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„Ich war dieses Jahr erst drei Tage auf dem Traktor“: Wie Bürokratie einen Dresdner Landwirt ausbremst

Bürokratische Vorgaben rauben Landwirten in Sachsen wertvolle Stunden. Für Bernhard Probst vom Vorwerk Podemus in Dresden bedeutet das: mehr Zeit am Schreibtisch als im Stall oder auf dem Feld. Was er von der Politik erwartet.

Lesedauer: 4 Minuten

Benjamin Woop

Dresden. Früh aufstehen und raus aufs Feld – so stellen sich viele den Alltag eines Landwirts vor. Doch die Realität sieht oft anders aus. Bevor der Dresdner Landwirt und Inhaber des Vorwerks Podemus, Bernhard Probst, in den Stall oder auf den Acker geht, wartet meist der Computer.

Anträge, Dokumentationen, Datenbanken: „Die Büroarbeit frisst inzwischen so viel Zeit wie die eigentliche Arbeit auf dem Acker oder im Stall“, sagt er. Ohne Hilfe geht das nicht mehr.

Zwischen Kuhstall und Akten

Diese Hilfe bekommt Probst von der studierten Landwirtin Christiane Strauß. Ihr Büro liegt gegenüber vom Kuhstall, wer dreckige Schuhe hat, muss sie ausziehen. Der Boden ist sauber, die Schränke voller Aktenordner.

Sie ist die Sekretärin beim Vorwerk Podemus und kümmert sich zum Beispiel um Förderanträge und Nachweise für die sogenannte Öko-Verordnung. Allein damit hat sie in den letzten 13 Jahren acht Ordner gefüllt, sagt sie.

Die studierte Landwirtin Christiane Strauß kümmert sich rund 30 Stunden pro Woche um die Bürokratie: Für Vorwerk Podemus ist sie unerlässlich.
Die studierte Landwirtin Christiane Strauß kümmert sich rund 30 Stunden pro Woche um die Bürokratie: Für Vorwerk Podemus ist sie unerlässlich.
Quelle: Matthias Rietschel

Diese Verordnung schreibt vor, was ein Bio-Betrieb erfüllen muss – von den Tieren bis zum Acker. Jeder Schritt muss dokumentiert und regelmäßig kontrolliert werden, sonst bleiben wichtige Fördergelder aus.

Das gilt auch für die Weiden. Sie können mit dem Programm „Artenreiches Grünland“ gefördert werden. Dafür muss Strauß nicht nur schreiben und tippen. Ein Mal im Jahr kontrolliert sie selbst die 60 Hektar Wiesenflächen, das koste sie drei Tage.

Gerade Kühe, Schweine und Geflügel bedeuten für Landwirte bürokratischen Aufwand.
Gerade Kühe, Schweine und Geflügel bedeuten für Landwirte bürokratischen Aufwand.
Quelle: Matthias Rietschel

Nur wenn genug verschiedene Arten wachsen und andere Vorgaben eingehalten werden, gibt es Geld aus dem Programm. Allein die Bestimmungshilfe für die Gräser ist 96 Seiten lang: Sauerampfer, Spitz-Wegerich und Rotklee im Detail. „Es würde auch alle drei Jahre reichen, aber ich muss nach Vorschrift jedes Jahr prüfen“, sagt sie – falls das Landwirtschaftsamt Nachweise möchte.

Kleine Aufgaben, großer Aufwand

Jedes Jahr müssen dieselben Flächen erneut eingetragen, belegt, kontrolliert werden. Dazu kommen Programme zur Agrarförderung, Düngebilanzen, Datenbanken für Tierbewegungen – für viele Landwirte ein bürokratischer Dschungel.

