Leipzig. Andere mögen Geschäfte schließen und sich aus der Innenstadt zurückziehen, bei Westwing entdecken sie die City gerade erst so richtig. In Leipzig zeigt sich das jetzt eindrücklich: Der Online-Händler für Designer-Möbel hat in Specks Hof eine neue Filiale eröffnet – es ist erst die dritte in Deutschland. Und Kundinnen wie Ludmila Rex und Martina Rode konnten es kaum abwarten, bis sich die Türen das erste Mal öffnen.
„Es ist eine Marke mit einer bestimmten Ausstrahlung, und sehr hochwertig. Sie hat diesen gewissen Charme“, schwärmt Martina Rode. Die 68-Jährige hat schon regelmäßig bei Westwing im Internet bestellt – und kann ihre Lieblingsstücke nun in der Leipziger City persönlich begutachten.

Quelle: Christian Modla
Mehr Möbel- und Einrichtungshändler in die Innenstadt
Ein Möbelhändler in der Innenstadt – auf den ersten Blick scheint das nicht so recht zusammenzupassen. Schließlich war die Branche lange Zeit dafür bekannt, sich vorwiegend am Stadtrand anzusiedeln – in großen, zweckmäßigen Gebäuden. Doch es hat sich etwas verändert: Möbel- und Einrichtungshändler wie Westwing zieht es zunehmend in die Innenstädte. Darunter sind Anbieter wie das Münchner Unternehmen, die sich eher im hochpreisigen Design-Segment positionieren, aber auch Anbieter, die mit einem breiten Sortiment und erschwinglichen Preisen punkten wollen. Was treibt diese Unternehmen in die City?
Ein Teil der Antwort lässt sich bei Westwing finden. Das im Jahr 2011 gegründete Unternehmen sieht großes Potenzial in der Messestadt, stationäre Geschäfte betreibt es sonst nur in Hamburg und Stuttgart. Adelisa Fetic ist Storemanagerin in Leipzig und betont: „Das Einzugsgebiet hier ist durch die umliegenden Städte sehr groß.“ Leipzig sei strategisch günstig gelegen. „Wir richten uns an besondere Kunden, die Design lieben.“

Quelle: Christian Modla
Leipzig wächst – das macht es für die Branche spannend
Vor Westwing habe es für diese Zielgruppe keinen „perfekten Interior-Store“ in Leipzig gegeben, findet die 30-Jährige. Roman-Alexander Schäfer, Kommunikationschef bei Westwing, sieht in der Messestadt einen aufstrebenden Markt: „Leipzig wächst seit vielen Jahren und wird kulturell immer interessanter. Es kommen viele kreative Menschen und das passt gut zu uns.“
Das Sortiment von Westwing reicht von raffinierten Kerzenhaltern für 21,99 Euro über Retro-Tischlampen für 109 Euro bis hin zu einer 64,99 Euro teuren Marmorschale. Für die Küche gibt es schlichte Geschirrsets für 34,99 Euro ebenso wie 600 Euro teures Porzellangeschirr oder einen Edelstahl-Mülleimer für 199 Euro. Deutlich teurer wird es bei Möbeln, wie dem Polster-Bett „Lennon“ für bis zu 1450 Euro.

Quelle: Christian Modla
Auch günstigere Einrichtungsketten haben Leipzig entdeckt
Westwing ist nicht der einzige Möbel- und Einrichtungshändler, der die City für sich entdeckt hat. Zuletzt haben sich mehrere Händler angesiedelt, die unterschiedliche Zielgruppen und Preissegmente ansprechen: Da ist etwa die dänische Einrichtungskette Søstrene Grene, die im vergangenen Herbst eine neue Filiale im Petersbogen eröffnet hat und mit günstigen Preisen mitmischt. In den beiden City-Geschäften finden Kunden Möbel ab 30 Euro sowie kleinere Artikel wie Accessoires und Bürobedarf für unter zehn Euro. Die dänische Einrichtungskette setzt vor allem auf skandinavisches Design, das derzeit stark im Trend liegt.
Einen dänischen Hauptsitz hat auch die Marke Bolia, die am Neumarkt 9 schon seit Herbst 2023 Designermöbel und Wohnaccessoires verkauft. Im Design-Geschäft kostet ein Stuhl gut und gerne 1000 Euro. Deutlich länger dabei ist das Unternehmen Smow, das am Burgplatz Design-Möbel präsentiert.

