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Neues Berggeschrey, ganz ohne Romantik

Bei Schwarzenberg investiert ein Familienunternehmen aus der Entsorgungsbranche in Wolfram und Zinn. Was die Chefs antreibt, was die Skeptiker.

Lesedauer: 4 Minuten

Ein Mann schaut gestikulierend in die Kamera.
SME-Vorstand Klaus Grund trägt gern das Bergmannshabit. Der Erkundungsschacht hinter ihm ist künftig nur Notausgang des geplanten Bergwerks. Als Hauptzugang wird eine Rampe zwei Kilometer lang hinunter in den Berg führen, mit einem Förderband für die erhoffte Ausbeute mit Wolfram und Zinn. Foto: dpa/Jan Woitas

Von Georg Moeritz

Schwarzenberg. Das wird nicht reichen für ein neues Bergmannsorchester oder eine Parade: Mit gerade einmal 60 bis 70 Beschäftigten wollen der Investor Thomas Reissner und sein Vorstand Klaus Grund den Bergbau im Erzgebirge wieder aufleben lassen, in Pöhla bei Schwarzenberg. Mehr Bergleute seien dort nicht nötig, dank modernen Sensoren und Transportbändern.
Weitere 60 Angestellte sollen in Mittweida die 400.000 Tonnen Erz pro Jahr aus Pöhla aufbereiten. Denn in Mittweida hat Reissner reichlich Platz in Industriehallen: zwölf Hektar. Dort lief schon der Pilotbetrieb mit dem ersten Erz aus dem Erkundungsschacht, in Vorbrechern und Kugelmühlen. Später soll in den Hallen auch eine Zinnraffinerie entstehen, sagte Reissner bei einem Pressetermin in Rittersgrün. Denn beim ersten Bergwerk solle es nicht bleiben.
Der Kaufmann aus Sindelfingen bei Stuttgart hat sich in Sachsen schon engagiert: außer in Mittweida auch mit dem Freiberger Unternehmen Pyral, das aus Abfall Aluminium gewinnt, sowie mit den Ton- und Kieswerken Kodersdorf samt Recyclinghof und Abfallmanagement. Nun will Reissner mit seinem sächsischen Unternehmen SME Saxony Minerals & Exploration AG das Wissen aus historischen Bohrungen und 16 Kilometern vorhandenen Stollen nahe der tschechischen Grenze nutzen. Die Vorarbeit aus DDR-Zeiten entspricht nach seiner Rechnung heute einem Investitionswert von 180 Millionen Euro.
SME hat angekündigt, „die große und über 800 Jahre alte Geschichte des Erzbergbaus“ wieder aufzunehmen. Sachsens Oberberghauptmann Bernhard Cramer in Freiberg spricht schon vom „vierten Berggeschrey“. Das ist so etwas wie ein Goldrausch, nur wegen anderer Bodenschätze. Das erste Berggeschrey begann 1168 mit dem ersten Silberfund in Freiberg. In der Stadt steht heute Cramers Oberbergamt, nahe dem Schloss.

