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Ladesäulen auf dem sächsischen Land: Wer tankt hier elektrisch?

Der Freistaat hat das beste E-Ladesäulennetz, hinkt aber beim E-Auto-Kauf hinterher. Weshalb bildet er das Schlusslicht im Vergleich der Bundesländer? Die Gründe.

Lesedauer: 4 Minuten

Luisa Zenker

Dresden/Leipzig. Ein Vormittag an der Autobahn A14 zwischen Leipzig und Dresden. Zwölf weiße Ladesäulen glitzern im Sonnenlicht an der Raststätte bei Döbeln. Vier Fahrzeuge hängen am Kabel. Ein belgisches Kennzeichen, ein tschechisches Kennzeichen, zwei deutsche Kennzeichen.

Dazwischen hüpft die dreijährige Lea über den Fußweg. Mutter Caroline Portschatis ist auf dem Weg von Dresden nach Viersen bei Mönchengladbach. 650 Kilometer. Zweimal muss die Besitzerin des E-Autos dafür an einer Ladesäule Halt machen. „Für die Kleine ist es super. Sie kann sich bewegen, auf Toilette gehen. Ich kann entspannen.“

Sachsen: Bestes Ladenetz, aber die wenigsten E-Autos

Erst kürzlich hat die 32-Jährige das E-Auto gekauft. Doch die gebürtige Dresdnerin gehört damit zur Ausnahme. Die Sachsen bilden das Schlusslicht im Bundeslandvergleich beim E-Fahrzeugkauf. 1,6 Prozent der Sachsen fahren ein E-Auto. In Bayern sind es 3,6 Prozent, heißt es im HUK-E-Barometer.

Obwohl der Freistaat eines der besten Netze für Ladeinfrastruktur hat: 2024 gab es in Sachsen 5365 Ladepunkte und 63.361 E-Pkw. Damit weise Sachsen deutschlandweit das beste Verhältnis auf, heißt es in einer Antwort auf eine Landtagsanfrage von Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke). Aber laut RND-Mobilitätskompass wären gerade mal 13 Prozent der Sachsen bereit, ein E-Auto zu kaufen. Warum also wollen sie keine E-Autos?

Haushalte mit hohem Einkommen besitzen ein E-Auto in Dresden

Anfrage bei Verkehrswissenschaftler Falk Richter von der TU Dresden. Er sieht mehrere Ursachen für die schwache Nachfrage: Erstens, Elektroautos werden häufig als Zweitwagen genutzt. Und die Sachsen haben von den Flächenländern den geringsten Anteil an Zweit- oder Drittwagen. Zweitens, ein Großteil der E-Autobesitzer lädt an der eigenen Ladesäule im Eigenheim. Sachsen dagegen hat mit 34,7 Prozent den geringsten Anteil an Wohneigentum aller Flächenländer, erklärt Richter.

Drittens, E-Neuwagen sind in der Anschaffung teurer. Da das Haushaltseinkommen in Sachsen deutlich unter dem der alten Bundesländer liegt, könnte das ebenfalls eine Ursache sein. Diese Vermutung spiegelt sich in Dresden wider – nur Haushalte mit hohem Einkommen besitzen E-Autos. „Auch die Wohnorte unterscheiden sich markant. In Prohlis haben 0 Prozent der Menschen ein E-Auto, in, Schönfeld/Weißig 9 Prozent“, erläutert Richter.

E-Autos sind zu teuer? Nicht zwangsläufig

Auch im Mobilitätskompass gibt ein Großteil der Sachsen an, dass es am Geld scheitert. Dabei müssen E-Autos laut ADAC nicht zwangsläufig teurer sein: Denn wer fast ausschließlich zu Hause lädt, eine eigene PV-Anlage hat sowie gegebenenfalls einen dynamischen Hausstromtarif nutzt, fährt mit einem E-Auto günstiger. Das bestätigt auch Caroline Portschatis.

