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Innenwände führen um die Ecke

Das Leipziger IT-Unternehmen Unite geht auf die Bedürfnisse der Beschäftigten ein. Firmenchef Peter Ledermann bricht eine Lanze für die oft geschmähte Generation Z.

Lesedauer: 3 Minuten

Ein Mann steht lächelnd vor dem Namenszug seiner Firma.
Peter Ledermann ist Vorstand des IT-Unternehmens Unite. Er hat seine eigene Führungsphilosophie. Foto: Andre Kempner

Von Ulrich Milde

Leipzig. Eine Mitarbeiterin hat sich gerade das Mittagessen geholt. Jetzt steht sie zum Bezahlen an einem Selbstbedienungsterminal und zieht ihre Karte durch. Das Besondere: Keiner kontrolliert, ob das, was sie eingegeben hat, auch stimmt. Niemand passt auf, dass tatsächlich bezahlt wird. „Wir setzen auf Vertrauen“, erklärt Peter Ledermann, Vorstand des international tätigen Leipziger IT-Unternehmens Unite, diese Szene in der Marketplace genannten Kantine seines Betriebes. Er schätzt, dass höchstens in einem Prozent aller Fälle geschummelt wird. Und das, da kommt der Kaufmann in ihm durch, mache in der Summe deutlich weniger aus „als eine Kassiererin kosten würde“.

Online-Plattform garantiert große Auswahl
Überhaupt, Ledermann hat seine ganz eigene Führungsphilosophie. Seine knapp 800 Beschäftigten aus 46 Ländern, darunter 300 in der Messestadt, sind für ihn nicht bloße Produktionsfaktoren, „sondern Menschen“. Für den Chef bedeutet das, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird, ohne den Leistungsgedanken aus den Augen zu verlieren.
„Natürlich wollen wir Geld verdienen, dazu müssen wir eine gute Performance erbringen.“ Das tun sie auch: mit einer webbasierten Plattform, die ein großes Lieferanten-Netzwerk mit ihren Kunden (Firmen und der öffentliche Sektor) vereint.
Ihnen wird so die Möglichkeit geboten, gleichzeitig die Kataloge vieler Lieferanten nach Millionen von Produkten zu durchsuchen, vom Bürostuhl über Briefpapier bis zu Feuerlöschern und Leitern. Unite agiert wie eine ausgegliederte Einkaufsabteilung. Für die Besteller wird die Beschaffung rentabel, weil sich der Aufwand reduziert.

Wer ins Büro will, bucht sich seinen Schreibtisch
Die vor einem Jahr eingeweihte neue Zentrale in der Innenstadt, direkt neben den Kommunalen Wasserwerken, fällt durch ein ungewöhnliches Konzept auf. Die meisten Angestellten haben keinen festen Arbeitsplatz. Ein eigenes Büro mit Vorzimmer gibt es nicht – wer im Büro erscheint, bucht sich seinen Schreibtisch in einem der Großraumbüros. „Das gilt auch für mich“, sagt Ledermann. Auffällig ist im Gebäude, dass die Innenwände nicht gerade verlaufen. „Alle führen um die Ecke, damit man neugierig bleibt und auch mal um die Ecke denkt.“
Etliche Zwischenwände sind leicht per Hand verschiebbar. Wer Ruhe für religiöse Rituale benötigt, in der Mittagspause Yoga-Übungen machen möchte oder mit Gymnastik gegen Rückenschmerzen ankämpft, findet dafür Räume. Eine Lanze bricht Ledermann für die Generation Z. Ihr wird nachgesagt, der Freizeit und Familie Vorrang zu geben vor dem Beruf, die Sinnfrage ist wichtiger als die Karriere. „Ja, diese Generation ist herausfordernd, aber man kann und muss es gut nutzen.“ Sie wollten eben ernst genommen werden, was zur Unite-Philosophie des New Work gehöre.

Besondere Auszeichnung
Das alles brachte dem Unite-Boss den Titel „Familienunternehmer des Jahres“ ein. „Peter Ledermann ist ein echtes Vorbild. Er hat eine bescheidene Art und trägt maßgeblich zur sinnstiftenden Arbeit und herzlichen Unternehmenskultur bei“, begründete kürzlich Christian Haase, Vorsitzender des Verbandes der sächsischen Familienunternehmen. „Wir haben den Charakter eines Familienunternehmens: langfristig und nachhaltig zu agieren, mit einer besonderen Verantwortung den Mitarbeitenden und der Gesellschaft gegenüber“, betont Ledermann. Eine Ehrung, die natürlich maßgeblich auch dem ökonomischen Erfolg geschuldet ist.
Ledermann wuchs 15 Kilometer von der innerdeutschen Grenze in Bayern auf. Nach dem Abitur studierte er in Bayreuth Betriebswirtschaftslehre, ging zur Eon-Tochter Teag und arbeitete 15 Kilometer östlich der nun ehemaligen Grenze in Thüringen für den Energieriesen. Eine ihm offenstehende Konzernkarriere wollte er nicht. So wechselte der Hobby-Basketballer („ich bin in der Turnhalle groß geworden“) zur im Jahr 2000 gegründeten Unite-Vorgängerfirma Mercateo AG in München, an der Eon mit 80 Prozent beteiligt war.
Doch so richtig erfolgreich liefen die Geschäfte nicht. „Ich habe an den Marktplatz geglaubt“, erinnert sich Ledermann und übernahm daher mit seinem Partner Sebastian Wieser und Unterstützung von Finanzinvestoren drei Jahre später die Gesellschaft. Es ging zunächst weiter bergab. Die Beschäftigtenzahl sank von 120 auf 5 , der Glaube an den Erfolg war trotzdem ungebrochen. „Fast ein Jahr lang“, sagt Ledermann, „habe ich mir kein Gehalt bezahlt.“ Die Wende kam mit dem Standort in Köthen. Das lag vor allem daran, dass das Land Sachsen-Anhalt die Löhne subventionierte.

Auch Rückschläge mussten verdaut werden
Unite beschäftigt dort heute noch 300 Mitarbeitende. „Seit 2008 sind wir profitabel und haben keine Kredite.“ Mittlerweile beträgt der Jahresumsatz 440 Millionen Euro. „Wir legen Wert auf nachhaltiges Wachstum.“ 2011 wurde zusätzlich ein Standort in Leipzig eröffnet. Wegen der Attraktivität der Stadt – ein wichtiger Faktor für die Gewinnung von Fachkräften – wurden Zentrale und Sitz dorthin verlegt – „unter Beibehaltung unserer kulturellen Werte“.
Dabei gab es auch Rückschläge. 2013 stand ein Jobabbau an. „Wir waren zu optimistisch, hatten ein Wachstum von 20 Prozent zur Grundlage unserer Personalplanung gemacht.“ Tatsächlich ging es aber nur um drei Prozent nach oben. „Das war ein klassischer Managementfehler“, räumt der verheiratete Vater von zwei Kindern ein. „Es war schrecklich, deshalb Leute entlassen zu müssen.“ Deshalb werde heute vorsichtiger agiert, „aber nicht ohne Mut“.
Die Ziele sind ehrgeizig. Unite werde weiter wachsen, „in zehn Jahren sehe ich uns in Europa deutlich stärker“. Die Firma werde ihre Stellung als Innovationsführer in der katalogbasierten Beschaffung ausbauen. „Wir sind auf einem guten Weg.“

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