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Kathi, Florena, Sterni: Diese Ostmarken gehören jetzt West-Konzernen

Der Ausverkauf ostdeutscher Marken schreitet voran: Kathi-Mehl gehört nun zur Oetker-Gruppe. Welche Marken außerdem betroffen sind und wie es dazu kam.

Lesedauer: 4 Minuten

Luisa Zenker

Dresden. Während die Thüringer Bratwurst oder der Dresdner Christstollen ganz selbstverständlich die Wende überlebt haben, verschwanden andere Ostmarken aus den Regalen der Supermärkte.

Andere hingegen wurden von international tätigen Konzernen aufgekauft. Welche bekannten DDR-Marken nicht mehr im Osten zu Hause sind.

Kathi-Mehl geht an Dr. Oetker

Jüngstes Beispiel für eine scheinheilige Ostmarke ist das Kathi-Mehl. 1951 von der Familie Thiele gegründet, wurde die Hallenser Marke schnell in ganz Ostdeutschland bekannt. Mit Backmischungen, Suppen und Soßen galt es nach der Wende als „Dr. Oetker des Ostens“. Auch die Dresdner Mühle produziert für Kathi.

Seit diesem Sommer gehört Kathi zur Oetker-Gruppe. Der Bielefelder Großkonzern hat 29.000 Beschäftigte und ist nicht nur im Nahrungsmittelgeschäft tätig, sondern besitzt Hotels, den Lieferservice Flaschenpost und Bier, zum Beispiel Radeberger. Auch das Leipziger Sterni, das in linken Kreisen beliebt ist, hat sich an die Gruppe verkauft. Kathi verspricht, Marco Thiele als Leiter zu behalten – er führt das Familien-Unternehmen in dritter Generation. Operativ wolle man selbstständig bleiben und die Marke erhalten.

Florena: „Wurde von Nivea zerlegt“

Versprochen hatte das auch der Konzern Beiersdorf. Er kaufte 2002 die Florena-Creme. Doch nach Ansicht von Markenforscher Arnd Zschiesche ist das nicht gelungen. „Aus der Geschichte dieser Marke hat man nichts Einmaliges gemacht. Florena wurde von Nivea zerlegt.“

Das Florena-Werk im sächsischen Waldheim wurde geschlossen, die Produktion nach Leipzig verlegt – Florena wird dort nicht mehr hergestellt, sondern in Hamburg, teilt der Konzern auf Nachfrage mit. In Leipzig produzieren 250 Beschäftigte Deos von Nivea, 8×4 und Hidrofugal. Das Unternehmen zeigt sich auf Presse-Fragen zum Thema Florena verschlossen. Seit einigen Jahren listet Beiersdorf die Marke nicht mehr gesondert in der Jahresbilanz auf. 2014 schaffte der Konzern zahlreiche Florena-Produkte ab. Professor Zschiesche befürchtet für Kathi ähnliches, sollte Dr. Oetker das Mehl verändern oder zu stark eingreifen.

Krügerol Bonbons von Leipzig nach Bayern

Die Zukunft des Kathi-Mehls könnte aber auch wie bei Krügerol verlaufen: Die Ursprünge der Bonbons reichen bis ins Jahr 1866 zurück, als Richard Krüger in der Leipziger Luppenstraße die neue Rezeptur entwickelte. Die Halsbonbons wurden so beliebt, dass er ein Werk bauen ließ. Wer heute die Fabrik sucht, findet edle Lofts. Denn produziert wird nicht mehr in Ostdeutschland, sondern im bayerischen Adelsdorf. 2022 kaufte Dr. C. Soldan die Marke. Das bayerische Unternehmen mit 250 Mitarbeitern produziert jährlich rund 6800 Tonnen Bonbons, vor allem Em-Eukal.

Insoweit besteht das Risiko, dass ein Großkonzern wie Dr. Oetker zwar im ersten Schritt die Marke und Produktionsstätte von Kathi-Mehl in Halle übernimmt. „Aber irgendwann, wenn es in die Konzernstrategie passt, die Produktion verlagert. Kathi hat in Halle nur 70 Beschäftigte, ist also ein kleiner Betriebsteil“, sagt Professor Joachim Ragnitz vom ifo-Institut.