Rund 40.000 Euro hat ihr Skoda E-LRoq 85 gekostet. Jeden Tag pendeln sie und ihr Mann 80 Kilometer an die Arbeit. Im Eigenheim kann sie das Auto laden. Wegen der Solardachfläche zahlt sie 29 Cent/kWh. Statt 77 Euro fürs Benzintanken zu bezahlen, gibt sie in der Woche 35 Euro aus, rechnet sie vor. „Ich spar’ mir das Tanken zweimal pro Woche.“

Nichts los an den Ladesäulen? Stimmt nicht – an den Schnellladesäulen an der A14 bei Döbeln herrscht ein Kommen und Gehen.
Nichts los an den Ladesäulen? Stimmt nicht – an den Schnellladesäulen an der A14 bei Döbeln herrscht ein Kommen und Gehen.
Quelle: Jürgen Lösel

Zwar sind die Anschaffungskosten für die eigene Wallbox mit rund 2000 Euro hoch. „Allerdings sind die Kraftstoffkosten – also die Stromkosten – im Vergleich zu öffentlichen Ladestationen geringer“, bestätigt auch Sachsen-Netze-Sprecherin Nora Weinhold. Die Herausforderung stellt vielmehr das Netz an sich dar: Zwar können einzelne Wallboxen problemlos angeschlossen werden. „Häufen sich jedoch Anmeldungen in Mehrfamilienhäusern oder in einzelnen Straßenzügen, müssen Hausanschlüsse ersetzt und Netze verstärkt werden“, so Weinhold weiter. Das muss, je nachdem, ob dies auf dem Grundstück oder im öffentlichen Straßenraum erfolgt, der Eigentümer oder Betreiber Sachsen-Netze zahlen.

Vorurteile gegenüber E-Autos

Doch Caroline Porschatis glaubt, dass es nicht nur am Geld liegt. Es werde vieles falsch dargestellt, meint sie. „Mein Vater will mit 220 über die Autobahn rasen. Das ist sein Argument, aber mit dem E-Auto kann man auch schnell fahren – man muss dann nur öfter laden.“

Wegen einer großen Reise im Jahr kann ich 20 Minuten warten. – Caroline Portschatis, E-Auto-Besitzerin

Ihr zufolge halten sich falsche Vorurteile. Im Mobilitätskompass geben die Sachsen an, dass das Ladenetz schlecht ausgebaut, die Reichweite zu gering, die Ladezeit zu lang ist. E-Auto-Besitzerin Porschatis kann das nicht bestätigen.

Es spielt aber noch ein weiterer Grund mit rein: der Gebrauchtwagenmarkt. Dieser sei zu klein, heißt es im Kompass. Die gute Nachricht: Er wächst stetig. So kaufen schon jetzt E-Auto-Neulinge öfter Gebraucht- als Neuwagen.

Anreiz zum E-Autokauf: Kaufprämie oder Verbrenner-Steuer?

Laut Falk Richter sollte dennoch nicht das Ziel sein, 15 Millionen E-Autos auf die Straße zu bringen. „Es geht darum, möglichst wenige Verbrenner auf der Straße zu haben. Das erreicht man aber nicht durch Kaufprämien. Damit erhöht man nur die Attraktivität des Autos.“ Er verweist auf Dänemark, wo es mehr E-Autos gibt, weil unter anderem der Verkauf von Verbrennern deutlich höher besteuert wird.

Gute Angebote für öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing – darauf sollte demnach viel mehr der Fokus liegen. Die sächsische Landeshauptstadt macht es vor. Sie belegt häufig den ersten Platz beim ÖPNV-Ranking. Ein möglicher Grund, weshalb in Dresden der private Autobesitz insgesamt deutlich geringer ist als in vergleichbaren Städten.

Caroline Portschatis steigt derweil wieder in ihr Auto. Nach 20 Minuten ist es zu 89 Prozent geladen. Mehr will sie auch nicht – das spart die Batterie, erklärt die Technikerin für Mikrotechnologie. Auch Auslandsfahrten scheut sie nicht – im Sommer hat die Familie einen Urlaub nach Österreich gebucht. „Wegen einer großen Reise im Jahr kann ich 20 Minuten warten.“

SZ

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