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Neuer Stress für Paketboten: „Deutschland ist Retouren-Europameister“

Für die meisten Sachsen ist Weihnachten 2024 schon abgehakt. Für die Logistikbranche nicht, weil jetzt erst viele Geschenke umgetauscht werden. Der Krankenstand in der Branche ist hoch. Seit Jahresbeginn 2025 gilt eine neue Regelung.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht einen Paketboten.

Leipzig/Dresden. Nicht passende oder unbeliebte Weihnachtsgeschenke halten die Logistikbranche im Januar in Atem. Der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) geht von 735 Millionen Sendungen in der Vorweihnachtszeit aus. Rund jedes vierte Paket wird jedoch zurückgeschickt, so die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Das sei nicht nur Spitze im Ländervergleich, sondern auch ökologisch bedenklich. Ihre Studie kommt zu dem Schluss: „Deutschland ist Retouren-Europameister“.

Umtausch zum Teil bis Ende Januar

Die Verbraucherzentrale Sachsen bietet online einen Umtausch-Check an, mit dem schnell ermittelt werden kann, ob etwas wie umtauschbar ist. Wer das Geschenk beispielsweise im Internet gekauft hat, hat grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht – manche Anbieter werben rund um Weihnachten sogar mit noch kundenfreundlicheren Regelungen.

Was beim Branchenriesen Amazon zwischen dem 1. November und dem 25. Dezember gekauft wurde, kann bis 31. Januar oder 30 Tage nach Erhalt zurückgegeben werden. Kameras, Elektronik, Bürobedarf, Computer, Videospiele, CD und DVD immerhin bis 15. Januar oder 14 Tage nach Erhalt.

Solche Artikel wechseln in den preisgünstigen Retourenkauf, der dann allerdings neue Schnäppchenjäger anlockt, wodurch die ursprünglichen Weihnachtsgeschenke erneut in den Versand gehen. Die Liste der umgetauschten Geschenke in Deutschland führen übrigens Bekleidung und Schuhe an.

Zwei Tonnen Pakete pro Tag

Für Beschäftigte der Lagerwirtschaft, Post- und Zustelldienste bedeutet dies zwangsläufig, dass der Stress auch nach Weihnachten anhält. Bei DHL beispielsweise kann die Retoure in der App angegeben werden und auch der Ablageort. Dann kommt der Paketbote wieder vorbei und holt die Ware ab. „Wir haben im Januar noch immer ein deutlich erhöhtes Sendungsaufkommen“, bestätigt DHL-Sprecher Hans-Christian Mennenga.

Schon außerhalb der Vorweihnachtszeit trage ein Paketbote täglich ein Gewicht von zwei Tonnen aus, rügt deshalb der arbeitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Frank Bsirske, der als Kritiker der Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche gilt. Laut Berufsatlas des Barmer-Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) waren Briefträger, Paketboten und Kurierfahrer in Sachsen im vergangenen Jahr im Durchschnitt 32,5 Tage krankgeschrieben. Berufsübergreifend lag der Wert im Freistaat dagegen lediglich bei 25,4 Tagen.

Paketboten haben oft Rücken

An der Spitze wenig überraschend die Rückenleiden. Während in Sachsen der Mittelwert der Krankheitstage dafür fünf beträgt, kommt die Branche mit durchschnittlich 8,9 Arbeitsunfähigkeitstagen auf fast das Doppelte. Auch Verletzungen wie Frakturen oder Zerrungen treten überdurchschnittlich auf. In der Gruppe der Zustelldienste und Lagerwirtschaft führten sie im vergangenen Jahr zu 4,1 Fehltagen (Durchschnitt: 2,6 Tage).

Dass Zusteller in vielen Fällen krankgeschrieben sind, ist alarmierend. – Monika Welfen, Barmer-Landesgeschäftsführerin

„Dass Zusteller in vielen Fällen krankgeschrieben sind, ist alarmierend“, sagt Barmer-Landesgeschäftsführerin Monika Welfens. „Dauerhafter Stress und Zeitdruck im Job haben Auswirkungen auf die Gesundheit.“ Sie appelliert an die Arbeitgeber, sich stärker um das körperliche, aber auch seelische Wohlbefinden ihrer Arbeitnehmer zu kümmern.

Von den Kunden wiederum sei ein maßvoller Umgang mit Post- und Lieferdienstleistungen gefragt. Der eine oder andere Einkauf könne auch beim Stadtbummel erledigt werden und stärke dort den ortsansässigen Einzelhandel, erinnert Welfens.

Neues Gesetz soll gegensteuern

Bereits seit 1. Januar 2025 muss auf einem zu versendenden Paket verzeichnet sein, ob es unter zehn Kilogramm, über zehn Kilogramm oder sogar über 20 Kilo wiegt. Ein neuer Gesetzentwurf von SPD und Grünen, dem eventuell auch die CDU zustimmen wird, beinhaltet, dass Pakete, die schwerer als 23 Kilo sind, künftig von zwei Zustellern befördert werden müssen. Auch Pakete mit einem Gewicht zwischen 20 und 23 Kilo sollen von einem einzelnen Zusteller nur noch mit technischen Hilfsmitteln gebracht werden dürfen.

Wenn dieser Entwurf die zuständigen Ausschüsse passiert hat, wird der Bundestag darüber abstimmen. Laut Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX) waren 2023 rund 260.500 Menschen in der Branche beschäftigt.

Derweil forschen beispielsweise Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig an einem fahrenden Lieferroboter, der aus großen Zustellfahrzeugen die Pakete zum Empfänger an die Haustür bringen kann. Das Klingeln beim Empfänger vor Ort wird dabei durch eine Ankündigungs-SMS ersetzt.

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