojekte in Deutschland erfolgreich stemmen können.

Wieviel Leute haben Sie jetzt hier in Dresden an Bord?

Rund 3000.

Waren das nicht mal 3300?

Wir fahren unsere Bump & Sort Aktivitäten in Dresden runter und verlagern die Anlagen in die ehemalige Qimonda-Fabrik nach Portugal, die heute durch Amkor betrieben wird. Dadurch entsteht dort eine schlagkräftige Einheit für Backend-Prozesse** in Europa. Als AMD seinerzeit diese Abteilung in Dresden eingerichtet hat, war das damals für einen Prozessorhersteller sicher eine sinnvolle Entscheidung. Für uns als Auftragsfertiger war Bump & Sort dagegen eher ein Randgeschäft mit geringem Automatisierungsgrad. Wir haben im Zuge der Verlagerung rund 300 Stellen sozialverträglich abgebaut. Letztlich mussten wir keine Handvoll Kündigungen aussprechen.

Aber wenn Sie hier ausbauen wollen, brauchen Sie doch wieder Fachkräfte?! Und die dürften noch härter umkämpft sein als heute, wenn TSMC und Infineon ihre neuen Fabriken beziehungsweise Fabrikmodule gebaut haben…

Die Fabrik der Zukunft ist hochautomatisiert und sieht anders aus als die klassische Fab, in der es viele Operators gab, die zum Beispiel damit beschäftigt waren, Anlagen zu be- und entladen. Was wir künftig brauchen, sind vor allem Wartungsspezialisten. Das Be- und Entladen machen längst Roboter. Doch wenn Anlagen mal kaputt gehen, dann muss der Mensch ran.

Dann wäre Ihr Ratschlag an Sachsens Eltern wohl: Animiert eure Kinder zu einer Karriere als Wartungstechniker oder -ingenieur?!

(lächelt): Genau. Und wir bilden auch selbst verstärkt in dieser Richtung aus. Wir haben jetzt über 100 Azubis – noch vor ein paar Jahren waren es 40.

Fachkräfte sind die eine umkämpfte Ressource. Wie sieht es mit Wasser und Energie aus?

Der Wasser- und Energieverbrauch heutiger Chipfabriken ist in der Tat immens. Allein wir brauchen 1,2 Terawattstunden Strom im Jahr. Und wenn man alle Halbleiterwerke in Dresden zusammenrechnet, dann benötigen die zusammen etwa eben soviel Wasser wie die ganze restliche Stadt.

Wie wollen Sie das lösen?

Wir wollen uns zum Beispiel vom Frischwasser entkoppeln und unser Reinstwasser künftig aus Brauch- beziehungsweise Industriewasser gewinnen. Dafür werden wir uns an den Sachsenenergie-Projekten beteiligen, aber auch eigene Anlagen installieren. Und wir wollen unsere Recyclingquoten deutlich erhöhen. Für unsere Energieversorgung modernisieren wir gerade unsere Kraftwerke, die beiden EVCs. Letztlich werden sie dadurch effizienter arbeiten, etwa 75 Prozent weniger Wasser verbrauchen und einen besseren Wirkungsgrad erzielen. Wir rüsten sie so um, dass sie in Zukunft auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden können. Dafür brauchen wir aber einen Anschluss an die Wasserstoffnetze. Bisher ist als nächster Anschlusspunkt Riesa vorgesehen. Wir wünschen uns aber auch eine Leitung bis nach Dresden. Bis wir genügend grünen Wasserstoff bekommen, sind wir aber auf Erdgas angewiesen. Deshalb sind günstige Gaspreise ganz wichtig. Übrigens: Um uns auch selbst mit Energie zu versorgen, installieren wir derzeit eine Solaranlage auf unserem Fabrikdach, die in der Spitze bis zu 7,5 Megawatt liefern kann. Damit können wir etwa drei bis vier Prozent unseres Stromverbrauchs decken. Das mag nicht nach viel klingen, hilft aber auch wieder ein Stück weit.

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