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Nach Ernteausfall: Wie geht es Sachsens Obstbauern heute?

Im Vorjahr hingen keine Kirschen, Pflaumen und Äpfel an den Bäumen der sächsischen Obstbauern. Wie steht es um die Ernte in diesem Jahr?

Lesedauer: 4 Minuten

Luisa Zenker

Dresden/Leipzig. Der Regen prasselt auf die Kirschen. In Hunderten Kisten lagern sie an der Einfahrt zur Plantage bei Dohna, südlich von Dresden. Umringt werden die Kirschen von grünen und gelben Regenjacken. „Colectează, Sammeln!“, ruft Angelika Utta auf Rumänisch und wedelt mit den Händen. Die Gärtnerin möchte die Männer und Frauen aus Rumänien wieder zum Pflücken bewegen. Sie aber wollen zurück in die Unterkunft fahren.

Chef Thomas Beck versucht zu beruhigen. Der Obstbauer zeigt für die wartenden Rumänen Verständnis. Denn beim Pflücken der Kirschen über Kopf fließt das Regenwasser durch die Ärmel unter die Regenjacke. Krank bringen ihm die Beschäftigten auch nichts, so der Obstbauer. Allerdings sind die Kirschen reif und müssen vom Baum, weil der Regen sie platzen lässt.

Schon lange keine Deutschen auf den Plantagen gesehen

Der Regen prasselt während der Diskussionen weiter auf die Obstbäume nieder. Einige Saisonarbeiter sind tapfer und sammeln im Akkord. Harte monotone Handarbeit. Die Rumänin Maria Nikoleta lächelt trotzdem unter der gelben Regenjacke. Zu ihr kommen die Pflücker mit den gefüllten Eimern. Für jeden Kübel kriegen die Arbeiter eine weiße Marke. Sie entspricht einem Wert von vier Euro. Wer schnell ist, schafft 40 Sieben-Kilo-Eimer am Tag. Bezahlt werden die Beschäftigten aber nicht nach Eimerzahl, sondern nach Mindestlohn pro Stunde abzüglich Unterbringungskosten auf dem Betriebsgelände, sagt Obstbauer Beck. „Die Zeiten vom Leistungslohn sind vorbei.“

Mit den Marken wolle er prüfen, wer fleißig ist oder wen er nach Hause schicken muss. Rund 50 Pflücker und 13 Festangestellte sind auf der 180 Hektarfläche vom Obsthof Beck unterwegs, Deutsch können die wenigsten. Gärtnerin Angelika Utta hat schon lange keine deutschen Saisonarbeitskräfte auf den Plantagen gesehen, sie hat deshalb rumänisch gelernt, um sich zu verständigen: „Auf dem Acker, nicht in der Schule. Irgendwann reichen Hände und Füße nicht mehr.“

Die Pflücker sind 70 Tage in der Region, dann wechselt die Mannschaft. Sie arbeiten sechs bis sieben Tage in der Woche. Manche wie Maria Nikoleta kommen jede Saison wieder zu Obstbauer Beck – außer im vergangenen Jahr.

Das Heer der Pflücker ist wieder da

Denn da hingen bei Beck keine Kirschen, Pflaumen und Äpfel am Baum, Saisonarbeitskräfte brauchte er nicht. Der Frühjahrsfrost 2024 hatte die Ernte beinahe vollständig zerstört. Vom Freistaat und von der EU erhielt Beck Schadensgeld – so wie 77 andere sächsische Obstbauern und Winzer. „32 Millionen Euro wurden als Schaden angemeldet und insgesamt 24,5 Millionen Euro über die Mittel von EU und Land ausgezahlt“, sagt der sächsische Agrarminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU). Die Bauern ernteten zwölf Tonnen Pflaumen im vergangenen Jahr. Üblich sind 1.100 Tonnen. Von Breitenbuch bestätigt, dass die Hilfen nun vollständig überwiesen wurden. „Es bleibt ein Rest des eigenen Risikos, weil der Staat eben nicht 100 Prozent ausgleicht, sondern maximal 80 Prozent.“

„Zu weich für den Handel“, beurteilt Obstbauer Peter Griesbach in seiner Pflaumenplantage bei Dohna.
„Zu weich für den Handel“, beurteilt Obstbauer Peter Griesbach in seiner Pflaumenplantage bei Dohna.
Quelle: Thomas Kretschel

