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In Sachsens Pflege muss bis 2040 jede zweite Stelle neu besetzt werden

Zahlreiche Pflegekräfte gehen in den nächsten Jahren in Rente. Zudem steigt die Zahl der zu Pflegenden in Sachsen stark an. Die Branche steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wie die Heime gegensteuern.

Lesedauer: 3 Minuten

Andreas Dunte

Leipzig. Die Pflegeeinrichtungen in Sachsen stehen vor großen Herausforderungen. Laut einer neuen Studie muss bis zum Jahr 2040 fast jede zweite Stelle in der Branche nachbesetzt werden, weil Kräfte in Rente gehen.

Zudem wächst der Bedarf an Mitarbeitern, da die sächsische Bevölkerung immer älter wird und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt.

Viele in der Pflege arbeiten in Teilzeit

Sachsen braucht in den nächsten Jahren demnach bis zu 21.000 Vollzeitbeschäftigte in der Pflege. Mit Blick auf die übliche Arbeitszeit – mehr als jede zweite Pflegekraft arbeitet in Teilzeit – sei der tatsächliche Personalbedarf noch deutlich höher, wie aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht, die dieser Zeitung exklusiv vorliegt.

„In manchen Kreisen Sachsens scheiden bis 2040 rund fünfzig Prozent der Pflegebeschäftigten altersbedingt aus. Diese Stellen müssen nachbesetzt werden. Zusätzlich nimmt durch die steigende Zahl der Pflegebedürftigen auch der Bedarf an Pflegekräften um gut zehn Prozent zu“, sagt Antje Weyh, Mitautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des IAB.

In manchen Kreisen Sachsens scheiden bis 2040 rund fünfzig Prozent der Pflegebeschäftigten altersbedingt aus. Diese Stellen müssen nachbesetzt werden. – Antje Weyh, IAB-Wissenschaftlerin

Im Mai dieses Jahres waren 650 Pflegekräfte in Sachsen arbeitslos gemeldet. Und es gab 1400 freie Arbeitsstellen für Fachkräfte in Pflegeberufen. Rein rechnerisch stehen also zwei freie Stellen einer Pflegefachkraft gegenüber.

„Es gibt auf dem sächsischen Arbeitsmarkt kaum arbeitslose Fachkräfte, dafür umso mehr offene Stellen im Pflegebereich“, fasst Klaus-Peter Hansen, Chef der Landesarbeitsagentur, zusammen. „Auch für die kommenden Jahre sehe ich keine Trendwende, denn der demografische Wandel und der medizinische Fortschritt lassen den Bedarf weiter steigen. Der Pflegebereich ist damit einer der am stärksten von Fachkräfteengpässen betroffenen Bereiche.“

Eine Branche und ihr Image

Die Entwicklung bekommen auch die 13 stationären Pflegeeinrichtungen, die zur AWO Senioren- und Sozialzentrum gemeinnützige GmbH Sachsen-West gehören, zu spüren. „Ein Viertel unserer Beschäftigten geht bis 2035 in Rente, haben wir errechnet“, sagt AWO-Personalchefin Silvia-Maria Stielke. Wirklich bange sei ihr dabei aber nicht. Die Branche habe lange mit einem schlechten Image kämpfen müssen, was sich auch auf den Personalbestand ausgewirkt habe. Mit der Tarifpflicht, die seit 2022 für ambulante, stationäre und teilstationäre Pflegebetriebe gilt, sei aber eine Trendumkehr gelungen.

„Allein in unseren Einrichtungen hat sich die Zahl der Auszubildenden fast verdoppelt“, sagt die Personalverantwortliche. In diesem Jahr würden 40 neue Lehrlinge die Ausbildung beginnen. Grund für den Anstieg: „Der Beruf ist anspruchsvoll und die Vergütung attraktiv.“ Eine angehende Pflegefachkraft erhalte im ersten Lehrjahr 1340 Euro im Monat.

Löhne in der Pflege stark gestiegen

Generell seien die Löhne für Pflegekräfte in den vergangenen Jahren kontinuierlich um etwa ein Drittel gestiegen, heißt es bei der Landesarbeitsagentur. Lag im Jahr 2019 das Medianentgeld bei knapp 3000 Euro brutto, waren es 2023 rund 3800 Euro.

Auch die Landesarbeitsagentur sieht in Ausbildung und Qualifizierung den entscheidenden Hebel, um die Lücken zu schließen. Wie Klaus-Peter Hansen sagt, haben die Arbeitsagenturen und Jobcenter im Freistaat in den letzten fünf Jahren insgesamt 1700 abschlussorientierte Weiterbildungen in Pflegeberufen gefördert. „Über 1500 beschäftigte Helfer in der Pflege konnten so einen vollwertigen Abschluss erreichen. Aber auch geeignete Arbeitslose konnten mit einer solchen Förderung unterstützt werden.“

Gute Erfahrungen mit Fachkräften aus dem Ausland

Ein weiterer Schlüssel, um mehr Personal zu bekommen, ist das Abwerben von ausländischen Fachkräften. Bei der AWO in Sachsen-West hat man bereits von drei Jahren Kräfte von den Philippinen geholt, um die Teams zu verstärken, so Personalchefin Stielke.

Dabei handele es sich um ausgebildete Fachkräfte, die in Deutschland nur noch einen Anpassungslehrgang absolvieren müssen. Diesen Weg wolle man weitergehen. Zudem will man von der langjährigen Städtepartnerschaft Leipzigs zu Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam profitieren. In den nächsten Jahren sollen in den Heimen der AWO zahlreiche Vietnamesen zu Pflegekräften ausgebildet werden.

Wie die Landesarbeitsagentur mitteilt, lag im vergangenen Jahr der Ausländeranteil in Pflegeberufen in Sachsen zwischen sechs und acht Prozent – Tendenz steigend. Die meisten ausländischen Pflegefachkräfte kommen aus Vietnam (756), Polen (639), Tschechien (580), Philippinen (427) und der Ukraine (412).

Personalchefin Stielke nennt noch eine interessante Entwicklung: Die Bezahlung nach Tarif hat auch die eine oder andere Pflegekraft dazu bewogen, nach Jahren in Westdeutschland wieder nach Sachsen zurückzukehren, sagt sie. Dennoch bleibe die Situation anspruchsvoll. Insbesondere auf dem Land sei die Gewinnung von Fachkräften zum Teil sehr schwierig.

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