Riesa. Just am Donnerstag ist es wieder passiert, erzählt Markus Ziron. Ein Unternehmer aus der Region sei bei der Volksbank vorstellig geworden, nachdem weltweit der Börsenkurs nach unten zeigte. Er wolle Gold kaufen, erklärte der Mann. Die Situation erlebt der Vorstand der Riesaer Volksbank in letzter Zeit häufiger. „Zwischen 2016 und 2017 haben sich unsere Erträge aus dem Geschäft mit Edelmetallen versiebenfacht“, sagt Markus Ziron. Auch Silber und Platin sind darunter.
Doch am stärksten nachgefragt sei weiterhin Gold. Ob Krügerrand, Luther-Rose, ob geprägte oder ungeprägte Barren: Immer häufiger würden die Mitarbeiter gefragt, ob man das kostbare Metall bei ihnen kaufen könne. „Dabei bewerben wir das nicht einmal aktiv, wir sind ja kein Goldshop“, betont Ziron. Viele Jahre lang habe es sich um ein völlig unbedeutendes Geschäftsfeld gehandelt. „Jetzt kommen die Leute von sich aus und fragen nach.“ Wie oft genau gekauft wird, möchte er schon aus Sicherheitsgründen nicht preisgeben. Aber es sei heutzutage schon mehrmals in der Woche der Fall, während vor 2016 eher im Monatsturnus nachgefragt wurde – und das nicht ausschließlich von Leuten, die nicht genau wissen, wohin mit ihrem Geld. „Das geht quer durch alle Schichten.“
Die Bank verdient mit
Aus Sicht des Bankers ist das eigentlich eine günstige Entwicklung. Denn die Banken erheben beim Goldverkauf eine Provisionsgebühr, im Fall der Volksbank liegt sie derzeit bei drei Prozent. An jedem einzelnen Barren und jeder Münze verdient die Bank also mit. Einen Grund zur ausgelassenen Freude sieht Ziron in dem Verkauf trotzdem nicht. Denn hinter dem kleinen Goldrausch, der die Riesaer offenbar erfasst hat, stehen psychologische Gründe.
Gold sei ein Indikator für Angst und schwindendes Vertrauen in Wirtschaft und Währung. So wie im Fall des Unternehmers, dem der Börsensturz vom Donnerstag Sorgen macht. „Wer Gold kauft, kauft es zur Beruhigung“, stellt der Volksbank-Vorstand klar. Weltweit waren Ende 2017 gerade einmal 190 000 Tonnen des Edelmetalls im Umlauf, zusammengenommen ergäbe das einen Würfel mit einer Kantenlänge von etwas mehr als 21 Metern. In der Erde schlummern Schätzungen zufolge noch etwa 56 000 Tonnen, die wirtschaftlich förderbar wären. Die Seltenheit befeuert den Wert. Für die gleiche Menge Gold bekomme man heute immer noch denselben Sachwert wie vor hunderten Jahren, erläutert Ziron.
Trotzdem ergebe der Goldkauf längst nicht für jeden Kunden Sinn. Das beginnt schon damit, dass der Wert des Goldes nicht dem Kaufpreis entspricht. Während Ersterer weitgehend stabil ist, schwankt Letzterer nämlich erheblich. Wer auf Zinsen aus ist, wird also mit dem Edelmetall kaum glücklich werden. Oder, um es mit den Worten des Volksbank-Vorstands zu sagen: „Wenn Sie täglich auf den Goldkurs schauen, werden Sie verrückt.“ Aus diesem Grund warnen auch Verbraucherschützer davor, sich mit Gold einzudecken. „Gold ist keinesfalls der sichere Hafen, als der es oft verkauft wird, sondern eine hoch riskante und spekulative Geldanlage“, warnte die Verbraucherzentrale schon im Sommer 2017. Grund seien nicht zuletzt die Kosten, die beim Ankauf entstünden. Sowohl die Verbraucherschützer als auch die Banken raten deshalb dazu, das eigene Vermögen zu streuen, statt alles auf eine Karte zu setzen.
Der Safe wird zur Pflicht
Eine andere Sache macht dem Volksbank-Vorstand ebenfalls Sorgen. „Es gibt Kunden, die kaufen für mehrere tausend Euro Gold und nehmen das dann mit nach Hause.“ Dort landet es dann, bildlich gesprochen, unterm Kopfkissen. „Gold gehört in den Safe“, mahnt Markus Ziron; am besten natürlich in ein Bankschließfach – das freilich weitere Kosten nach sich zieht, aber dennoch wohl den besten Schutz vor Einbrechern bietet.
Sachlich nachvollziehbar ist der Ansturm aufs Gold hingegen kaum, sagt Markus Ziron. Er halte ihn sogar für bedenklich – wenn auch verständlich. Schließlich jage eine Hiobsbotschaft die andere: Trumps Zollkrieg mit China, Währungskrise in der Türkei, dazu die Flüchtlingsthematik. All das trage dazu bei, dass sich die Leute Sorgen um ihr Geld machen. Aber: „Man sollte sich nicht verrückt machen lassen.“ Aus seiner Sicht habe es um die Wirtschaft und den Euro 2008 deutlich schlimmer gestanden. Auch damals habe man eine stärkere Nachfrage nach Gold gespürt. „Aber die fiel längst nicht so stark aus wie jetzt.“
Von Stefan Lehmann
Foto: Lutz Weidler