Quelle: MAYLA LUEST
Bedürfnisse der Kunden haben sich geändert
Branchenvertreter Jan Kurth beobachtet schon seit einigen Jahren „einen Drang der Möbelhändler in die Innenstädte“, wie er sagt. Der Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie erklärt: „Mit kleineren Filialen in zentralen Lagen wollen die Händler näher an die Kunden heranrücken und ihnen ein möglichst bequemes Einkaufserlebnis ermöglichen.“
Ein Grund sind die veränderten Bedürfnisse der Kunden. Nicht alle können oder wollen mit einem Auto ein Möbelhaus am Stadtrand ansteuern, und viele schätzen es, online bereits eine Vorauswahl getroffen zu haben. In innerstädtischen Stores wird häufiger ein kleinerer Ausschnitt des Sortiments gezeigt, während der Rest online bestellbar ist.
Die Kundschaft kommt auch von weiter her
Die Unternehmen äußern sich zufrieden, wenn man sie nach ihrem Geschäft in Leipzig fragt. Rebecca Bräutigam, Storemanagerin bei Bolia, berichtet: „Das Geschäft läuft super und wird sehr gut angenommen. Mittlerweile hat es sich auch herumgesprochen, dass es uns in Leipzig gibt.“
Der Leipziger Standort hat aus Sicht der Storemanagerin großes Potenzial. „Es kommen auch viele Kunden aus den Randgebieten und umliegenden Orten.“ In dieser Hinsicht erweisen sich die Möbelhändler als Chance für die gesamte City: Sie ziehen zahlungskräftige Kundschaft von weiter her an.
Nicht bei allen Händlern läuft es gut
Zum Bild gehört jedoch: Grund zum Feiern herrscht in der Branche nicht bei allen. „Kaufzurückhaltung, Energie- und Personalkosten sowie eine gewisse Marktsättigung machen gerade großflächigen Möbelhändlern stark zu schaffen“, sagt Jean Lucas Dürand vom Handelsverband Wohnen und Büro (HWB). An der Leipziger City geht das nicht spürbar vorbei: Mit Maisons du Monde hatte im vergangenen Jahr ein Einrichtungshaus in der Petersstraße geschlossen.
Wir beobachten einen Drang der Möbelhändler in die Innenstädte. – Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie
Doch parallel dazu sei es in der Tat so, dass sich vermehrt kleinere und spezialisierte Möbel- und Einrichtungsfachgeschäfte in der Innenstadt ansiedeln, sagt Dürand. „Hiermit kann auch der Bedarf von Kunden und Zielgruppen mit anderen Bedürfnissen abgedeckt werden.“
Dass Kunden trotz eingetrübter Konsumlaune bereit sind, für Möbel auch mehr Geld auszugeben, wirkt dabei auf den ersten Blick widersprüchlich. Doch die Zielgruppe für Designer-Möbel ist eher eine kaufkräftige und designaffine – die sich beim Konsum in Krisenzeiten vergleichsweise stabil zeigt.
Möbelgeschäfte in der City laut Verband noch Randerscheinung
Die Marktanteile der innerstädtischen Möbelhändler kann der Verband derzeit nicht beziffern. „Noch sind die Möbelgeschäfte in den Innenstädten im Verhältnis eine Randerscheinung und werden dies wohl auch vorerst bleiben“, sagt Branchenvertreter Dürand. Wie sich dies in den kommenden Jahren entwickele, hänge von den Kunden ab.
Fans haben die innerstädtischen Möbelhändler bereits. Im Westwing-Store ist der Leipziger Galerist Philipp Anders einer von ihnen. „Es ist cool, dass sich Leipzig, was bestimmte Geschäftskonzepte angeht, erweitert. Ich glaube, dass das Interesse der Leute für solche hochwertigeren Läden größer wird und mehr Geld in der Stadt ist“, sagt er. Leipzig sei eben nicht nur eine Studentenstadt. „Die Leute bleiben hier zum Arbeiten – und die Lust auf eine gewisse Lebensqualität wird größer.“