Dresden. Lächelnd schneidet die sächsische Blütenkönigin Alida-Nadine Kühne die Erdbeertorte an. Damit startet sie diesen Dienstag die Erdbeersaison offiziell – gemeinsam mit dem sächsischen Landwirtschaftsminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) und Erdbeerbauer Heiko Hübler.
Doch während zwischen den Feldern die roten Früchte gedeihen, stehen die Erdbeerbauern vor zahlreichen Herausforderungen:
1. Sorge: Nur zehn Prozent der Erdbeeren kommen aus Sachsen
Immer weniger Erdbeeren werden in Sachsen angebaut. Während die Fläche vor zehn Jahren noch 600 Hektar betrug, sind es in diesem Jahr 175 Hektar. Der Erdbeeranbau geht kontinuierlich zurück. Dagegen bleibt die Nachfrage nach Erdbeeren stabil. 3,6 Kilo Erdbeeren isst jeder Sachse durchschnittlich im Jahr. Davon kommt jedoch nur ein Zehntel aus der Region.
Ursache dafür ist die Konkurrenz aus dem Ausland, sagt der Vorsitzende des sächsischen Obstbauverbands Jörg Geithel. In Ländern wie Spanien oder Polen können Erdbeeren sehr viel günstiger aufgrund des geringeren Lohns produziert werden. Dort beträgt der Mindestlohn etwa die Hälfte im Vergleich zu Deutschland. Landwirtschaftsminister von Breitenbuch nennt zudem die Anforderungen im Großhandel. „Der Handel will nur große Erdbeeren“, bestätigt Erdbeerbauer Heiko Hübler. Er baut auf drei Hektar im Landkreis Mittelsachsen zehn verschiedene Sorten der roten Früchte an. Große Sorten werden bevorzugt, da somit schneller geerntet werden kann. Seine Lieblings-Sorte, die Mietze Schindler sei zu klein, um sie heutzutage noch in Größenordnungen anzubauen.

Quelle: Thomas Kretschel
Mit dem Preisdruck im Großhandel könne man laut Obstbauverband die Erlöse kaum noch decken. Alles unter fünf Euro pro Kilo sei für die regionalen Produzenten nicht wirtschaftlich. Ein Grund, weshalb die sächsischen Obstbauern hauptsächlich über Direktvermarktung im Hofladen oder Marktstände gehen. Der Erdbeerbauer Michael Görnitz aus der Region Coswig und Meißen nennt zudem niedrigere Energiekosten im Ausland als Grund für die günstigere Produktion. Er baut auf 38 Hektar Erdbeeren an und stellt zurzeit auf Biolandwirtschaft um. Darin sieht er eine Lücke, um als regionaler Produzent zu überleben.
2. Sorge: Es wird trockener und wärmer
„Es ist trockener geworden“, sagt Erdbeerbauer Heiko Hübler vom Obstgut Seelitz. Sollte mit dem Klimawandel die Trockenheit anhalten, will er in ein Bewässerungssystem investieren. Ende Juni gefährde die Trockenheit die Ernte. Gerade der Osten Deutschlands ist besonders betroffen, ergänzt Carmen Kapps vom Obstbauverband. Hält Ende Juni, Anfang Juli die Hitze über 30 Grad Celsius an, bekommt die Erdbeere Hitzeschäden.
Die Obstbauern können sich außerdem noch gut an das vergangene Jahr erinnern, 60 Prozent der Erdbeerernte fiel wegen der Spätfröste aus. Denn die wärmeren Winter führen zu einer früheren Blüte, die dann von den Minusgraden überrascht wird.
22 Millionen Euro Hilfe erhielten die Obstbauern als Entschädigung vom Freistaat. „Wir brauchen auch künftig Investitionen in den Wetterschutz“, sagt Geithel mit Blick zum Landwirtschaftsminister. Denn Frostschutzmaßnahmen sind teuer. Laut Geithel nimmt der Anbau in Folientunneln und Gewächshäusern zu. Die Bauern sind dadurch von Extremwettern unabhängiger. Ein weiterer Grund: Sie können auch bei Regen liefern und früher mit der Ernte beginnen.

