Während das Gros der Sachsen im vorweihnachtlichen Kaufrausch schwelgt und laut Preisvergleichsplattform Idealo im Schnitt 275 Euro für Geschenke ausgibt, können viele nur den Duft der Märkte und deren Ohrwürmer mit heimnehmen. Oder sie landen in der Überschuldungsstatistik.
Nach der jüngsten Erhebung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sind im Freistaat rund 340.000 Erwachsene überschuldet. Die Diakonie spricht gar von 400.000 Personen und 215.000 betroffenen Haushalten. Das heißt: Bei fast jedem zehnten Sachsen übersteigen die Ausgaben dauerhaft die Einnahmen. Laut dem Schuldneratlas für den Freistaat ist die Lage in Leipzig am dramatischsten. Dort können 63.400 Leute, gut jeder Achte, ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen. Im Erzgebirgskreis und im Landkreis Bautzen ist nur jeder Zwölfte finanziell dauerklamm, Dresden liegt unter’m Schnitt.
Und während vor allem im Onlinehandel süßer die Kassen nie klingen, kann die Weihnachtszeit Menschen noch tiefer in die Schuldenfalle treiben, warnen Berater von der Liga, dem Zusammenschluss der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege. Gerade dann sei der Konsumdruck enorm. Selbst Menschen in prekären finanziellen Verhältnissen würden in stiller Verpflichtung Geschenke kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten können – nur, um anderen eine Freude zu machen, heißt es.
„Die Situation ist psychosozial angespannt“, sagt Rotraud Kießling, zuständige Referentin bei der Diakonie Sachsen. Vor allem in betroffenen Familien mit Kindern seien Armut und Schamgefühl spüren. Die Liga hält rund 70 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen mit knapp 80 Vollzeitfachkräften vor. Hinzu kommen Anlaufpunkte in zehn Strafvollzugseinrichtungen des Freistaats, um bei Schuldenregulierung und Resozialisierung zu helfen.
Laut dem Atlas von Creditreform beträgt die Überschuldungsquote in Sachsen 9,92 Prozent. Das ist im Gegensatz zum steigenden Bundestrend und erstmals seit 2011 ein leichtes Minus zum Vorjahr. Damit liegt der Freistaat auf Rang vier hinter Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Schlusslicht ist Bremen. Im Bundesmittel wurde eine Quote von gut zehn Prozent gemessen. Somit sind über 6,9 Millionen Bundesbürger chronisch pleite.
Angesichts solcher Zahlen geben Experten keine Entwarnung. Nach einer repräsentativen Umfrage des Marktforschungsinstituts Splendid Research in Hamburg kann jeder dritte Deutsche kurzfristig keine 500 Euro etwa für eine Autoreparatur aufbringen, ohne sich Geld zu leihen. Das Gros spare nur kurzfristig für Urlaub oder größere Anschaffungen, heißt es in der gerade veröffentlichen Studie.
Von Michael Rothe
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