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Mit wem Dresden jetzt im Wettbewerb um die Chip-Industrie steht

Bald findet der erste Spatenstich für die Mikrochipfabrik ESMC in Dresden statt. Oberbürgermeister Dirk Hilbert erwartet einen Boom. Was sagt die Wirtschaft?

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht eine Diskussionsrunde.
Sie erwarten viel von der neuen Chipfabrik: Dresdens OB Dirk Hilbert (von links); Frank Bösenberg, Geschäftsführer Silicon Saxony; FDP-Spitzenkandidat Robert Malorny; IHK-Präsident Andreas Sperl; Moderatorin Anja Koebel. © SZ/Georg Moeritz

Von Georg Moeritz

Dresden. Hoffnung auf asiatische Präzision: Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert ist froh, im Wettbewerb um eine neue Mikrochipfabrik den taiwanischen Investor TSMC gewonnen zu haben. Zwar habe der US-Konzern Intel sich für eine Investition in Magdeburg entschieden. Aber die „amerikanischen Freunde“ seien stark im Marketing und nicht unbedingt schnell in der Umsetzung, während das Räderwerk der Taiwanesen nach der Entscheidung rasch anlaufe. Hilbert erwartet nun einen „Boom der gesamten Region“. Der Raum Dresden könne zu einer der wirtschaftlich spannendsten Gegenden Europas aufsteigen, sagte Hilbert am Montagabend bei einer Diskussion in Dresden.

Voraussichtlich vor der Landtagswahl am 1. September wird der erste Spatenstich für die neue Dresdner Mikrochipfabrik ESMC European Semiconductor Manufacturing Company stattfinden, bei der TSMC aus Taiwan der größte Investor ist. Das Unternehmen werde Intel in Magdeburg wohl zuvorkommen, sagte auch Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Branchenverbandes Silicon Saxony e. V. in Dresden.

Bösenberg wies darauf hin, dass TSMC erst wenige Fabriken außerhalb Taiwans gebaut hat. In Japan sei es dank ähnlicher Mentalität leicht vorangegangen, in Arizona in den USA habe es Schwierigkeiten etwa mit Gewerkschaften und Konkurrenten gegeben. In Dresden werde sich in den kommenden drei bis vier Jahren entscheiden, ob sich die asiatischen Mitarbeiter willkommen fühlten. Bösenberg bat darum, dass jeder zur „Willkommenskultur“ beitrage.

IHK-Präsident Sperl sieht Skepsis bei Mittelständlern

Das Podiumsgespräch im Dresdner Kraftwerk Mitte fand auf Einladung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung statt. Sie hatte auch Andreas Sperl, den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Dresden, um seine Einschätzung zu den Chancen und Risiken der Großinvestition gebeten. Sperl sagte, im sächsischen Mittelstand gebe es „immer noch eine gewisse Skepsis“. Manche Unternehmer befürchteten, dass die Fabrik ihnen mit höheren Löhnen Fachkräfte abwirbt und die besten Auszubildenden bekommt. Manche beklagten, dass ESMC rund fünf Milliarden Euro Subventionen vom Bund erwarten könne, während sie alles selbst erwirtschaften mussten.

Kammerpräsident Sperl sagte, die kritischen Stimmen würden aber leiser. Im Mittelstand setze sich die Erkenntnis durch, dass auch kleinere Unternehmen von der Großansiedlung durch Aufträge profitieren könnten. Die Investition habe „langfristige geostrategische Bedeutung“. TSMC suche auch aus politischen Gründen Standorte in sicheren Regionen und habe Dresden als einen idealen Standort mit einem vorhandenen System aus vernetzten Firmen und Forschungseinrichtungen gefunden.

Tschechien wirbt auch um Elektronik-Industrie

Im Wettbewerb um Ansiedlungen aus der Mikroelektronik war laut Verbandschef Bösenberg zuletzt auch Tschechien sehr aktiv. Doch Sachsen spiele mit seiner vorhandenen Infrastruktur weltweit „in der Champions League“, und Tschechien hätte sich die fünf Milliarden Euro Subventionen wohl nicht leisten können. Das Image Dresdens sei im Ausland besser als im Inland, darüber waren sich Bösenberg und Sperl einig. Wer derzeit etwa aus Baden-Württemberg nach Sachsen ziehe, müsse sich vor Freunden erklären, als ob es in eine exotische Region gehe.

Im Ausland werde Dresden als „wunderschöne und lebenswerte Stadt“ wahrgenommen, sagte Sperl. TSMC werde voraussichtlich für die Startphase der Fabrik Hunderte Mitarbeiter mitbringen, aber sie würden „wieder verschwinden“. Es sei sehr teuer, Experten im Ausland unterzubringen, womöglich mit Familien, sagte Sperl, der lange Zeit die Elbe Flugzeugwerke in Dresden leitete und Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Singapur hat.

Im Wettbewerb um Beschäftigte hofft der Kammerpräsident auf „vernünftige Absprachen“ in der sächsischen Wirtschaft. Er sagte, in zehn Jahren könnten in Sachsen 400.000 Fachkräfte fehlen. Die Wirtschaft bemühe sich, die befürchteten Lücken „auch durch Zuwanderung“ zu füllen und Ausbildungsberufe attraktiver zu machen.

Gemeinsame Gewerbegebiete mit Nachbarkommunen

Der FDP-Stadtrat und Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Robert Malorny, erwartet nicht nur wegen des Fachkräftemangels „noch viel Arbeit, damit die Ansiedlung zu einer Erfolgsgeschichte wird“. Wohnraum und Infrastruktur müssten geschaffen werden. Die neue Fabrik könne dazu beitragen, das Lohnniveau in der Stadt insgesamt zu heben. Unternehmen von Anlagenbau bis Haustechnik könnten vom Wachstum profitieren. Bei der Entwicklung neuer Gewerbeflächen für Mittelständler könne die Stadt mehr tun, sagte Malorny.

Oberbürgermeister Hilbert sagte, die Stadt denke bei Gewerbegebieten „lange voraus“ und arbeite auch mit Nachbarkommunen zusammen. Es dauere etwa zehn Jahre, Gewerbegebiete zu entwickeln und alle Einsprüche zu berücksichtigen. Der laufende Neubau des Moduls 4 der Infineon-Mikrochipfabrik mit 1.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen sei nur deshalb so schnell möglich geworden, weil die Stadt vor zehn Jahren schon Voraussetzungen geschaffen habe.

In Dresden gebe es Baurecht für mehr als 20.000 neue Wohnungen, dazu für fast 10.000 im direkten Umland. Allerdings fehlten derzeit Investoren. „Es wird jeder wohnen“, sagte Hilbert, allerdings sei die Frage, „wie weit die Wege werden“. Auch wegen Engpässen an Schulen im Dresdner Norden arbeite die Stadt mit Nachbarkommunen zusammen. Er sehe einen guten Wettbewerb unter den Bürgermeistern im Dresdner Einzugsgebiet. Gemeinsam könne das Wachstum für die 2030er-Jahre vorbereitet werden.

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