München/Dresden. Die europäische Chipindustrie wächst rasant in Dresden: ESMC und Infineon sind mit dem Bau ihrer Fabriken auf Kurs, X-FAB hat expandiert, und Globalfoundries investiert weiter. Gleichzeitig ist 2025 aus Sicht des Branchenverbands Silicon Saxony aber auch ein „langsames Jahr“. Im Januar endete die Antragsfrist für die Förderung weiterer Projekte im Rahmen der Europäischen Chipgesetze. „Zehn Monate später wissen wir immer noch nicht, welche Projekte ausgewählt sind“, sagt Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony e.V. Zu den Antragstellern gehören unter anderem Globalfoundries, das auf Fördergelder für den Ausbau ihres Dresdner Standorts hofft. Und der Dresdner Chiphersteller FMC soll 1,3 Milliarden Euro für den Bau einer Fabrik in Magdeburg beantragt haben.
Bösenberg gab am Dienstag auf der Halbleitermesse Semicon Europa in München einen Überblick über die aktuelle Situation und zeigte auf, wo Europa Tempo braucht. Ein Beispiel ist die europäische Initiative zum Aufbau von bis zu fünf KI-Gigafabriken. Die EU-Kommission definiert sie als „Großanlage für die Entwicklung und das Training von KI-Modellen der nächsten Generation mit Billionen von Parametern“. Geplant sind Anlagen mit rund 100.000 KI-Chips der neuesten Generation. 20 Milliarden Euro sollen investiert werden, 35 Prozent davon sind Fördergelder. Damit will Europa seine digitale Souveränität stärken.

Quelle: Silicon Saxony
Bei Förderung auch europäische Produktion notwendig
Wenn so viel Geld der europäischen Steuerzahler in die Hand genommen wird, dann soll auch dafür gesorgt werden, dass die KI-Chips zu einem gewissen Teil aus europäischer Produktion kommen, fordert Silicon Saxony. „Bei digitaler Souveränität muss die Hardware-Ebene mitgedacht werden“, sagt Bösenberg. Start-ups wie Spinncloud aus Dresden müssen dabei unterstützt werden, dass ihre KI-Chips genutzt werden und sie so die Chance erhalten, ihre Technologien in staatlich geförderten Projekten hochskalieren zu können.
Die angekündigten Investitionen von Google und Microsoft in deutsche KI-Rechenzentren würden dagegen wenig dazu beitragen, die digitale Abhängigkeit Europas zu verringern. „Ein Großteil des Investments wird Deutschland wieder verlassen“, so Bösenberg. Spinncloud gehört zu den 58 Unternehmen und Institutionen, die sich am Gemeinschaftsstand von Silicon Saxony in München präsentieren – eine Rekordbeteiligung.
Neues Wachstumsprogramm für Halbleiter-Start-ups in Planung
Es wurde noch eine andere Initiative vorgestellt – „Ignite Next – Start-ups als Treiber industrieller Erneuerung“. Dahinter verbirgt sich das Bemühen, „Intel Ignite“ wiederzubeleben, das Wachstums-Förderprogramm für Deeptech-Startups in der Frühphase. Der US-Chiphersteller Intel hatte es 2019 in Israel ins Leben gerufen und später auf die Städte Austin in den USA und München in Deutschland ausgeweitet. Nun hat sich der amerikanische Konzern, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, zurückgezogen.
Bei digitaler Souveränität muss die Hardware-Ebene mitgedacht werden. – Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony e.V
Das Ignite-Team hat die vergangenen Wochen dafür genutzt, um zu prüfen, ob man das Programm mit neuen Industriepartnern fortsetzen kann. Dem Vernehmen nach könnte das von Dresden aus geschehen, aber noch ist nichts entschieden. „Das würde für die Halbleiter-Start-ups eine Sichtbarkeit schaffen wie ESMC für die Produktion“, freut sich Bösenberg aber schon einmal. Das Team würde nicht nur seine Programmatik mitbringen, sondern auch sein Adressbuch und seine Industriepartner.
X-Fab und ENAS starten Kooperation
Es gab aber noch weitere Neuigkeiten auf der Semicon. So starten der Chiphersteller X-FAB mit Sitz in Erfurt und das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS eine strategische Kooperation, um neue mikrotechnologische Lösungen schneller von der Forschung in die Massenfertigung zu bringen. Dafür setzen sie auf ein „Lab-in-Fab“-Modell: Forschungsteams des Fraunhofer ENAS arbeiten direkt in der Produktionsumgebung von X-FAB. So lassen sich Technologien – die entscheidend sind für moderne Sensorik und Medizintechnik – ohne Umwege erproben, optimieren und in die Serienfertigung überführen.
Das soll Entwicklungszeiten deutlich verkürzen, weil Forschungs- und Fertigungsprozesse nahtlos ineinandergreifen. Kunden profitieren davon, dass neue Technologien schneller marktreif werden, da fehlende Kompetenzen und Prozesse gemeinsam aufgebaut werden. Auch Personal wird zwischen beiden Partnern ausgetauscht, um Wissen zu teilen und die Zusammenarbeit zu vertiefen. Zudem planen X-FAB und Fraunhofer ENAS gemeinsame Projekte, Messeauftritte und Markterschließungsaktivitäten. Die neue Partnerschaft passt gut zum European Chips Act, der das Ziel hat, innovative Technologien schneller auf den Markt zu bringen und so Europas Status als Hightech-Standort zu sichern.

Quelle: Rene Meinig
DAS aus Dresden stellt neues Abgasreinigungssystem vor
Aus Sachsen kommen auf der Semicon aber nicht nur Ankündigungen, sondern auch Innovationen, die vorgestellt werden. So präsentiert die DAS Environmental Expert GmbH ihr neues Abgasreinigungssystem Tilia, das neue Leistungsmaßstäbe für die Abgasreinigung von Treibhausgasen setzt. So sind mit Tilia laut eigenen Angaben Zersetzungswirkungsgrade von über 99,9 Prozent für Tetrafluormethan und andere fluorierte Treibhausgase realisierbar.
„Systeme wie Tilia beweisen, dass es nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist, die aktuellen Branchenbenchmarks zu übertreffen“, sagt Stephan Raithel, der Geschäftsführer für Gas Treatment bei dem Dresdner Umwelttechnik-Spezialisten. Angesichts steigender Kohlendioxid-Preise und verschärfter Nachhaltigkeitsziele zahle sich eine Investition in hocheffiziente Abgasreinigung auch finanziell aus, betont er. Die globale Halbleiterindustrie emittiert jährlich tausende Tonnen Tetrafluormethan – es ist ein Gas mit hohem Erderwärmungspotenzial.
SZ


