Noch vor den Sommerferien soll es nach langer Zeit wieder einen Betriebsrat in einem Glashütter Uhrenbetrieb geben. Gegründet werden soll dieser beim Luxusuhrenhersteller Lange. Es ist lange her, dass es diese Form der Arbeitnehmervertretung in einem Uhrenbetrieb gab. Kurz nach der Wende hatte sich im Nachfolgebetrieb der VEB Glashütter Uhrenbetriebe – der heute als Manufaktur Glashütte Original firmiert – ein Betriebsrat gegründet. Dieser gab aber noch vor der Privatisierung seine Arbeit auf, erinnert sich der langjährige und jetzt pensionierte Geschäftsführer Günter Wiegand. Warum das geschah, wisse er aber nicht.
Nun bekommt Lange einen Betriebsrat. Jens Kiehle von der Industriegewerkschaft Metall Dresden ist zuversichtlich, dass dieser Plan aufgeht. Der Gewerkschaftssekretär hat den bisherigen Prozess begleitet. Die Initiative, einen Betriebsrat zu bilden, sei von der Belegschaft ausgegangen, sagt er. Mitarbeiter wandten sich an die IG Metall. Diese gewährte Hilfe und organisierte eine Betriebsversammlung, um einen Wahlvorstand zu bestimmen. „Es gab einen sehr großen Zuspruch“, sagt Kiehle, der die Versammlung leitete. Es kamen rund 400 Beschäftigte. Lange selbst gibt an, 700 Mitarbeiter zu haben, von denen rund 600 in Glashütte tätig sind. In der Versammlung wurde ein dreiköpfiger Wahlvorstand mit zwei Ersatzpersonen gewählt.
Inzwischen wurden die Wahlvorstände von der IG Metall geschult. Für die Lange-Mitarbeiter fanden Anfang Mai zwei Informationsveranstaltungen zu den bevorstehenden Betriebsratswahlen statt. Auch diese waren sehr gut besucht, sagt Kiehle. Nun werde die Wahl vorbereitet. Ziel sei es, diese in der ersten Juliwoche stattfinden zu lassen. Der Betriebsrat könnte sich damit noch kurz vor dem Beginn der sächsischen Sommerferien am 6. Juli gründen.
Die Geschäftsführung begleitet die Gründung wohlwollend. Im Rahmen der Gesetze unterstütze man diesen Prozess, sagt Lange-Sprecher Arnd Einhorn. „Wir haben bereits in der Vergangenheit immer danach gestrebt, eine gute Balance aus den Interessen der Mitarbeiter und des Unternehmens zu finden“, so Einhorn. Das habe das familiär geprägte Unternehmen stark und erfolgreich gemacht. „Daran werden wir auch weiterhin festhalten – nun gegebenenfalls unter Einbeziehung eines neuen Gremiums“, so der Sprecher.
IG Metall-Mann Kiehle bestätigt die Aussagen. Das Unternehmen stellte einen Raum für die Betriebsversammlung und die Technik zur Verfügung. „Ich habe es schon anders erlebt“, sagt Kiehle. Er sehe nicht, dass die Mitarbeiter auf Konfrontation mit der Geschäftsführung aus sind. Die Beschäftigten, so sein Eindruck, wollen nur ihre verbrieften Rechte wahrnehmen. Bisher haben sie auf die Mitbestimmung verzichtet, weil sie eher darauf bedacht waren, einen sicheren Job zu haben. Nun soll ein Betriebsrat mithelfen, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber der Geschäftsleitung zu vertreten. Wie das geschehen soll, hat der Gesetzgeber geregelt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Betriebsrates ist es, darauf zu achten, dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zugunsten der Arbeitnehmer eingehalten werden. Zudem hilft er mit, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und beim beruflichen Aufstieg durchzusetzen. Gehalts- und Entgeltverhandlungen führt er aber nicht, sagt Kiehle. Das habe er auch in der Betriebsversammlung klar und deutlich gesagt. Hier könnte nur die Gewerkschaft helfen. Wie das funktioniert, könne man in Bannewitz und Schmiedeberg sehen. Sowohl beim Kompressorenbau Bannewitz als auch in der Gießerei Schmiedeberg sind sehr viele Mitarbeiter in der Gewerkschaft organisiert, in Schmiedeberg rund zwei Drittel. In beiden Firmen gibt es auch Tarifverträge.
Nun darf man gespannt sein, ob sich auch in den anderen Glashütter Unternehmen Betriebsräte gründen. Die Voraussetzungen erfüllen sie. Denn ein Betriebsrat kann sich in jedem Unternehmen gründen, das mindestens fünf Beschäftigte hat. Bisher gibt es weder beim Glashütte Original noch bei Nomos Glashütte, Wempe und Tutima einen Betriebsrat, sagt Gewerkschaftssekretär Kiehle.
In Glashütte haben bisher nur der feinmechanische Betrieb Fewes und der Schlottwitzer Teilbetrieb des Kunststoffverarbeiters Selectrona Betriebsräte.
Von Maik Brückner
Foto: © Lange Uhren