Start in zweieinhalb Jahren
Die Bergbaubehörde sieht in Reissners Vorhaben einen „wichtigen Beitrag zu Verbesserung der geopolitisch stabilen Verfügbarkeit“ rarer Rohstoffe. Wolfram und Zinn stehen dabei laut Oberbergamt im Vordergrund. Außerdem soll das Bergwerk folgende Rohstoffe liefern: Flussspat, Zink, Kupfer, Indium, Eisen und Kadmium. Auch Silber steht mit auf der Liste. Die entscheidende Genehmigung für den Bergbau ist erteilt: der Planfeststellungsbeschluss für den Rahmenbetriebsplan, einschließlich Abraumhalde im Luchsbachtal. Die soll begrünt werden. Vorstand Grund erwartet die Detailzulassungen nun innerhalb weniger Monate, dafür sei keine öffentliche Anhörung mehr vorgeschrieben. In zweieinhalb Jahren soll die Produktion beginnen. Grund ist promovierter Vermessungsingenieur, im Bergbau nennt sich dieser Beruf Markscheider, und sagt: „Man muss auch zulassen, dass neue Traditionen – in Form neuer Bergwerke – entstehen.“
Aufsichtsratschef Reissmann betont beim Pressegespräch ebenfalls die Bedeutung seiner Rohstoffförderung: „Wir sitzen auf den größten Zinnvorkommen der Welt. Ist das nicht irre?“ Er hätte sich mehr politische Unterstützung gewünscht. Stattdessen werde in Deutschland vieles einfach nicht entschieden. China handle cleverer. „Ohne Rohstoffe und Kapital können Sie kein Land entwickeln.“ Wegen Rohstoffen seien Kriege geführt worden, sagt Reissmann. „Wir brauchen mehr Dynamik.“ 40 Chinesen haben nach seinen Angaben innerhalb eines halben Jahres seine Pilot-Aufbereitungsanlage in Mittweida aufgebaut.
Die künftigen Bergleute werden laut Grund aber wohl aus einem „Radius von 30 Kilometern“ kommen, es gebe schon viele Bewerber. Sie werden zunächst eine Rampe in den Berg treiben, eine Straße von fast zwei Kilometern Länge mit 250 Metern Höhenunterschied. Eine solche Rampe sei flexibler nutzbar als ein Schacht, Förderbänder sollen das Gestein effizient an den Tag bringen. Der bisherige Erkundungsschacht, über dem noch ein Gerüst im Luchsbachtal steht, wird später nur zur Belüftung und als zweiter Rettungsweg dienen. Erst einmal ließen ihn die Betreiber wieder volllaufen: Seit 2020 sind die Pumpen abgeschaltet, weil sie monatlich 80.000 Euro Stromkosten verursachten. 2016 hatte der erste Spatenstich stattgefunden. Mehrere Tausend Tonnen Roherz wurden bis September 2019 nach Mittweida transportiert, später war zeitweise Kurzarbeit.

Anleihe mit 7,75 Prozent Jahreszins
Reissner braucht nach eigenen Angaben rund 30 Millionen Euro zum „Anfahren des Bergwerks“ und 20 Millionen als „working capital“ unter anderem für Personal, Versicherungen, Energie. Er erwartet Erlöse von 90 Millionen Euro pro Jahr. Im Jahr 2019 hatte die SME eine Anleihe mit 7,75 Prozent Jahreszins und 5,5 Jahren Laufzeit herausgegeben, für den Ausbau des Bergwerks Pöhla. Dieses Geld sei verbraucht, sagt Reissner. Für die weitere Finanzierung sei er „mit guten Investoren im Gespräch“ und halte das Kapital für gesichert. Eine Nachrang-Anleihe werde aufgelegt, diesmal ohne öffentliches Angebot.
Reissners Detailpläne hängen auch von Weltmarktpreisen ab: Die geplante Rampe erreicht zunächst die Gesteinslage 4 mit viel Wolfram und Flussspat. Wenn der Zinnpreis weiter steigt, womit Reissner rechnet, will er bald die „Lage 3“ mit viel Zinn ansteuern. Außerdem will er in ein Zinnbergwerk in Geyer investieren, mit seinem Unternehmen MMC Minerals and Metals Corporation AG. „Diese Gesellschaft werden wir nächstes Jahr mit Kapital ausstatten“, sagt Reissner.
Für Geyer rechne er mit Genehmigungen in zwei Jahren. Dort finde sich auch das teure Metall Gallium für die Halbleiterindustrie, das sonst fast nur aus China kommt. Der Aufsichtsratschef spricht sogar von einem „Dreieck“ aus Bergwerksprojekten, denn er möchte als Drittes auch die Infrastruktur hinter dem Besucherbergwerk Zinnkammern Pöhla nutzen. Dort könne auch Ausbildung stattfinden.
Schwarzenbergs Oberbürgermeister Ruben Gehart (CDU), zu dessen Stadt Pöhla gehört, sieht keinen großen Widerstand in der Region gegen die Bergwerkspläne und betont die ökonomischen Chancen. Er lobt SME für frühzeitige Kommunikation. Einwände gebe es freilich wie bei jedem Straßenbauprojekt.
Tatsächlich betont Bernd Hentschel aus der Bürgerinitiative Pöhlwassertal vor allem seine Sorge wegen Lkw-Lärms mit Entwertung der Grundstücke. Die Initiative sei politisch ungebunden und wolle keinen Protest. „Wir wollen, dass alles geordnet läuft.“ Frank Münzner aus Schwarzenberg, der sich in der Initiative Fairlötet engagiert, hofft auf mehr Recycling von Rohstoffen. Vorstand Grund sagt, ein Raubbau an der Natur werde nicht stattfinden, das sei in Deutschland nicht möglich. Und er betont: Es gebe in den Stollen in Pöhla kein Uran, das habe schon die Wismut AG dokumentiert.

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