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Hunderte Millionen Euro für Sachsen Forschung, daraus sollen letztlich Firmen werden

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger im SZ-Interview über Sachsens Wissenschaft und künftige Investitionen hier. SZ-Redakteur Stephan Schön sprach mit ihr auch über mögliche gigantische Investitionen in der Lausitz und digitale Technik für die Schulen.

Lesedauer: 5 Minuten

Man sieht Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, im Gespräch als Gast in der Redaktion der Sächsischen Zeitung
Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie war jetzt unterwegs in Sachsens Wisssenschaftslandschaft und zu Gast in der Redaktion der Sächsischen Zeitung © Foto: SZ/Veit Hengst

Von Stephan Schön

Mit Blick auf die Forschungslandschaft, wodurch unterscheidet sich für Sie Sachsen von anderen Bundesländern?

Sachsen setzt stark auf Wissenschaft, Forschung und Transfer und sollte das auch in Zukunft tun. Ein konkretes Beispiel ist die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungsinstitute.

Das Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf, das HZDR, ist ein solches Institut. Sie kommen soeben von dort. Es hat viel neue Forschung. Einiges scheint ganz offensichtlich aber nicht mehr politisch gewollt: die Reaktor-Sicherheitsforschung. Dresden war dabei führend, jetzt machen dies andere, Tschechien zum Beispiel. Sehr fatal, oder?

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Sicherheitsforschung in der Energieforschung auch weiterhin stattfindet. Wir brauchen dieses Wissen und sollten es nicht einfach aufgeben. Daher bleibt dieser Bereich erhalten und das HZDR wird weiter in der Reaktorsicherheit forschen.

Dass diese Forschung wichtig ist, hört man immer wieder. So richtig gut findet sie dann aber dennoch niemand.

Nur weil man eine Technologie nicht mehr nutzt, heißt das nicht, dass man die Forschung daran einstellen sollte. Wir brauchen hier weiterhin Expertise und Kompetenz. Unabhängig davon verstärken wir die Forschung an der Fusionsenergie, die nicht die Risiken der Kernspaltung hat. Was die dafür notwendigen Technologien betrifft, sind wir in einer Pole Position, etwa bei Lasern für die Fusion.

Dann müssten Sie ja geradezu begeistert sein, wenn, wie soeben geschehen, das HZDR ein Laser-Fusions-Institut in Rostock aufbauen will und dabei auf Bundesgelder setzt. Die es so aber noch nicht gibt.

Wir begrüßen das geplante Engagement des HZDR in dem Bereich und werden es uns genau ansehen. Bis zu einer möglichen Gründung sind allerdings noch viele Schritte insbesondere mit Blick auf die wissenschaftlichen Ziele und natürlich auch auf die Finanzierung zu bewältigen.

Haben Sie vorhin im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf darüber gesprochen? Und haben Sie die Absicht, dieses neue Teilinstitut zu fördern?

Ja, darüber haben wir gesprochen. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes müsste über die Helmholtz-Gemeinschaft erfolgen. Ich gehe davon aus, dass das Institut mittelfristig eine Perspektive hat.

Rossendorf hofft auf Dali, das 200-Millionen-Euro-Forschungs-Großerät. Eine weltweit einzigartige Terahertz-Strahlenquelle für die Entdeckung neuer Zustände von Materie und Materialien. Ist das bei Ihnen auf der Agenda?

Große Forschungsinfrastrukturen sind für den Erkenntnisgewinn und den Wissenschaftsstandort wichtig. Deshalb werden wir mit der Wissenschaft und dem Wissenschaftsrat bis Mitte nächsten Jahres eine nationale Roadmap erarbeiten. Die Empfehlung zur Umsetzung einzelner Vorhaben bekommen wir letztlich aus der Wissenschaftsgemeinschaft. Das ist für uns die Voraussetzung. Wir treffen politisch keine Vorfestlegung jenseits unserer bestehenden Förderprogramme. Bei den beiden neuen Großforschungszentren in Sachsen war das nicht anders. Da hatte eine Kommission die wissenschaftliche Seite und den Innovationsteil bewertet. Das ist für uns handlungsleitend.

Forschungsgroßgerät für Materie in neuen Zuständen am HZDR: Mit den intensiven Lichtblitzen der Laser am ELBE-Zentrum können Materialzustände auf atomarer Ebene untersucht werden.
© HZDR/Frank Bierstedt

Sie sprachen eben die Großforschung an. In der Lausitz ist es das Deutsche Zentrum für Astrophysik, das DZA. Glauben Sie, dass dies nur annähernd die erhofften Tausenden Jobs bringen kann?

Beim DZA wurde die Frage der Anwendungen außerhalb der Astrophysik von Anfang an mitgedacht. Dafür gibt es exzellente Konzepte. Und allein schon diese Forschungsinfrastrukturen zu bauen und beim Betrieb zu unterstützen, ist für viele mittelständische Unternehmen attraktiv.

