Georg Moeritz
Dresden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat viele Enttäuschungen erlebt. Zuletzt vertagte der Mikrochip-Hersteller Intel aus den USA den angekündigten Bau der Fabrik in Magdeburg. Derzeit bangt Haseloff um Anlagen der Chemiefabrik SKW Piesteritz in Wittenberg, weil Energie in Deutschland teuer ist und Russland den Diesel-Zusatzstoff Adblue billiger liefern kann als SKW. „Wir verlieren jeden Tag Industriearbeitsplätze“, sagte Haseloff am Dienstag in Dresden. Er war Gast beim 56. Kraftwerkstechnischen Kolloquium, das die TU Dresden zwei Tage lang im Kongresszentrum abhält.
Haseloff sagte: „Die Energiewende stottert, das ist jetzt ein Problem.“ Sachsen-Anhalt habe eine Zeit lang das „Solar Valley“ mit den weltweit größten Produktionskapazitäten besessen, doch nun kämen Solar- und zunehmend auch Windkraftanlagen aus China. Der CDU-Politiker nannte die Grünen nicht namentlich als politischen Gegner, sagte aber: „Das einzige Klimaproblem ist die jetzige Klimapolitik.“ Denn wenn Industriearbeitsplätze nach Übersee verlagert würden, seien sie künftig weniger klimafreundlich als in Deutschland. Die Energiewende sei aber notwendig. Er bestreite nicht den Klimawandel, sagte der promovierte Physiker Haseloff, der in Dresden studiert hat.
Kretschmer nennt „Renaissance der Kernkraft“ als Möglichkeit
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat in den vergangenen Monaten ähnlich argumentiert wie sein Parteifreund und gesagt, die Energiewende sei gescheitert. In einem schriftlichen Grußwort zu der Dresdner Tagung betonte Kretschmer nun, dass aus Sachsen „viele Innovationen für die Energiewende“ kommen – beispielsweise Batteriespeicher und ein 300 Meter hoher Windturm. Kohlekraftwerke dürften nicht vor 2038 abgeschaltet werden. Die Kosten für die Energiewende dürften nicht dazu führen, dass Unternehmen ihre Investitionen ins Ausland umlenken. Kretschmer schrieb, es gebe viele Lösungsvorschläge für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung – und nannte unter anderem „einer Renaissance der Kernkraft“ und „die Kernfusion am fernen Horizont“ sowie heimisches Erdgas.
Mehrere Diskussionsteilnehmer der Tagung stellten Pläne für Wasserstoff als Stromspeicher vor. Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, verwies auf die Pläne für das deutsche Wasserstoff-Kernnetz. „Die Grundlogik steht“, sagte sie, nun vertraue sie auf deutsche Ingenieurskunst. Haseloff allerdings sagte, Wasserstoff sei ein Thema für die nächsten Jahrhunderte: „Wir werden in diesem Jahrhundert keine Wasserstoffwirtschaft haben.“ Die Unternehmen seien beim Kapitalbedarf überfordert.
Wasserstoff-Experten: Deutschland auf Importe angewiesen
Derzeit sei Wasserstoff aus Ökostrom teuer, räumte Jorgo Chatzimarkakis ein, der den Branchenverband Hydrogen Europe in Brüssel vertritt. Europa sei zu klein und zu bevölkerungsreich, um günstig Wasserstoff zu produzieren. Er rechne mit künftig etwa 60 Prozent Importanteil für das Gas, etwa aus Saudi-Arabien. Um günstige Preise zu erzielen, könnten langfristige Verträge angeboten werden. Chatzimarkakis lobte das Dresdner Unternehmen Sunfire als einen der bekannten Hersteller von Elektrolyse-Technik.
Die Veranstalter stellten die Frage, ob Deutschland eher Kanada oder eher Kuwait als Energiepartner brauche. Andreae sagte, beim Wasserstoff-Import könne man nicht wählerisch sein. Auch Leag-Vorstand Philipp Nellessen sagte, Deutschland könne sich die Lieferländer nicht aussuchen, sie stünden nicht Schlange.