Obstbauer Thomas Beck glaubt, dass ohne die Zahlungen die ostdeutschen Obstbauern verschwunden wären. Die Schäden, die nicht durch die Staatsgelder gedeckelt wurden, konnte er kompensieren. „Ich hatte letztes Jahr keine Erntekosten. Und dieses Jahr freue ich mich über die gute Ernte.“

Die Pflaumen sind zu weich für den Handel

Auch Obstbauer Peter Griesbach blickt optimistisch auf die diesjährige Ernte. Seine Saisonarbeiter sind zurzeit in den Pflaumen bei Dohna unterwegs. Bei ihm arbeiten 20 Festangestellte und rund 100 Saisonarbeitskräfte aus Rumänien, Kirgisien, Weißrussland übers Jahr. Vergangenes Jahr hing keine Frucht am Baum, jetzt sind die Reihen mehr violett als grün. „Zu weich“, sagt Griesbach dennoch. Und steckt eine Pflaume in den Mund. Sie schmeckt saftig-süß, wie eine gute Pflaume eben. Für den Lebensmitteleinzelhandel sind sie aber nichts. Griesbach muss sie halbreif pflücken, damit sie sich lagern und verkaufen lassen.

Durchschnittlich gut sieht die Ernte dieses Jahr für Sachsens Obstbauern aus, sagt auch Carmen Kaps vom sächsischen Obstbauverband. Die Euphorie hält sich trotzdem in Grenzen. Griesbach nennt als Beispiel die Pflanzenschutzmittelverordnung. „Man kann keine Kirschen mit Maden verkaufen.“ Ihm zufolge sind zu wenig Pestizide erlaubt. Gegen Pflaumenwickler und Kirschessigfliege gebe es keine „gescheiten Mittel.“ Carmen Kaps prognostiziert, dass „invasive Arten, aber auch entstehende Resistenzen durch fehlende Auswahlmöglichkeiten bei Pflanzenschutzmitteln in Zukunft immer stärker zu Problemen führen werden.“

Die Macht der Großen: vier Apfelsorten bestimmen den Markt

Zudem steigt der Druck auf die Bauern. 2,99 Euro kostete 2023 das Kilo Äpfel im Handel. Bei Thomas Beck landeten davon 70 Cent auf dem Tisch. Ein Fünftel seiner Kirschen, Äpfel, Pflaumen verkauft er deshalb direkt über den Hofladen. Einen Großteil gibt er – wie alle anderen Obstbauern in der Region – an die Dresdner Vertriebsgesellschaft Veos weiter. Diese verhandeln dann mit den vier großen Märkten: Edeka, REWE, der Schwarz Konzern und Aldi. Sie haben das letzte Wort, beim Preis und beim Sortiment.

Gala, Jonagold, Elstar, Pinova machen daher die Hälfte des Sortenangebots in Sachsen aus. Alte Sorten, wie sie Thomas Beck als Hobby anbaut, schaffen es nicht in den Großhandel. Auf der anderen Seite ächzen die Obstbauern unter der Mindestlohnerhöhung und der billigen Konkurrenz aus dem Ausland.

Obstbau in Sachsen nicht auf Frost vorbereitet

Es sind viele Gründe, warum der Obstbau in Sachsen seit Jahren verschwindet. Während in den 2000ern noch beinahe 5.000 Hektar bewirtschaftet wurden, sind es jetzt 3.500 Hektar. „Es will keiner machen“, nennen die beiden Bauern als weitere Ursachen. Sie haben die Betriebe von ihren Vätern übernommen, ihr Nachwuchs zeige aber bisher kein Interesse. Und das Wetter tut sein Übriges.

Das Sächsische Landesamt für Landwirtschaft beobachtet längst konkrete Folgen des Klimawandels auf den Obstanbau. Die Bäume blühen zwei Wochen früher als noch vor 30 Jahren. Das Risiko für Spätfröste steigt. Sollte es im nächsten Jahr wieder zu Minusgraden während der Blütezeit kommen, sind Obstbauer Beck und Griesbach nicht vorbereitet. Fackeln seien zu teuer. Und Wasser für die Frostschutzbewässerung gebe es in der Region nicht genug.

Die hohen Temperaturen bieten dennoch Vorteile. Bauer Beck lagert in seinem Kühlraum orange Pfirsiche. Es ist die erste Ernte dieser Art. Und sie schmecken wie aus Spanien.

SZ

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