Ralf Grunert
Bernsdorf. Zwischen bedrückt, wütend und kämpferisch schwankte die Stimmung am Montag um die Mittagszeit am Werk von O-I Glasspack in Bernsdorf. 152 Papierlichter wurden entzündet. Jedes Licht steht für ein Jahr Glasherstellung in Bernsdorf. Eine Tradition, deren abruptes Ende droht.
Erst vor knapp zwei Wochen sind die rund 100 Beschäftigten darüber informiert worden, dass ihr Betrieb geschlossen werden soll. Die Glaswanne als Herzstück des Werkes soll noch in dieser Woche stillgelegt werden. Um das zu verhindern, hat die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) zu einer Mahnwache aufgerufen. Mehr als 100 Personen kamen, neben zahlreichen Glaswerkern auch viele Einwohner von Bernsdorf.
Was hier passiert, ist ein Skandal – ein Traditionswerk mit 152 Jahren Geschichte soll in zwei Wochen abgewickelt werden. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten und für die ganze Oberlausitz. – Reni Richter, Bezirksleiterin IGBCE Lausitz
„Wir stehen heute hier, um ein Zeichen zu setzen für unser Werk, für diese Stadt und eine 152-jährige Glasmachertradition hier in Bernsdorf“, erklärte Betriebsratschef Roland Fischer. „Seit 1872 brennt hier das Feuer für Glas. Jetzt will der Konzern dieses Feuer löschen und die Wanne ablassen. Aber die Flamme, die hier brennt, kann niemand so einfach löschen.“ Er sei sich sicher, dass es „eine Zukunft für unseren Standort geben kann“, ließ er unter einsetzendem Beifall wissen.
„Es gibt Gespräche, es gibt Kontakt, es gibt Bewegung“, informierte Gewerkschaftssekretärin Vivien Madeja. Aber klar sei auch, dass jetzt gehandelt werden müsse. „Jetzt ist nicht die Zeit für stille Diplomatie, jetzt braucht es Haltung, klare Kante und politische Unterstützung, um überhaupt über den weiteren Weg für die Beschäftigten sprechen zu können.“
Keine Kündigungen, kein Termin für Werksschließung
Zumal auch die Zeit drängt. „Wenn die Wanne kalt ist, ist der Standort verloren“, machte Vivien Madeja deutlich. Und das Unternehmen, dessen Aufgabe die Stilllegung der Glaswanne ist, sei bereits vor Ort, so ihr Kenntnisstand. Dass alles mit dem Betrieb der Wanne steht und fällt, war zuvor auch schon im Gespräch mit den Glaswerkern zu erfahren. „Solange wir die Wanne am Laufen halten können, machen wir das auch“, hieß es da.
Die Verunsicherung unter den Beschäftigten des Bernsdorfer Glaswerkes ist allerdings groß. Noch habe keiner von ihnen eine Kündigung erhalten. Auch kenne niemand einen Termin für die Betriebsschließung. Dass diese überhaupt zur Debatte steht, kann Andreas Sonnenberg nicht nachvollziehen. „Das ist eine Sauerei. Das Werk schreibt schwarze Zahlen“, erklärte der langjährige Werksleiter, der auf mehr als 40 Jahre als Glaswerker zurückblicken kann und sich bei der Mahnwache unter seine ehemaligen Kollegen mischte.

Quelle: Ralf Grunert
Als Gründe für die Schließung des Werkes in Bernsdorf nennt Konzernsprecher Stefan Weinmann in einer Pressemitteilung „die anhaltend herausfordernden Marktbedingungen in Deutschland – darunter Überkapazitäten und intensiver Wettbewerb –, die eine Anpassung unserer Kapazitäten erforderlich machen“.
Man verstehe die Betroffenheit vieler Menschen in Bernsdorf und nehme die geäußerten Sorgen ernst. O-I werde den gesetzlich vorgesehenen Informations- und Konsultationsprozess mit den Arbeitnehmervertretungen führen, kündigte Stefan Weinmann an. „Unser Ziel ist es, diesen Prozess transparent und verantwortungsvoll zu gestalten und gemeinsam Lösungen für die Betroffenen zu suchen.“
Eine erste Gelegenheit dazu wird es schon am Donnerstag geben. Wie von Vivien Madeja zu erfahren war, werden sich Gewerkschaft, Geschäftsführung und Betriebsrat zusammensetzen, um Perspektiven für das Werk und die Beschäftigten auszuloten. „Ziel muss es sein, das Maximum für die Belegschaft herauszuholen“, machte Bürgermeister Harry Habel (CDU) deutlich. „Wir hoffen. Manchmal stirbt der Glaube zuletzt.“
SZ