Von Heike Garten
Großröhrsdorf. Landwirt Thomas Adler ist sauer – mächtig sauer. Ihm steht die Wut ins Gesicht geschrieben. Der Chef der Großröhrsdorfer Agrargenossenschaft müsste jetzt eigentlich aussäen, Sommergerste oder Mais. Oder er lässt eine Fläche von 32 Hektar brach liegen. Das müsste er, um Geld aus der EU-Förderung zur Stilllegung von Landwirtschaftsflächen zu bekommen.
Für 2023 war diese Stilllegungsregelung wegen des Ukrainekrieges ausgesetzt worden, es gab trotzdem eine Förderung. Und für 2024 hat die EU-Kommission die Aussetzung noch einmal verlängert, der Beschluss stammt von Ende Januar. Dem müssen allerdings die einzelnen Mitgliedsstaaten zustimmen und das dann in einem eigenen Gesetz verankern – doch in Deutschland liegt das bislang noch nicht vor.
Und genau das macht den Großröhrsdorfer Landwirt so wütend. „Als Bauer muss ich mich an die naturgegebene zeitliche Abfolge von Aussaat und Ernte halten. Doch die da oben scheinen das nicht zu verstehen“, sagt Thomas Adler. Mit „die da oben“ meint er die Bundesregierung, aber auch die nachfolgenden Behörden, die dann die entsprechenden Regeln festlegen. „Nicht nur einmal habe ich im Landwirtschaftsamt in Kamenz angerufen, doch bis jetzt konnte mir noch niemand eine verbindliche Antwort darauf geben, wie ich mich verhalten soll“, sagt Adler.
Anträge auf Aussetzung der Flächenstilllegung bis 15. Mai
Im sächsischen Landwirtschaftsministerium kennt man die Problematik und auch das Dilemma der Bauern bezüglich einer Entscheidung im Bundeskabinett. Referent Burkhard Beyer betont in diesem Zusammenhang, dass die Landwirte bereits Anträge zur Aussetzung der Stilllegungspflicht stellen können. Das müsse bis zum 15. Mai passieren. „Die Verordnung selbst muss im Bundeskabinett beschlossen werden und tritt dann unmittelbar mit der Verkündung in Kraft“, sagt Burkhard Beyer.
Ist das nicht schon viel zu spät für Landwirt Thomas Adler und all die anderen Bauern, die die Aussetzung der Stilllegungsverordnung in Anspruch nehmen wollen? „Ja, das ist es. Mich stört die ganze Bürokratie, diese immer wieder neuen Beschlüsse, die gefasst werden müssen, die Regeln für die Umsetzung, das ganze Hickhack. Das ist typisch in Deutschland“, sagt Thomas Adler. In anderen EU-Staaten sei das Ganze schon längst durch.
Kritik kommt von Sachsens Bauerverband
Der Vizepräsident des sächsischen Landesbauernverbandes, Tobias Pelz, sieht es ähnlich. „Das Ganze ist viel zu spät, das hätte schon im Herbst passieren müssen“, sagt er. Für die Landwirte sei es entsprechend schwierig, richtig zu entscheiden und zu reagieren. Im Plan der EU sei die Aussetzung eigentlich bis zum Jahr 2027 vorgesehen. Warum muss das alles jedes Jahr neu beschlossen und geregelt werden, fragt Pelz.
Doch was hat es eigentlich mit der EU-Agrarförderung auf sich? Seit 1988 gibt es in der Agrarpolitik der EU das Instrument der Flächenstilllegungen. Nach Maßgabe der Agrarreform müssen Landwirte einen Teil der Flächen, auf denen sie Getreide, Eiweiß- oder Ölfrüchte anbauen, stilllegen, um flächenbezogene Ausgleichszahlungen zu erhalten. Die Verpflichtung bezieht sich auf vier Prozent der gesamten Anbaufläche des jeweiligen Landwirtschaftsbetriebes. Ziel der EU-Agrarförderung in diesem Zusammenhang ist es, für mehr Artenvielfalt und Biodiversität zu sorgen.
Wegen des Ukraine-Krieges wurde die Pflicht zur Flächenstilllegung erstmalig vor zwei Jahren ausgesetzt, auch um die Nahrungssicherheit in Deutschland sicherzustellen. Der Landwirt konnte also entscheiden, ein Feld brach liegen zu lassen und dafür die Prämie zu bekommen oder etwas anzubauen und damit einen Gewinn zu erzielen.
Landwirtschaftsminister pocht auf die Ökologie
Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Bündnis 90/Die Grünen) sagt dazu auf Nachfrage von Sächsische.de: „Dass die EU die Flächenstilllegung aussetzt, darf nicht zur dauerhaften Regel werden. Der Preis ist zu hoch angesichts von Artensterben und Lebensraumverlusten. Deshalb sollten wir bei der Ökologie nicht den Rückwärtsgang einlegen.“
Doch Thomas Adler muss genau planen, wann und auf welcher Fläche er welches Produkt anbaut. Schließlich muss sich seine Genossenschaft rechnen, müssen genügend Erträge erzielt werden, um die Mitarbeiter zu bezahlen, die Kosten für Maschinen, Treibstoff und Saatgut zu erwirtschaften und letztlich am Leben zu bleiben. Und jede Verzögerung bei einer neuen Regelung mache das für ihn nicht leichter, so der Großröhrsdorfer Landwirt.
„Jetzt muss ich aber aufs Feld, um zu sehen, wie der Raps und Mohn gedeiht“, sagt er als Letztes. Für einen Landwirt ist immer Arbeitszeit, egal wie lange Entscheidungsträger und Behörden benötigen, um ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen und umzusetzen.