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Leipziger BMW-Werkschefin fordert mehr Ladesäulen statt Geldprämien für E-Autos

Das Leipziger BMW-Werk hat 2024 so viele Fahrzeuge produziert wie nie zuvor. Im Interview erklärt die Werksleiterin, wie es 2025 weitergeht und welche Forderungen sie an die Politik hat.

Lesedauer: 5 Minuten

Leipzig. BMW hat 2024 so viele Fahrzeuge in seinem Leipziger Werk produziert wie nie zuvor. Im Interview erklärt Werkleiterin Petra Peterhänsel, woran das liegt.

Frau Peterhänsel, über dem Autoland Sachsen haben sich die Wolken verdunkelt. Weil es bei Volkswagen nicht rund läuft, will der Wolfsburger Konzern in seinem einstigen Vorzeigewerk Zwickau massiv sparen. Zwickau ist nicht weit weg – wie sieht es im Leipziger BMW-Werk aus?

Das Marktumfeld ist herausfordernd. Dennoch haben wir im vergangenen Jahr 248.000 Fahrzeuge der Marken BMW und Mini gebaut – rund 30 Prozent mehr Autos als 2023. Das ist beachtlich und zeigt, dass unsere Fahrzeuge rege nachgefragt werden. Vor allem hat sich unsere Modellpalette vergrößert. Neben den BMW 1er, BMW 2er Gran Coupé und BMW 2er Active Tourer fertigen wir seit November 2023 auch den Mini Countryman in Leipzig – seit März dieses Jahres auch als rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug.

Und wie wird der E-Mini nachgefragt?

Wir befinden uns immer noch in der Hochlaufphase. Ein Drittel aller gebauten Fahrzeuge bei uns sind Minis. Und jeden dritten davon liefern wir mit Elektroantrieb aus. Die Nachfrage nach dem E-Mini wächst.

In allen Märkten?

Die Märkte entwickeln sich uneinheitlich. Der Absatzmarkt China schwächelt, was auch BMW zu spüren bekommt. Anderswo läuft es besser. Zuwächse haben wir beispielsweise in den USA und in Großbritannien. In beiden Märkten ist der neue Mini Countryman gut am Start, nicht zuletzt, weil er größer ist als sein Vorgänger und weil es ihn jetzt auch mit E-Antrieb gibt.

Die hohen Energiekosten sind ein Standortnachteil Deutschlands im internationalen Wettbewerb. Hier sollte die Politik endlich reagieren. – Petra Peterhänsel, BMW Leipzig

Was passiert, wenn die Nachfrage nach E-Fahrzeugen weiter schwach bleibt?

Wir schwächeln nicht. Die BMW Group hat 2024 ein Absatzwachstum von 13,5 Prozent bei Elektrofahrzeugen erzielt. Ich denke, die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen wird auch in Deutschland wieder steigen. Vorausgesetzt die Infrastruktur stimmt, sprich es gibt mehr Ladepunkte, und der Ladestrom wird günstiger. Was Ihre Frage angeht: Das Werk in Leipzig ist hochflexibel und kann schnell reagieren, wenn sich die Nachfrage ändert. In diese Flexibilität hat BMW auch ordentlich investiert.

Sie sprechen von der Strategie, auf einem Band mehrere Antriebe fertigen zu können?

Ja. Dem sind seit 2018 Investitionen von rund zwei Milliarden Euro in den Aufbau der Elektromobilität in Leipzig und in die Erweiterung und Modernisierung der Bereiche Karosseriebau, Lackiererei, Montage und Logistik vorausgegangen. Wir haben damit unsere Produktionskapazität um 100.000 Fahrzeuge pro Jahr erhöht. Heute entstehen alle Fahrzeuge auf einer Produktionslinie. Konkret: Wir fertigen vier Modelle mit drei Antrieben von zwei Marken auf einer Linie. Das macht uns weniger anfällig für Schwankungen in der Nachfrage. Ein unschätzbares Plus.

