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Milliardenstreit um Kohleausstieg in der Lausitz

Im Sommer 2024 hatten sich der Bund, die EU-Kommission und der Energie­konzern LEAG auf eine Milliarden­-Entschädigung für den Braunkohle­ausstieg im Lausitzer Revier geeinigt. Doch nun sind die Gespräche über einen konkreten Vertrag ins Stocken geraten. Verfolgt LEAG-Eigentümer Daniel Křetínský andere Pläne?

Lesedauer: 3 Minuten

Andreas Niesmann

Berlin. Im Sommer 2024 herrschte noch Champagner­laune. Nach jahrelangen und zähen Verhandlungen hatten sich EU-Kommission, Bundes­regierung und der Energie­konzern LEAG endlich auf die Modalitäten der Entschädigungs­zahlungen für den Braunkohle­ausstieg im Lausitzer Revier geeinigt. Das sei ein „wichtiger Schritt“ für die Menschen der Region sagte Bundes­wirtschafts­minister Robert Habeck (Grüne) seinerzeit. Sachsens damaliger Wirtschafts­minister Martin Dulig (SPD) sprach von einem „guten Tag für die Lausitz“ und sein damaliger Brandenburger Amts­kollege Jörg Steinbach (ebenfalls SPD) nannte die Einigung einen „Meilenstein für Brandenburg und Sachsen“.

Heute, ein gutes Dreivierteljahr später, ist die Feier­stimmung verflogen. Denn die mit großem Tamtam kurz vor der Europawahl verkündete politische Einigung ist nach Informationen des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND) noch immer nicht in einem schriftlichen Vertrag fixiert worden.

Es geht um 1,75 Milliarden Euro

Politik und LEAG hatten sich in dem Eckpunkte­beschluss darauf geeinigt, dass der Bund eine Entschädigung in Höhe von maximal 1,75 Milliarden Euro für die endgültige Stilllegung aller Braunkohle­kraftwerke in der Lausitz bezahlt. Vereinbart wurde ein gestuftes Auszahlungs­verfahren. 1,2 Milliarden Euro sollen in jedem Fall fließen und fixe Kosten des früheren Ausstiegs etwa für Sozial­vereinbarungen sowie nötige Änderungen der Revier­planung abdecken.

Die Restsumme von bis zu 550 Millionen Euro soll an die Voraussetzung entgangener Gewinne gekoppelt werden. Das Geld darf nur dann ausgeschüttet werden, wenn der Betrieb der Kraftwerke über das gesetzliche Stilllegungs­datum hinaus wirtschaftlich wäre. Mit der verzögerten Auszahlung der Teilsumme will die EU-Kommission dem langen Ausstiegs­zeitraum Rechnung tragen und eine mögliche Überkompensation verhindern.

LEAG-Chef Thorsten Kramer hatte die Einigung seinerzeit als „essenziellen Baustein“ für die Transformation zu einem grünen Energie­unternehmen bezeichnet, doch der Manager ist Ende vergangenen Jahres von seinem Posten abberufen worden. Dass die Verhandlungen über den Entschädigungs­vertrag nun ins Stocken geraten sind, liegt aus Sicht von Habecks Leuten aber weniger am aktuellen LEAG-Management als an der tschechischen Konzern­mutter EPH. Deren Vertreter würden einen Abschluss mit immer neuen Forderungen verhindern.

Scharfe Kritik aus dem Wirtschafts­ministerium

„Ich habe zunehmend das Gefühl, dass EPH einen Vertrags­abschluss bewusst verzögert, wenn nicht gar torpediert“, sagt der parlamentarische Staats­sekretär im Bundes­wirtschafts­ministerium, Michael Kellner (Grüne), dem RND. „Wer zu einem Abschluss kommen will, verhandelt so nicht.“ Bei ihm wachse die Sorge, dass der Deal am Ende scheitere, sagt Kellner, der für die Brandenburger Grünen im Deutschen Bundestag sitzt. Für die Region wäre das aus seiner Sicht verheerend. „Sowohl die Beschäftigten als auch die Lausitz sind angewiesen darauf, dass die Entschädigungs­mittel fließen“, sagt Kellner.

Über die Motive einer möglichen Verzögerungs­taktik mag er nicht spekulieren. Nur so viel: „Einen besseren Deal als diesen wird EPH mit der EU-Kommission nicht hinbekommen.“ Im Gegenteil: Durch die CO₂-Bepreisung sowie den massiven Zubau an Solar- und Windkraft lasse sich mit Kohlestrom immer weniger Geld verdienen, glaubt der Grüne. Deshalb würde die Entschädigung bei einer Neuverhandlung aus seiner Sicht geringer ausfallen.

EPH gehört zur Firmen­gruppe des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský, der in zahlreiche deutsche Unternehmen investiert hat. 2009 übernahm er die Mitteldeutsche Braunkohlen­­gesellschaft (Mibrag). 2016 kaufte er vom schwedischen Energie­versorger Vattenfall das Kohle­geschäft in der Lausitz, die heutige LEAG. Weitere kleinere Kraftwerke folgten.

Křetínský beschränkt seine Aktivitäten nicht auf den Energie­sektor. 2018 erwarb er Anteile am Düsseldorfer Handels­konzern Metro, im vergangenen Jahr Teile der Stahlsparte von Thyssen­krupp. Auch in anderen europäischen Ländern ist der Mann aktiv, er besitzt Anteile an der französischen Zeitung „Le Monde“, an den Fußballclubs Sparta Prag und West Ham United sowie an der britischen Post.

Vor allem die Grünen misstrauen Křetínský

Der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky ist Großaktionär bei der Metro.
Der tschechische Milliardär Daniel Křetínský.
Quelle: dpa

Das große Interesse des Investors an deutschen Kohle­unternehmen hat in Teilen der Politik immer wieder zu Misstrauen geführt. Vor allem bei den Grünen ist die Sorge verbreitet, Křetínský könnte die letzten Gewinne aus dem auslaufenden Braunkohle­geschäft ziehen und die Unternehmen danach in die Insolvenz schicken. Die Folgekosten des Bergbaus blieben dann am Staat hängen. Zwar müssen die Kohle­konzerne Rückstellungen für die Rekultivierung der Tagebaue bilden, deren Höhe aber reicht nach Meinung vieler Grüner nicht aus.

Auch Wirtschafts­staatssekretär Kellner ist misstrauisch. „Sollte es den Versuch geben, möglichst lange mit der Kohle Geld zu verdienen, um sich dann aus dem Staub zu machen, ohne für Sozial­kosten und Bergbau­folgekosten einzustehen, dann werden wir ihn verhindern“, sagte er. EPH-Eigentümer Křetínský müsse nun seiner Verantwortung nachkommen und den Weg für die Zukunft der Lausitz frei machen.

Weder LEAG noch EPH wollten sich bis Redaktions­schluss auf eine Anfrage des RND äußern.

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