Leipzig. Hähnchen-Burger, Wings und Fritten zu Preisen, die mit McDonald’s, KFC und Burger King mithalten können: Wer die Stores von Loco Chicken betritt, landet mitten in der Welt des Fast Food. Seit Kurzem hält das Konzept auch in Leipzig Einzug – und schon zur Eröffnung im Hauptbahnhof herrschte großer Andrang. Bei einem Schnellrestaurant blieb es nicht: Zeitgleich ging eine Filiale im Barfußgäßchen an den Start.
Mit dem „verrückten Hähnchen“, wie Loco Chicken übersetzt heißt, lässt sich der Andrang nicht allein erklären: Der deutsche Rapper Luciano schaute vorbei. Ein klarer Marketing-Coup – der in Bautzen geborene Musiker ist nicht nur Markenbotschafter, sondern auch Gründer der Kette.
Loco Chicken in Leipzig: Ehrgeizige Pläne für ganz Deutschland
Es ist eine Neueröffnung für Leipzig, die keinesfalls aus dem Nichts kommt. Das Food-Konzept ist Teil einer Expansionswelle in der Systemgastronomie, die das Stadtbild Leipzigs zunehmend prägt. Ketten der Systemgastronomie, heißt es bei der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig (IHK), seien wieder deutlich präsenter geworden: Von einzelnen Expansionsschüben ist die Rede. Und auch Branchenvertreter berichten von einem Wachstum.
Den Erfolg von Loco Chicken erklären Insider dabei nicht als Zufallsprodukt, sondern mit einer klaren Strategie. „Wir möchten mit Loco Chicken in den nächsten Monaten in allen größeren Städten vertreten sein“, sagt Antonia Best, Senior Brand Managerin des Berliner Unternehmens Lanch, das hinter der Marke steckt.

Quelle: Andre Kempner
In diesem Jahr wolle man bundesweit noch zehn Loco-Chicken-Stores eröffnen. Auf Sachsen angesprochen, ergänzt sie: „Wir gucken uns natürlich auch Städte wie Dresden und Chemnitz an.“
Der Name Loco Chicken ist zwar erst mit den neuen Filialen im Stadtbild sichtbar geworden, aber die Marke ist in Leipzig schon länger präsent. Denn zuvor wurden die Fast-Food-Produkte bereits in „Ghost Kitchens“ zubereitet: Restaurantküchen ohne Gastraum also, die für Lieferdienste produzieren. Kunden können dort nicht vor Ort essen, sondern nur über Apps wie Lieferando, Wolt oder Uber Eats bestellen.
Expansion auf allen Ebenen
Aber nicht nur diese Quick‑Service‑Konzepte wachsen: Auch klassische Ketten expandieren. L’Osteria, bekannt für großformatige Pizzen und klassischen Tischservice, eröffnete in diesem Jahr drei neue Filialen in Sachsen – zuletzt in den Höfen am Brühl in Leipzig, zuvor in Chemnitz und in Dresdens Neustadt. „Unsere bestehenden Restaurants werden von den Sächsinnen und Sachsen sehr gut angenommen. Daher sehen wir für das Bundesland Sachsen durchaus Potenzial für weitere Standorte in der Zukunft“, sagt Sprecherin Samanta Dörfler.
Es ist kein Zufall, dass man die Systemgastronomie häufig in Top-Lage antrifft: Mit langfristigen Mietverträge und einer höheren Zahlungsbereitschaft könnten die Unternehmen attraktive Standorte besetzen, analysiert die Leipziger IHK.
Wir sehen für das Bundesland Sachsen durchaus Potenzial für weitere Standorte in der Zukunft. – L’Osteria-Sprecherin Samanta Dörfler
Burgermeister plant neuen Laden in Leipzig
Derweil plant die Berliner Burgerkette Burgermeister einen weiteren Standort in Leipzig: In der Karl-Heine-Straße soll bald der zweite Store eröffnen. Die Kette zählt inzwischen rund 20 Standorte bundesweit; den ersten Leipziger Laden startete Burgermeister Ende 2024 am Markt. Auch Branchen-Gigant McDonald’s errichtet in Markkleeberg eine neue Filiale – das Wachstum hat verschiedene Namen.