Zur Person

Petra Peterhänsel (58) ist seit ­Januar 2022 Leiterin des BMW-Werks in Leipzig. Die gebürtige Eisenacherin arbeitete zuletzt im größten europäischen BMW-Werk Dingolfing. Sie ist seit 39 Jahren im Automobilbau tätig und begann ihre Laufbahn im VEB Automobilwerk Eisenach, wo der Wartburg produziert wurde. Nach der Schließung des Werks 1991 durch die Treuhand arbeitete sie im gleichzeitig eröffneten Werk von Opel in Eisenach. Für Opel und den Mutterkonzern General Motors war sie auch in Polen, Russland, Belgien und ­Bochum tätig. Seit 2012 ist sie bei der BMW Group.

Wie viele Fahrzeuge werden im kommenden Jahr gebaut?

Angesichts der volatilen Märkte will ich nur ungern einen Ausblick auf das gesamte Jahr wagen. Wir gehen für 2025 aber mindestens von einem ähnlichen Fertigungsvolumen wie 2024 aus.

Als sich BMW vor mehr als 20 Jahren für den Standort entschieden hat, spielten auch die niedrigen Personalkosten eine Rolle. Wo sehen Sie heute die Standortvorteile des Werks?

Die Personalkosten haben damals sicher eine Rolle gespielt, aber nicht die entscheidende, zumal sie beispielsweise in Osteuropa wesentlich günstiger waren und sind. Wichtig waren die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal sowie die gute Lage und verkehrliche Anbindung. Und da war natürlich der Ruf Leipzigs, zügig Großprojekte planen, genehmigen und realisieren zu können. Bei den tariflichen Bedingungen gibt es kaum noch Unterschiede zu Werken in Westdeutschland, wir gehen mit großen Schritten in Leipzig auf die 35-Stunden-Woche zu. 2026 ist die Angleichung erreicht. Die BMW Group ist mit dem sächsischen Standort überaus zufrieden, sonst hätte der Konzern nicht insgesamt fünf Milliarden Euro hier investiert. Beim Start vor 20 Jahren war von etwa zwei Milliarden Euro die Rede.

Anderswo klagt man über hohe Energiekosten – ist das kein Problem bei BMW?

Das ist ein Problem für die gesamte Wirtschaft. Mit den vier Windrädern auf dem Werksgelände und Batteriespeichern können wir etwas gegensteuern. Aber die hohen Energiekosten sind ein Standortnachteil Deutschlands im internationalen Wettbewerb. Hier sollte die Politik endlich reagieren. Wie wir überhaupt mehr Verlässlichkeit durch die Politik anmahnen.

Plädieren Sie für eine Kaufprämie für Elektroautos?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, für Kaufanreize zu sorgen. Mit Verlässlichkeit meine ich vor allem: Es war falsch, eine Kaufprämie für E-Autos aufzulegen und sie im Anschluss wieder zu streichen, wie geschehen. Ähnliches gilt für einen vergünstigten Ladestrom. Verlässlichkeit hilft Kunden bei der Kaufentscheidung und hilft Herstellern bei der Planung. Anstatt Geldprämien in kurzfristige, marktverzerrende Strohfeuer zu investieren, sollte besser die Ladeinfrastruktur nachhaltig ausgebaut werden.

Der neue elektrisch angetriebene Mini Countryman wird im Leipziger Werk montiert. Auf einer Linie werden Modelle von BMW und Mini mit drei verschiedenen Antrieben gebaut.
Der neue elektrisch angetriebene Mini Countryman wird im Leipziger Werk montiert. Auf einer Linie werden Modelle von BMW und Mini mit drei verschiedenen Antrieben gebaut.
Quelle: BMW

BMW Leipzig setzt als erstes Werk im Konzern Wasserstoff als Energieträger ein, um die Brenner in der Lackiererei zu betreiben. Wie weit ist man bei der Umstellung auf grünen Wasserstoff?

Wir haben heute elf Brenner in zwei Trocknerstraßen, die sowohl mit Wasserstoff als auch mit Erdgas betrieben werden können. In den nächsten Jahren wollen wir stufenweise alle 68 Brennersysteme in Leipzig umrüsten. Wichtig ist, dass wir an das bestehende Wasserstoffnetz angeschlossen werden, um leitungsgebundenen Wasserstoff beziehen zu können.