Aber ausgerechnet Astrophysik, ist es wirklich die beste Wahl gewesen, um neue Jobs in die Kohleregion zu bringen?

Das DZA wird eine einmalige Einrichtung, um das Weltall und die Erde besser zu verstehen…

…was aber die Wirtschaft nicht besser macht.

Gerade beim DZA geht es nicht allein darum, den Himmel zu betrachten. Es geht darum, neue Methoden für die Verarbeitung riesiger Datenmengen zu entwickeln. Es geht auch darum, in einem erschütterungsfreien Untergrundlabor neue Lasertechnologien für die künftige Chipproduktion zu entwickeln. Davon profitiert die Wirtschaft und unser Land.

Dieses Astro-Institut hofft auf ein gigantisches europäisches Großgerät, das zwei Milliarden Euro teure Einstein-Teleskop für Gravitationswellen. Es könnte genau dort tief im Granit der Lausitz entstehen. Es gibt bereits internationale Bewerber, Deutschland bisher nicht. Wann entscheiden Sie sich?

Zunächst einmal: Das DZA funktioniert auch ohne das Einstein-Teleskop hervorragend. Für das Einstein-Teleskop haben wir vom Haushaltsausschuss Mittel für Studien zur Machbarkeit bewilligt bekommen. Danach wird es eine Entscheidung geben können.

Wann wird sich Ihr Ministerium dazu äußern?

Unsere Roadmap dazu wird wie gesagt Mitte nächsten Jahres fertiggestellt sein.

Halten Sie persönlich dieses gigantische Einstein-Teleskop für sinnvoll in der Lausitz?

Zunächst brauchen wir die Studien zur Machbarkeit. Das Einstein-Teleskop als solches halte ich freilich für sehr wichtig.

Von den Instituten zu den Hochschulen. Der zweite Exzellenzwettbewerb des Bundes, es geht um hunderte Millionen Euro, ist in der Endrunde. Wird es danach eine dritte Runde, eine Fortsetzung geben?

Jetzt arbeiten wir an dieser Runde, um unsere Wissenschaft zu stärken. Sie ist auskömmlich finanziert. Wir stehen zu unseren Zusagen.

Bereiten Sie ein Folgeprogramm vor?

Es wird immer viel über Geld und Förderung geredet. Aber wir müssen auch die richtigen Rahmenbedingungen für die Forschung schaffen. Wir brauchen mehr Technologieoffenheit in Deutschland. Sonst wandert die Forschung in andere Länder ab.

An welche Forschung denken Sie da?

Neue Züchtungstechniken mit der Genschere zum Beispiel. Da hindert uns der veraltete europäische Rechtsrahmen. Dabei ist diese sichere Technologie eine riesige Chance. Landwirte könnten damit nachhaltiger wirtschaften, indem sie Nutzpflanzen anbauen, die klima- oder trockenheitsresistenter sind.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zum Redaktionsbesuch in der Sächsischen Zeitung.
© Foto: SZ/Veit Hengst

Rahmenbedingungen sind das eine, die Infrastruktur ist das andere. Mit löchrigem Handynetz in der Lausitz, ohne schnelle Bahn von Görlitz nach Berlin und Dresden wird´s mit der Forschung dort nichts. Haben Sie da eigentlich Einfluss auf ihren FDP-Kabinettskollegen?

Natürlich sprechen wir darüber. Wir investieren in die Infrastruktur wie noch nie.

War die Bahnanbindung nach Görlitz denn konkret ein Thema, das Sie angesprochen haben?

Ja. Der Ausbau der Strecke ist jetzt mit der Bahn vereinbart. Die Forschung braucht gute Verkehrsinfrastruktur, um angebunden zu sein.

Spitzenforscher kann nur werden, wer beste Schulbildung bekommt. Da hat der Bund, Ihr Ministerium, aber eben mal den Digitalpakt 2.0 gekündigt. Den Kauf digitaler Geräte an den Schulen sollen, anders als zugesagt, die Länder nun finanzieren.

Nein. Wir sind bereit, die Länder bei der digitalen Infrastruktur weiter zu unterstützen. Obwohl die schulische Bildung ihre Aufgabe ist. Es geht uns beim Digitalpakt 2.0 aber nicht nur um Technik, sondern auch um pädagogische Konzepte und Lehrkräfte. Da muss mehr von den Ländern kommen.

Die Bundesländer, auch Sachsen, fordern 1,3 Milliarden Euro bis 2030, so wie beim ersten Digitalpakt. Was bieten Sie?

Wir erwarten eine Beteiligung der Länder von 50 Prozent. Und diese Kosten dürfen nicht an die Kommunen weitergegeben werden. Denn es sollen alle Kommunen davon profitieren.

Die Länder verlangen 90 Prozent?

Die Länder kennen die herausfordernde Haushaltslage des Bundes. Wir verhandeln auf Grundlage eines Kabinettsbeschlusses, der eine hälftige Finanzierung vorgibt. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden und der Digitalpakt 2.0 Anfang 2025 starten kann.

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