Dass Branchenfremde nur schwer verstehen können, was seine Firma da so macht, ist Henry Drut gewohnt. Für den Aha-Effekt hat der 58-jährige Geschäftsführer der Freitaler Firma Former-Fab deswegen immer ein paar fertige Verpackungen parat. Er legt eine kleine, durchsichtige Tüte mit einer roten Flüssigkeit auf den Tisch. Jeder, der beispielsweise im Freibad einmal Pommes gegessen hat, hat solch einen Ketchup-Portionsbeutel schon einmal gesehen. Drut und seine 14 Mitarbeiter haben einen nicht unwesentlichen Anteil daran, dass diese Verpackungen günstig und in guter Qualität produziert werden können. Er stellt im Freitaler Technologiezentrum berechenbare Formschultern für die Verpackungsindustrie her.
Solche Formschultern – manche von ihnen sind handgroß, andere wiederum mannshoch – werden immer dann gebraucht, wenn es darum geht, flüssige oder schüttbare Waren in eine Verpackung zu pressen. Die Formschulter sorgt dafür, dass der Beutel seine gewünschte Form erhält. Mit einem Röhrchen, das durch die Formschulter hindurchläuft, wird letztlich die Ware in den Beutel gebracht. Das alles geht in einer vollautomatischen Verpackungsmaschine in Sekundenschnelle – auch das Zusammenpressen des Beutels unten, oben und an der Seite. Fertig ist das Ketchup-Tütchen.
Die Kunden von Former-Fab sind große Verpackungsmaschinenbauer – in Deutschland, Spanien und Italien. Auch mit Unternehmen in der Türkei, in Indien oder der USA arbeiten Drut und sein Team zusammen. Im Unterschied zu anderen Formschulter-Bauern können sie den Kunden einen wichtigen Vorteil bieten: Die Teile werden nicht nach dem Versuch-und-Fehler-Prinzip handwerklich gefertigt und müssen in der Verpackungsmaschine immer wieder angepasst werden, sondern ihre Form wird je nach gewünschter Verpackung berechnet und dann in den meisten Fällen gefräst.
Das macht sie freilich teurer als die handwerklich gefertigten, aber zuverlässiger und vom Start weg funktionsfähig. Drut, der an der TU Dresden in den 80er-Jahren Verpackungstechnik studiert und später promoviert hat, hat dafür ein einzigartiges Programm entwickelt. Neben seinem gebe es nur zwei weitere Verfahren zur Berechnung von Formschultern, sagt er. Eines davon halte ein Forscher in China, das andere werde bei den Metallwerken Toss in Freital angewendet.
„Wir wollen uns verdoppeln“
Das sei aber nicht der Grund für ihn gewesen, nach Freital zu gehen, sagt Drut. „Wir hatten in Dresden einfach keinen Platz mehr“, sagt er. Mit seinem 2004 gegründeten Unternehmen war er zuletzt auf der Heidelberger Straße in Dresden-Gittersee ansässig. Über die Firma Watttron, die ebenfalls in der Verpackungsindustrie tätig und schon lange Mieter im Technologiezentrum ist, kam schließlich der Kontakt nach Freital zustande. Im Frühjahr des vergangenen Jahres zog Former-Fab schließlich um. Das Unternehmen hat rund 250 Quadratmeter in der ersten Etage des Wirtschaftsstandorts bezogen.
Neben einem Büroteil, wo Ingenieure die jeweiligen Formschultern berechnen und entwerfen, gibt es eine Fräsabteilung und eine Blechabteilung, wo die Formschultern produziert werden. Jede Formschulter wird nach der digitalen Konstruktion zunächst mit einem 3D-Drucker ausgedruckt, getestet und erst dann für den Kunden hergestellt. Etwa 2 000 Formschultern gehen so pro Jahr von Freital in die Welt. Die kleineren Exemplare kosten ab 500 Euro. 1,3 Millionen Euro Umsatz hat Former-Fab so im vergangenen Jahr erwirtschaftet.
Geschäftsführer Henry Drut sagt seinem Unternehmen glänzende Zukunftsaussichten voraus. Unter anderem werde die Umstellung vieler Verpackungen von Plastik auf Papier dafür sorgen, dass die Verpackungsindustrie viele Formschultern brauche. Mit der Präzision und der Zuverlässigkeit seiner Teile sieht sich Drut für diese Zukunft gut gerüstet.
Dass diese Zukunft im Freitaler Technologiezentrum an der Dresdner Straße stattfinden kann, ist zunächst gesichert. Neben den derzeitigen Räumen von Former-Fab gibt es bereits Optionsflächen, die bei Bedarf dazugemietet werden können. Dies wird, geht man nach den Plänen von Drut, bald soweit sein. „Wir wollen uns in den kommenden achten Jahren verdoppeln“, sagt er.
Von Tobias Winzer
Foto: © Karl-L. Oberthür