Noch ist insbesondere grüner Wasserstoff wesentlich teurer als Erdgas.

Der Preis ist ein entscheidendes Kriterium. Je größer die Nachfrage, desto mehr Elektrolyseure werden gebaut und desto günstiger wird der alternative Energieträger. Davon gehen wir aus. Aber auch hier sind wir flexibel. Wir können die Brenner sowohl mit Wasserstoff als auch mit dem noch deutlich günstigerem Erdgas betreiben.

Sie haben von den erheblichen Investitionen ins Werk gesprochen – sind diese abgeschlossen?

Die Investitionen in die Erweiterung und Modernisierung sind abgeschlossen. Dazu zählt übrigens auch der Aufbau einer eigenen Batteriefertigung. Die bei uns produzierten Batterien sind bestimmt für die vollelektrische Version des Mini Countryman und für weitere BMW-Modelle in anderen Werken. 2024 wurden über 210.000 Elektrofahrzeuge von BMW und Mini mit E-Komponenten aus dem Leipziger Werk ausgestattet – ein Plus von 25 Prozent im Vergleich zu 2023. Dafür wurden über 25 Millionen lackierte Zellen, 1,1 Millionen Batteriemodule und über 70.000 Hochvoltspeicher produziert. Natürlich investieren wir weiterhin kontinuierlich für neue Fahrzeuganläufe und in die Modernisierung der Anlagen.

Alles spricht von der Neuen Klasse – wann rollt das erste Fahrzeug in Leipzig vom Band?

Genau darauf bereiten wir uns intensiv vor und investieren, damit wir im Werk künftig auch die Fahrzeuge der Neuen Klasse bauen können.

Welches Modell soll in Leipzig gefertigt werden?

Da bitte ich um etwas Geduld. Die ersten Autos, die auf der neuen Plattform für Elektroautos entstehen, gehen im extra dafür gebauten Werk in ungarischen Debrecen Ende des Jahres an den Start. Danach werden in München BMW der Neuen Klasse vom Band rollen. Und dann – na ja, wir bereiten uns vor. Dass die Neue Klasse auch bei uns gefertigt werden kann, ist Teil der erwähnten Flexibilität, die unseren Standort auszeichnet.

VW Zwickau hat rund 2000 Beschäftigte mit befristeten Verträgen nicht übernommen. Haben diese Frauen und Männer bei BMW eine Chance auf einen neuen Job?

Einige wenige haben sich bei uns beworben. Insgesamt arbeitet jetzt eine mittlere zweistellige Zahl im Leipziger BMW Werk. Dass es nicht mehr sind, hat sicher viele Gründe: Die Entfernung, familiäre oder andere Bindungen in der Heimat sind nur zwei davon.

BMW hat im vergangenen Jahr deutlich Personal aufgebaut.

Ja, rund 900 neue Arbeitskräfte haben wir eingestellt. Der Aufbau ist damit vorerst beendet. Übrigens arbeiten bei uns Beschäftigte aus über 90 Nationen.

Welche Nation ist am stärksten vertreten?

Die meisten ausländischen Kräfte kommen aus Syrien, gefolgt von Venezolanern, Polen, Afghanen und Spaniern.

Läuft das reibungslos?

Man muss sich schon um die Integration kümmern. Im vergangenen Jahr haben wir ein Programm zur interkulturellen Zusammenarbeit aufgelegt. Bei den Kursen, an denen auch unsere Führungskräfte teilnehmen, geht es um das Kennenlernen der unterschiedlichen Nationalitäten und ihre Besonderheiten. In einigen Ländern ist es nicht unbedingt normal, dass eine Frau Chefin ist. Auch das vermitteln wir in den Kursen für die Neuen. Ferner bieten wir Deutschkurse an. Übrigens sind das Kurse, wo Beschäftigte mehrerer Nationen zusammen lernen. Es ist schon beeindruckend, wie das klappt.

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