Görlitz/Bautzen. René Hoffmann aus Ebersbach bei Görlitz ist hin- und hergerissen: Soll er seine Sachsenhühner und die Lippegänse in den Stall holen oder soll er warten, bis die Vogelgrippe noch näher kommt und es vom Freistaat zur Pflicht erklärt wird? „Viele Züchter denken darüber nach, was sie tun, vor allem, wenn sie Tiere mit gutem Genmaterial gezüchtet haben, das vielleicht sogar auf der roten Liste steht“, erklärt Hoffmann. Er ist Mitglied im Oberlausitzer Geflügelzüchterverband und dort unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
Nur beim Wassergeflügel, bei Gänsen und Enten, ist das Aufstallen generell schwierig: Diese Tiere brauchen Luft, Gras und Wasser. Der Stall ist Stress, da nehmen sie ab. – René Hoffmann, Oberlausitzer Geflügelzüchterverband
Im Raum Leipzig gab es die ersten drei aktuellen sächsischen Fälle von Vogelgrippe. In Ebersbach im Landkreis Meißen gibt es jetzt einen Vogelgrippe-Verdachtsfall. Ein Geflügelbetrieb muss nun rund 8000 Tiere töten. Ab Montag gilt die Stallpflicht im Landkreis Meißen. Erste Geflügelschauen wurden bereits abgesagt.
So weit ist es in der Oberlausitz noch nicht. Aber auch hier ist gerade der Start der großen Schau-Saison, die Vereine erwarten viele Neugierige: „Es gab in den letzten Jahren noch nie so einen Hype um Geflügel“, sagt Hoffmann. Es ist also ein denkbar schlechter Zeitpunkt, das liebe Federvieh im Stall zu lassen.
Kodersdorf, Lawalde, Hainewalde, Leutersdorf, Sebnitz − überall haben Vereine jetzt zu Ausstellungen eingeladen, weitere folgen. Zudem sind einige Oberlausitzer Züchter am zweiten Novemberwochenende nach Nitra in der Slowakei unterwegs, zur 30. Europaschau für Geflügel.
Angst vor Keulung
Auch René Hoffmann hat derzeit wertvolle Tiere in seiner Sachsenhühner-Schar. Das will er eigentlich nicht aufs Spiel setzen: „Wir haben ja als Züchter die Aufgabe, den Bestand seltener Rassen zu erhalten“, sagt er. Hoffmann hat von einem Kollegen im Elbe-Elster-Kreis gehört, der zwar nur rund ein Dutzend Tiere hatte, aber die wegen eines Vogelgrippe-Falles alle keulen lassen musste. Auf einen Schlag ist jeglicher Zuchterfolg dann dahin.
Manche Kollegen gehen deshalb auf Nummer Sicher, stallen die Tiere freiwillig auf. Platz dafür sei nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit der Vogelgrippe vorhanden: „Die meisten Züchter haben überdachte Volieren“, erklärt Hoffmann und betont: „Nur beim Wassergeflügel, bei Gänsen und Enten, ist das Aufstallen generell schwierig: Diese Tiere brauchen Luft, Gras und Wasser. Der Stall ist Stress, da nehmen sie ab.“
Die Folge: So mancher Geflügelhalter wird in den kommenden Tagen und Wochen vielleicht das ein oder andere Tier mehr oder eben früher schlachten als geplant. Das zeichnet sich bereits ab. Deshalb bangt so mancher schon um seinen Weihnachtsbraten.
Große Geflügelbetriebe wollen sich nicht äußern
Die großen Zuchtbetriebe in der Oberlausitz halten sich bei diesem heiklen Thema bedeckt. Auf Anfragen wollen sich viele Betriebe derzeit nicht äußern und bitten um Verständnis. Beim Geflügelhof Steinert in Diehsa ist man vorbereitet und rechnet über kurz oder lang mit einer Stallpflicht. Frank Zelyk aus Kemnitz bei Bernstadt erklärte Ende Oktober gegenüber Sächsische.de, dass er reagieren würde, sobald Änderungen eintreten.
Solange wolle er sein Geflügel auf dem Kemnitzer Berghäuserhof weiterhin im Freien laufen lassen. Die Eskilden-Gänsezucht etwa halte ihr eigenes Schutzkonzept ein. So seien die Zuchttiere geschützt vor Wildvögeln.
Rund 7300 Geflügelhalter in der Oberlausitz
In den Landkreisen Görlitz und Bautzen leben mehrere hunderttausend Tiere in Haltung. Es handelt sich zum großen Teil um kleinere Bestände. So erklärt der Landkreis Görlitz, dass es hier 3239 Halter mit jeweils bis zu 99 Tieren gibt: insgesamt 57.715 Hühner, Enten, Gänse und Puten. Dazu kämen 67 Halter mit je mehr als 100 Tieren. Im Kreis Görlitz gibt es demnach insgesamt 293.745 Vögel.
Im Landkreis Bautzen sind laut Angaben des Landratsamtes 3951 Geflügelhalter registriert. Dabei handelt es sich um 72 sogenannte gewerbliche Haltungen mit je über 100 Tieren und 3879 Kleinhalter, die weniger als 100 Tiere besitzen.
Davon seien die meisten Hobbyzüchter und Kleinsthalter mit je weniger als 30 Tieren. Das Landratsamt Bautzen werde mitteilen, wenn Hausgeflügel betroffen sein sollte.
SZ