Was steckt hinter der rasanten Expansion? Axel Klein, Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Sachsen, sieht mehrere Treiber. Einer davon ist der zunehmende Wettbewerb um attraktive Ladenflächen: „Immer weniger Betriebe können die hohen Mieten in den Städten bezahlen. Systemgastro kann kosteneffizienter agieren – und so die Mieten eher bezahlen als inhabergeführte Gastronomiebetriebe“, sagt er.

Quelle: Andre Kempner
Der Kampf um die Innenstädte
Kosteneffizienz ist tatsächlich ein zentrales Argument. Systemgastronomie profitiert von Skaleneffekten: Zentrale Beschaffung verhandelt bessere Preise und standardisierte Abläufe reduzieren Kosten. Gleichzeitig sind Kundinnen und Kunden seit der Teuerung preissensibler geworden – ein Vorteil für preisaggressive Ketten. Nicht zuletzt, so die Leipziger IHK, sprechen viele Konzepte auch gezielt junge Menschen an, wie das Beispiel Loco Chicken zeigt.
Dennoch ist das Gästeaufkommen noch nicht auf Vor-Corona-Niveau, so der Bundesverband der Systemgastronomie. Sein Urteil zum Erfolg der Branche: „Die Systemgastronomie entwickelt sich, weil sie auf klaren Konzepten, effizienten Abläufen und konsequenter Gästeorientierung basiert.“
Individuelle Gastro unter Druck
Die Zahlen untermauern den Trend: 2024 erreichte die Systemgastronomie einen Umsatz von 35 Milliarden Euro – das sind 40 Prozent der gesamten gastronomischen Branche in Deutschland. Laut Marktforschungsgesellschaft Circana wuchs sie im Jahresvergleich um 12 Prozent.
Laut Dietrich Enk, Leipziger Gastronom und Präsident des Unternehmerverbands Sachsen, ist die Systemgastronomie der einzige wachsende Zweig in der Branche. „Und das bedeutet eine gewisse Absicherung gastronomischer Angebote, statt gar keine Gastronomie“, sagt er. Denn auch in der Branche kämpft man mit den Krisen der vergangenen Jahre.
„Müssen Gastronomie als Kulturpflege sehen“
Fronten verlaufen zwischen der traditionellen Gastronomie und jener mit System dabei nicht, betont Enk. „Das Problem sind die politischen Rahmenbedingungen – die sorgen dafür, dass die traditionelle Gastronomie unter Druck gerät.“
Das Geschäft in inhabergeführten Restaurants beschreibt Enk als Kulturarbeit: „Das hat mit wirtschaftlicher Skalierung wenig zu tun.“ Darum fordert er: „Wir müssen Gastronomie auch als Kulturpflege sehen. Die Frage ist: Sehen wir einen Wert in der traditionellen Gastronomie?“ Systemgastronomie biete meist nicht den Genuss und Aufenthalt, den Gäste in einem inhabergeführten Betrieb erwarteten. „Dennoch hat sie ihre Daseinsberechtigung.“ Auch Sachsens Dehoga-Chef Klein mahnt: „Wir brauchen die kleineren Betriebe – für die Vielfalt, den Tourismus und den regionalen Wirtschaftskreislauf.“
Ergänzung statt Verdrängung?
Dass die Systemgastronomie kleinere Lokale vollständig verdrängen wird, erwartet man in der Branche nicht. Der Bundesverband weist darauf hin, dass viele Betreiber mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer oder lokal verwurzelte Franchisenehmerinnen seien. „Wir verstehen uns daher nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zum vielfältigen gastronomischen Angebot“.
Und vielleicht liegt in der Konkurrenz sogar eine Chance: Gerade bei digitalen Lösungen oder der Nutzung von Künstlicher Intelligenz könnten kleinere Betriebe von den Großen lernen, sagt Dehoga-Chef Klein. Wie wichtig dabei Social Media ist, zeigt das Beispiel Loco Chicken: Die Neueröffnung in Leipzig machte hier schnell die Runde – und verstärkte den Hype zusätzlich.


