In Millionen kleinen und größeren Schuppen blättert die Pastellfarbe von Wänden und Decken. An einigen der großen, fast bodentiefen Fenster hängen noch Gardinenreste. Das Muster lässt auf 70er Jahre schließen. Von den Heizkörpern ist nichts mehr übrig, außer hellen Flecken, die andeuten, wo sie einst unter den Fenstern hingen. „Die Heizkörper sind alle weggeflext worden“, sagt Francois Fritz. Seine Frau Sylwia Fritz und Marzena Paszkiewicz sind die neuen Eigentümer der einstigen Steppke-Werke, einer großen Industriebrache mitten in der Innenstadt.
Die drei kennt man vor allem vom Hotel Bon Apart, das Francois Fritz gebaut hat, die beiden Frauen sind die Eigentümer. In den vergangenen Jahren haben die drei außerdem das Eckgebäude an der Elisabeth- und Bismarckstraße saniert, das jetzt an die Agentur für Arbeit vermietet ist. Die ehemaligen Steppke-Werke sind nun das neue Vorhaben. Sie liegen im Hinterhof der Salomonstraße 30/31. Grundfläche: 5 600 Quadratmeter. Das Hauptgebäude ist ein vierstöckiger Fabrikbau, das Erdgeschoss mitgezählt. „Jede Etage hat genau tausend Quadratmeter“, erzählt Francois Fritz. Es steht seit Langem leer. Zumindest größtenteils. In einem Raum liegt haufenweise Bauschutt: Bretter und Isoliermasse, vielleicht die Reste von den Heizungen, vermutet Francois Fritz, „hier wurde schlimm umgegangen“. Dennoch, um das Hauptgebäude des ehemaligen Steppke-Werkes macht er sich weniger Gedanken. „Die Etagen wurden gebaut, um schwere Maschinen zu tragen, das ist Massivbau.“ Einst war es eine Teppichfabrik, aus der in den 1950er Jahren die VEB Bekleidungswerke Görlitz wurden. Vornehmlich Kinderbekleidung entstand hier.
Francois Fritz öffnet ein Fenster. Von oben sieht man auf Nebengebäude, die sich an den großen Fabrikbau anschließen und deren Dächer größtenteils eingestürzt sind. Mancher Schaden, ist er sich sicher, entstand nicht nur durch die Zeit, sondern durch Vandalismus und Metalldiebstahl. Die Nebengebäude sind inzwischen wahrscheinlich zu ruinös, um sie zu erhalten, vermutet er. Zu dem Areal gehören auch die beiden Wohnhäuser nach vorne raus, also Salomonstraße 30/31. Die haben keine Stahlbeton-, sondern Holzbalkendecken, „die sind leider teils bis zu drei Stockwerken durchgebrochen.“ Die Dächer wurden bereits notgesichert, weitere Sicherungen sind dort nötig.
Ein Schnellschuss war der Kauf der alten Steppke-Werke nicht. „Das erste Mal sind sie mir vor 14 Jahren aufgefallen“, erzählt Francois Fritz, der sich wie beim Eckhaus an der Elisabethstraße wieder um die praktische Umsetzung kümmert. Damals habe die Altmiteigentümerin bei einem Besuch in Görlitz im Hotel Bon Apart gewohnt und Fritz von den Steppke-Werken erzählt. „Ich komme beruflich eigentlich aus der Stadtplanung“, erzählt er. Und aus stadtplanerischer Sicht sind die Steppke-Werke so interessant für Francois Fritz.
„Die Lage ist das Besondere.“ Die Salomonstraße liegt in der Innenstadt West, in der Nähe der Berliner Straße und des Bahnhofes. „Wenn man hier in eine Industriebrache von solchem Ausmaß eine Nutzung mit Größenordnung reinbekommen würde, könnte das Auswirkungen auf das ganze Quartier haben“, erklärt Fritz. Er will, dass sowohl vorne in den Wohnhäusern als auch auf dem einstigen Fabrikgelände Arbeitsplätze entstehen. Die riesigen Räume vom Fabrikgebäude mit ihren großen Fenstern würden sich sicher auch gut als Loft-Wohnungen machen, aber Francois Fritz winkt ab. „Wir haben hier im Quartier sehr viele leerstehende Wohnungen, es braucht nicht noch mehr. Wir brauchen Gewerbe in der Stadt.“ Die Ansiedlung des Landratsamtes beim Bahnhof vor Jahren sieht er als einen richtigen Schritt, um die Innenstadt West zu beleben, aber es sei noch nicht genug. Deshalb sollen im einstigen Steppke-Werk wieder Arbeitsplätze entstehen. Aber das brauche Zeit. Die ersten Fragen, die jetzt zu klären sind: Wo muss was gesichert werden? Wie viel Bebauung ist in dem Areal möglich? Welche Förderprojekte von Bund, Land und Stadt können für dieses Vorhaben genutzt werden? „Wir sind jetzt noch ganz am Anfang“.
Von Susanne Sodan
Foto: © Christian Suhrbier