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3. Sorge: Erntehelfer sind schwerer zu finden
Fast eine Viertelmillion Saisonbeschäftigte arbeiten in der Landwirtschaft, heißt es im Jahresbericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“, sie sind insbesondere im Spargel und Erdbeeranbau beschäftigt. Doch die Suche nach Arbeitskräften ist schwieriger als noch vor 15 Jahren, erklärte Robert Dahl kürzlich dem MDR, er ist der Gründer der Karls-Erlebnis-Dörfer. Etwa 700 Helfer für die Erdbeerernte braucht das Unternehmen, das auch bei Döbeln ein Dorf 2024 eröffnet hat.
Während vor einigen Jahren die Saisonarbeitskräfte aus Polen kamen, sind sie jetzt aus Rumänien, ergänzt der Verbandsvorsitzende Geithel. „In Polen sind die Bedingungen zu gut.“ Erdbeerbauer Hübler hat zurzeit noch keine Probleme, doch er weiß, dass irgendwann der Nachwuchs fehlen wird. „Die Beschäftigten altern mit mir.“ Obstbauer Michael Görnitz erklärt jedoch, dass man kein Problem bei der Suche habe, wenn die Bedingungen stimmen – bei der Arbeit und Unterkunft.
Dem Fachkräftemangel entgegenwirkt der zunehmende Trend zum Selbstpflücken. Obstbauer Görnitz bei Coswig und Obstbauer Hübler bei Mittweida bieten es täglich an.
4. Sorge: Mindestlohnerhöhung
„Wir sind nicht gegen den Mindestlohn, aber mit einer Erhöhung sind wir nicht mehr konkurrenzfähig“, sagt der Verbandsvorsitzende Jörg Geithel mit Blick auf die derzeit diskutierte Erhöhung des Mindestlohns von 12,82 Euro pro Stunde auf 15 Euro. Zwei Drittel des Preises für ein Kilo Erdbeeren machen ihm zufolge die Lohnkosten aus. „Erdbeeren sind arbeitsintensiv“, fügt Agrarminister von Breitenbuch hinzu.
Landwirt Hübler hat sechs Beschäftigte und 10 bis 20 polnische Saisonarbeitskräfte. Diese werden nach Mindestlohn bezahlt, sagt er. Seine Arbeitskräfte erhalten einen Bonus, wenn sie mehr Erdbeeren pro Stunde ernten. Bei einer Erhöhung des Mindestlohns fragt er: „Wie soll ich dann noch diesen Bonus zahlen?“ Sollte der Mindestlohn kommen, könnte die Anbaufläche weiter sinken, sorgt sich der Obstbauverband. Oder aber der Kilopreis wird weiter steigen.

Quelle: Thomas Kretschel
5. Sorge: Wegfall wichtiger Pflanzenschutzmittel
Erdbeermehltau, Blattläuse, Kirschfruchtfliege, Erdbeerblütenstecher, Grauschimmelpilz – Erdbeerbauer Heiko Hübler kennt diese Schädlinge gut, sie alle können die Ernte zunichtemachen. Erdbeerbauern spritzen deshalb Herbizide und Pestizide. Doch die Auswahl an Pflanzenschutzmitteln geht zurück, so Erdbeerbauer Heiko Hübler. „Ich hab bereits in meiner Ausbildung gelernt, dass man die Mittel abwechseln soll, weil sich die Natur anpasst.“ Doch jetzt fehlen die Wirkstoffe, um zu wechseln aufgrund von EU-Verordnungen, sagt er. Resilienzen können so zunehmen.
Dem stimmt Agrarminister von Breitenbuch zu, er setzt sich deshalb in Brüssel für mehr Freiheiten beim Pflanzenschutz und beim Düngerecht ein.
Michael Görnitz, der auf 38 Hektar Erdbeeren anbaut und derzeit auf Biolandwirtschaft umstellt, kritisiert diese Vorgehensweise: „Das ökologische Gleichgewicht stellt sich von selbst ein“, sagt er. Er investiert in Insektenhotels, Blühstreifen, damit will er Nützlinge anlocken, die Schädlinge minimieren.
SZ