Diamant-Rad: Werkserweiterung bei Chemnitz

Während Kathi-Mehl in Deutschland zu Hause bleibt, verlagerten sich andere weiter gen West. Beispiel: das Diamant-Fahrrad. Es gehört seit 2003 zum US-amerikanischen Trek-Konzern. Produziert werden die Diamant-Räder weiterhin von 400 Beschäftigten in der Region Chemnitz. „Die Montage in Hartmannsdorf ist und bleibt ein nicht verhandelbarer Teil der Marke“, sagt Sprecher Anton Martić. Pro Kopf verkauft Diamant mehr Räder im Osten. „In absoluten Zahlen erzielen wir heute deutlich mehr Absatz in den alten Bundesländern und im Ausland“, ordnet Sprecher Martić ein.

In der Schweiz ist das Rad am beliebtesten. Weil das Unternehmen in Hartmannsdorf so erfolgreich ist, erweitert es derzeit sein Werk und will mehr Beschäftigte einstellen.

Riesa-Nudeln gehen in die Welt hinaus

Auf den Webseiten der benannten Produkte ist nicht erkennbar, dass sie keinem „Ossi“ gehören. So auch bei Riesa-Nudeln: „Solange die Marke erhalten bleibt, wird auch die Nachfrage da bleiben. Die Käufer wissen ja zumeist nicht, wer der Eigentümer ist“, erklärt Forscher Ragnitz die Strategie.

Riesa-Nudeln etwa werden im Rewe-Markt als regional angepriesen. Zwar werden die Teigwaren in Riesa produziert, doch der Sitz befindet sich schon lange nicht mehr dort. 1993 übernahm die Familie Freidler aus Baden-Württemberg, die den Nudelhersteller Alb-Gold besitzt.

Am Ende entscheidet das Geld. Die Prämisse ist nun mal: Wachstum.

Arnd Zschische

Professor für Marketing und Autor von „Erfolgsgeheimnis Ost“

Das sorgte für Streik, verdienen die Schwaben doch mehr als die Sachsen. Seit 2022 gehört Riesa Nudeln zu 80 Prozent zum irischen Unternehmen Biavest. Eine Anfrage dieser Zeitung ließ das Unternehmen unbeantwortet. Geschäftsführer Mike Hennig versprach, dass die Übernahme keine Folgen für das operative Geschäft hat. Seitdem gab es mehrmals einen Geschäftsführerwechsel.

Die Beispiele lassen sich fortführen: Vita Cola, Hasseröder, Bautzner Senf, Spreewaldhof, Spee – sie alle gehören westdeutschen oder internationalen Konzernen.

Wieso Ostmarken verkauft werden

Doch warum werden Ostmarken verkauft? Dafür gibt es laut den Forschern Ragnitz und Zschiesche mehrere Gründe. Erstens, die kleineren Ost-Unternehmen wollen unter das Dach von Westdeutschen schlüpfen, um wachsen zu können – Beispiel Kathi. Zweitens, es ist leichter, die Ostmarke aufzukaufen, als den Markt in den neuen Bundesländern zu erschließen – Beispiel Florena. Oder aber man findet keine Unternehmensnachfolge, wie jüngst zu sehen: Die spanische BlueSun-Gruppe hat das Oberlausitzer Waschmittel Fit übernommen. „Am Ende entscheidet das Geld. Die Prämisse ist nun mal: Wachstum“, sagt Forscher Zschiesche.

Folgen hat das mitunter auf die Gewerbesteuer. Das hängt davon ab, ob beispielsweise das Kathi-Mehl ein rechtlich selbstständiges Unternehmen bleibt oder als rechtlich unselbständiger Betrieb von Dr. Oetker fortgeführt wird, erläutert Professor Ragnitz. Pauschal könne man nicht sagen, ob die Gewerbeeinnahmen ab- oder zunehmen.

Nudossi: sächsisch, vegan, palmölfrei

Hoffnungsschimmer gibt es, zum Beispiel Nudossi. Der Hersteller sitzt und produziert in Radebeul mehr als drei Millionen Haselnusscreme-Produkte. Professor Ragnitz prognostiziert, dass dies nur „eine Frage der Zeit ist. Die sind als Unternehmen zu klein, dass sie auf Dauer eigenständig bleiben.“ Elisa-Sophie Pohl hält davon nichts. Sie ist die Tochter von Geschäftsführer Thomas Hartmann, der das Unternehmen in vierter Generation führt.

Dass sie so erfolgreich sind, erklärt sich Pohl mit Innovation. „Wir waren die ersten ohne Palmöl.“ Jetzt hat Nudossi eine vegane Variante. Deshalb steigt der Absatz auch in Westdeutschland: Ein Drittel der Nudossi-Gläser landet dort auf dem Frühstückstisch.

SZ

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