Dresden. Da führt die Oberelbe seit September mal stabil viel Wasser, und dennoch ist dort kein durchgehender Schiffsverkehr möglich. Frank Thiele, Vertriebschef der Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO) nennt den Einsturz der Carolabrücke in Dresden und die vorsichtshalber gesperrte Querung in Bad Schandau „eine Katastrophe“ – vor allem für die Tochtergesellschaft in Tschechien.
Zum Verbund gehören die Häfen Dresden, Riesa, Torgau und Mühlberg sowie Děčín (Tetschen) und Lovosice (Lobositz) in Tschechien. „Sämtliche Schwergüter – Turbinen, Transformatoren, Motoren, Generatoren – finden keinen anderen Weg zum Seehafen Hamburg“, klagt Thiele. Auch litten tschechische Reeder mit ihren Getreide- und Düngemittel-Transporten. Ein Koppelverband ersetzt etwa 100 Lkw. Zudem sei der Bahnverkehr in Deutschland über Monate von Baustellen geprägt, was zu weiterer Rückverlagerung auf die Straße führe, sagt der Manager. „Die Verspätungen sind nicht zu kompensieren, alle nachgelagerten Umschläge in den Zielorten müssen ständig neu disponiert werden.“
Auch am End- und Ausgangspunkt der Transporte sorgt man sich um die Oberelbe. Nach Schätzungen des Hamburger Hafens sind Tschechien und die Slowakei mit zusammen 465.000 20-Fuß-Containern (TEU) wichtigste Auslandspartner. Sachsen rangiert mit 190.000 TEU im Deutschland-Ranking auf dem 10. Platz.
Tschechen wurden nicht informiert
Angesichts der Dramatik sieht Roman Fürtig von Hamburgs Hafenmarketing den Bund in der Verantwortung. Als jüngst ein Schiff auf der Mosel eine Schleuse gerammt hatte und 74 Schiffe feststeckten, habe man den Stau in wenigen Wochen per Notschleusung aufgelöst, sagt er. So eine unkomplizierte Lösung wünscht sich der Ostbeauftragte auch an der Elbe. Die Carolabrücke sei „ein Präzedenzfall“. Neben dem schnellen Provisorium brauche es „grundsätzlich ein Szenario, was passiert, wenn eine städtische Brücke auf eine Bundeswasserstraße fällt“.
Fürtig nennt es „bedauerlich, dass die Tschechen nicht informiert wurden“. Immerhin sei die Elbe ihr einziger Meereszugang, hatten sich Deutschland und sein Nachbar 2021 verpflichtet, Rahmenbedingungen für eine funktionierende Binnenschifffahrt zu schaffen. Der Vertrag schreibt an mindestens 345 Tagen im Jahr eine Fahrrinnentiefe von 140 Zentimetern vor.
Diese Parameter waren 2017 im Gesamtkonzept Elbe verankert und auch von den Umweltverbänden akzeptiert worden. Doch sie sind zurückgerudert und fordern ein Moratorium des Ausbaus. Die ursprüngliche Natur sei „ein essenzieller Wirtschaftsfaktor“, der „den Nutzen der Transportleistung durch die Güterschifffahrt um ein Vielfaches“ übertreffe, heißt es in ihrer „Dessauer Erklärung“.
60 Bahnverbindungen mit Sachsen
Erst vor wenigen Tagen hatte der BUND die Planfeststellung für ein neues Terminal im Hafen Riesa kritisiert sowie Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit des Containerumschlags zwischen Binnenschiff, Bahn und Lkw infrage gestellt. Die ganzjährige Schiffbarkeit der Elbe sei eine Illusion, die dauerhaft benötigte Fahrrinnentiefe unrealistisch, heißt es.
Tatsächlich wird etwa die Hälfte aller Container in Hamburgs Hinterlandverkehr von der Bahn bewegt, keine drei Prozent über Binnenwasserstraßen. So mausern sich auch die SBO-Standorte zu Bahnhöfen. Dort waren 2023 fast 1,1 Millionen Tonnen verladen worden. Hamburg, mit 300 Kilometer Gleis weltgrößter Eisenbahnhafen, spielt dabei eine große Rolle. „Während wir es dorthin im Nachtsprung schaffen, ist Rotterdam erst in 48 Stunden erreichbar“, sagt Vertriebschef Thiele.
Von der Hansestadt aus gibt es pro Woche 60 Verbindungen von und nach Sachsen: zehn nach Dresden, 22 nach Leipzig und weitere nach Riesa, Kodersdorf, Glauchau, Schkeuditz. Um die steigende Nachfrage zu bewältigen, hatte die SBO 2024 im Dresdner Hafen einen zweiten Trailerport eröffnet und so die Kapazität auf 50.000 Sattelauflieger und Container verdoppelt, die per Zug transportiert werden.
Kritik an Wasserüberleitung in die Spree
Und wie steht es um den Urzweck der Häfen, in denen nur noch jede 33. Tonne aufs Wasser geht? Roman Fürtig will die Elbe, um 1900 noch verkehrsreichster Fluss Europas, als Ressource und Beitrag zur Verkehrswende nicht abschreiben. Er sieht in nachhaltigen Energieträgern wie grünem Wasserstoff eine Wachstumschance. Solche Derivate könnten über die Schiene und Schiffe zu Abnehmern in Sachsens Metall-, Chip- und Chemieindustrie sowie in der Schiff-, Luft- und Raumfahrt transportiert werden.
Doch mit der geplanten Wasserüberleitung von der Elbe in die Spree droht neues Ungemach. Fürtig, Vorstandschef der Elbe Allianz, sieht die am Gesamtkonzept beteiligten Wirtschafts- und Umweltverbände übergangen. Er hat die „Sorge, dass Probleme in Berlin und Brandenburg auf Kosten der Elbe beseitigt werden sollen“ – etwa durch Bergbau und angesiedelte Wasserstoffproduktion in der Lausitz. Der Fluss sei ein Wettbewerbsvorteil, den es zu bewahren gelte.
SZ