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Im VW-Werk Zwickau stehen 1.200 Arbeitsplätze vor dem Aus

Sachsens größte Fabrik hatte 2.700 befristete Stellen für E-Autos geschaffen. Die Nachfrage bei Volkswagen reicht jedoch nicht - was wird nun aus den Arbeitsplätzen?

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht einen Fabrikanten an einem VW-Fahrzeug arbeiten.
Eine Fabrik ausschließlich für Elektroautos: Im VW-Werk Zwickau wird an Linie 1 das Modell ID.3 montiert - aber nur noch in zwei statt drei Schichten. © Archivfoto: Thomas Kretschel

Von Georg Moeritz

Zwickau. Keine Kündigungen, aber auch kaum Verlängerungen der befristeten Arbeitsplätze: In Sachsens größtem Industriebetrieb drohen bis Ende nächsten Jahres noch einmal 1.200 Stellen wegzufallen. Volkswagen Sachsen hatte in Zwickau für die Umstellung auf Elektroautos 2.700 zusätzliche Arbeitsverträge geschlossen, die zeitlich unterschiedlich befristet waren. Bisher konnten davon nur 700 in Dauer-Stellen umgewandelt werden, sagte VW-Sprecher Christian Sommer auf Nachfrage. Dabei wurden nach seinen Angaben die Mitarbeiter bevorzugt, die am längsten im Betrieb waren. Wer noch nicht lange dort war, musste wieder gehen.

Laut Sommer ist das VW-Werk Zwickau nur zu etwa zwei Dritteln ausgelastet. „Die befristeten Verträge waren für maximale Auslastung gedacht“, sagte der Sprecher. Die maximale Kapazität in Zwickau beträgt 360.000 Neuwagen pro Jahr. Voriges Jahr wurden dort 240.000 Elektro-Autos gebaut, für dieses Jahr peilt der Konzern 220.000 an.

Die Nachfrage nach E-Autos reiche derzeit nicht, daher werde Mitte August die Nachtschicht der zweiten Montagelinie beendet. Die andere Linie wurde bereits von drei auf zwei Schichten umgestellt. Bei mehr Bestellungen könne die Produktion wieder hochgefahren werden, betonte der Sprecher in Zwickau.

VW Zwickau hat trotzdem mehr Beschäftigte als vor E-Auto

Von derzeit 9.400 Beschäftigten in der Fabrik haben noch 1.200 befristete Arbeitsverträge. 200 davon laufen in diesem Jahr aus, 1.000 im kommenden Jahr, falls sie nicht noch entfristet werden. Darüber werde die Geschäftsführung nach den Werksferien mit dem Betriebsrat sprechen. Das sei auch der Belegschaft zuletzt auf einer Betriebsversammlung vor zwei Wochen gesagt worden, dabei bleibe es. Die VW-Ferien beginnen nächste Woche und dauern bis zum letzten Juli-Wochenende.

Der VW-Sprecher betonte, die Umstellung auf E-Mobilität sei für die Belegschaft in jedem Fall ein Erfolg. Selbst wenn die befristeten Stellen auslaufen sollten, habe das Volkswagenwerk Zwickau mehr Arbeitsplätze als früher für die Produktion von Autos mit Verbrennermotoren. Damals seien es zeitweise nur 6.500 Beschäftigte gewesen. VW hat außerdem rund 2.000 Angestellte im Motorenwerk in Chemnitz und 300 in der Gläsernen Manufaktur in Dresden. In Zwickau werden jetzt sechs statt vorher drei Modelle montiert. Linie 1 produziert den Volkswagen ID.3 sowie den Cupra Born der Marke Seat, Linie 2 ist für ID.4, ID.5 und zwei Audi-Modelle vorgesehen.

Aus dem Betriebsrat von VW Sachsen hieß es ebenfalls, die Elektromobilität sei „kein Reinfall“, vielmehr sei in Zwickau „nachhaltig Beschäftigung aufgebaut“ worden. Der Betriebsrat halte daran fest, im August die Situation zu bewerten und wie vereinbart über Entfristungen zu verhandeln. Entscheidend für den Standort sei aber die Nachfrage nach E-Autos. Dafür benötigten die VW-Werker politische Unterstützung. Vom Standort Zwickau seien viele Zulieferbetriebe abhängig, an jedem Arbeitsplatz bei VW Zwickau hingen noch fünf in der Region – etwa beim Logistik-Dienstleister Schnellecke in Glauchau.

VW-Betriebsrat hofft auf Verbot des Verbrennungsmotors

Der sächsische VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Uwe Kunstmann sagte der Zeitung Freie Presse in Chemnitz, das von der EU beschlossene Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor 2035 müsse bestehen bleiben. Es würde vor allem der sächsischen Fahrzeug-Industrie schaden, den Ausstieg wieder rückgängig zu machen. Volkswagen werde nicht noch einmal Milliarden investieren, um in Zwickau wieder Verbrennerautos herzustellen. Firmen müssten stärker animiert werden, ihre Autoflotten auf Elektroantrieb umzustellen. Der Staat müsse E-Autos attraktiver machen, zum Beispiel mit Zuschüssen oder Steuervorteilen beim Ladestrom. Kunstmann hatte bei einer Diskussionsrunde im April in Crimmitschau gefordert, wieder eine Kaufprämie für Elektroautos zu zahlen – die Berliner Ampelkoalition hatte sie voriges Jahr beendet.

Im März hatte Volkswagen die geplante Überlaufproduktion des Elektromodells ID.3 in Wolfsburg gestrichen. Der Konzern habe entschieden, das kompakte Elektromodell weiter ausschließlich in Sachsen zu bauen, sagte ein Sprecher damals in Wolfsburg.

Die Leitung von Volkswagen Sachsen hat zum 1. Juli planmäßig der gebürtige Sachse Danny Auerswald übernommen. Er war schon Standortleiter der Gläsernen Manufaktur in Dresden und zuletzt Fertigungsleiter bei VW in Bratislava in der Slowakei. Dort stellen 3.500 Beschäftigte die Modelle Audi Q7 und Q8 sowie VW Touareg her. Vier Jahre lang hat Auerswald das VW-Werk in Pekan in Malaysia geleitet. Er wurde in Lichtenstein im Kreis Zwickau geboren und hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Dresden studiert.

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