Der Sächsische Landesbauernverband (SLB) listet eine Vielzahl solcher kleineren Aufgaben auf. „Es ist nicht die eine große Sache, die so viel Zeit raubt – es ist die Summe vieler kleiner Dinge“, sagt Hauptgeschäftsführerin Diana Henke. Dem stimmt auch Podemus Sekretärin Strauß zu: „Die Anträge sind aufwendig und zu kleinteilig.“

Gerade kleinere Betriebe stoßen an ihre Grenzen, sagt der SLB. Externe Berater können helfen – kosten aber Geld. Auch die Motivation der Landwirte leide unter der Menge an Bürokratie: „Man fühlt sich nicht mehr als Fachkraft, sondern als Verwaltungsgehilfe.“

Vom Kuhstall direkt zum Computer: Das macht Paula Kugler mehrmals am Tag, um alles zu dokumentieren.
Vom Kuhstall direkt zum Computer: Das macht Paula Kugler mehrmals am Tag, um alles zu dokumentieren.
Quelle: Matthias Rietschel

Auch beim Vorwerk Podemus, einem eher größeren Hof, ist man sich dessen bewusst: „In kleineren Betrieben müssen die Landwirte alles selbst machen. Wenn die Sonne scheint und geerntet werden muss, bleibt keine Zeit für Anträge“, sagt Strauß.

So ergeht es auch Bernhard Probst häufig: „Dieses Jahr saß ich erst dreimal auf einem Traktor“. Für ihn ist es ein Trugschluss, dass Verwaltung und Bürokratie etwas besser machen.

SMUL lockert Vorgaben, doch EU-Hürden bleiben

Beim Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) kennt man die Sorgen. „Es gibt eine hohe Erwartung an Bürokratieabbau“, sagt Ministeriumssprecher Frank Bauer. Man sei im Gespräch mit Verbänden und arbeite daran, die Landwirtschaft zu entlasten.

In der Agrarpolitik wurde bereits einiges angepasst, teilt das SMUL mit: Die verpflichtende Flächenstilllegung fiel weg, Sanktionen für kleine Betriebe wurden gestrichen. Auch das Portal DIANAweb für Online-Anträge wurde verbessert. Für Probst bleibt dennoch die Kritik: „Es ist immer noch komplexer als seine Steuererklärung mit ELSTER zu machen“.

Es gibt eine hohe Erwartung an Bürokratieabbau. – Frank Bauer, Sprecher Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft

Die größten Hürden für den Bürokratieabbau liegen laut SMUL aber in Brüssel: Die gemeinsame Agrarpolitik der EU ist komplex, ihre nationale Umsetzung noch mehr. „Man wollte vieles unter einen Hut bringen – und hat das Gegenteil erreicht“, räumt das Ministerium ein.

Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen

Für den Landesbauernverband reicht das nicht. In einem Forderungspapier spricht der Verband von einem nötigen „Systemwechsel“: weniger Kontrolle, mehr Vertrauen. Anträge müssten einfacher werden, Daten nur einmal erfasst und Dokumentationspflichten praxistauglich gemacht werden.

Das sieht Landwirt Probst genauso: „Das System zieht sich durch alle Bereiche, selbst das Reinigen in der Fleischerei, der Bau einer Landmaschinenhalle oder eine Kuhgeburt müssen genaustens dokumentiert werden.“ Die Verwaltung blähe sich auf, weil man immer mehr neue Vorschriften schafft, sagt er.

Für Henke vom SLB ist die Botschaft aus der Praxis klar: „Der Bürokratieaufwand muss sinken, damit Landwirte wieder ihrer eigentlichen Arbeit auf dem Feld und im Stall nachgehen können.“

Jede Kuh bekommt einen Platz in der digitalen Datenbank: Dafür sticht Amelie Schnabel den Kälbern Ohrmarken.
Jede Kuh bekommt einen Platz in der digitalen Datenbank: Dafür sticht Amelie Schnabel den Kälbern Ohrmarken.
Quelle: Matthias Rietschel

Diese Forderungen unterstützt das SMUL und werde deshalb gemeinsam mit dem Berufsstand weiter an nötigen Vereinfachungen arbeiten, sagt Bauer. „Auch auf Bundesebene werden wir uns mit Nachdruck dafür einsetzen.“

Der Landwirt Probst ist auch besorgt um die Zukunft, gerade für Bio-Bauern: „Es würde mich nicht wundern, wenn die nächste Generation lieber zwei Ponys hält statt zehn Kühe. Es wird viel zu viel überwacht und nach Fehlern gesucht.“ Er wünscht sich mehr Zeit für das, was man bei Podemus liebt: Arbeiten auf dem Feld und im Stall.

SZ

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