Penig/Trebsen. Die Papierfabrik Trebsen wollte bis 2028 mehrere Hundert Millionen Euro investieren – und verzichtet. Die Anschaffung einer zweiten Papiermaschine sollte den Standort an der Mulde sichern. 50 Flusskilometer aufwärts schreckt Mitte der Woche diese Hiobsbotschaft Penig auf: Die Papierfabrik dort, die als Deutschlands älteste gilt, wird im Jahreslauf geschlossen.
100 geplante zusätzliche Arbeitsplätze in Trebsen werden nicht geschaffen. 119 Jobs in Penig fallen weg. Die Papierbranche hat nicht nur in Sachsen aktuell einen schweren Stand. Das liegt nicht allein an den horrenden Energiepreisen. Und: Betriebsschließungen treffen auch andere in der Leipziger Region.
Seit 2018 wurden 25 Papiermaschinen stillgelegt
„Alle energieintensiven Industrien stehen massiv unter Druck. Das betrifft nicht nur die Papierbranche, sondern auch die chemische Industrie, die Glas- und Keramikherstellung, die Kunststoffverarbeitung“, sagt Felix Schultz, Sekretär der Gewerkschaft IGBCE in Leipzig.
Das Kürzel BCE steht für Bergbau, Chemie, Energie. Dass Ende Januar Continental ankündigte, seine beiden Standorte in Frohburg und Geithain im Jahresverlauf aufzugeben und 60 gut dotierte Arbeitsplätze zu streichen, passe in diesen Kontext. Schon vor zwei Jahren habe man die Arbeitgeber aufgefordert, gemeinsam konzentriert auf die Politik einzuwirken: „Sie haben uns dabei nicht unterstützt.“
Dass die deutsche Papier- und Zellstoffindustrie unter Druck stehe, bestätigt Marilena Hantke, Sprecherin des Vereins Die Papierindustrie, dem industriellen Spitzenverband der deutschen Zellstoff- und Papierhersteller.
„Gestiegene Energiekosten und Überregulierung belasten die Hersteller von Zellstoff, Papier, Karton und Pappe stark. Anlagen stehen vor der Schließung und Papiermaschinen werden stillgelegt.“
Zwischen 2018 und 2023 seien in Deutschland 25 Papiermaschinen stillgelegt und 16 Produktionsstandorte ganz geschlossen worden. In Sachsen wurden Hantke zufolge in diesem Zeitraum 90 Mitarbeiter abgebaut, 40 Mitarbeiter in andere Unternehmen übernommen.
Die Zahl der gestrichenen Stellen steige durch die Werksschließung in Penig deutlich an. Aktuell beschäftigen die Mitglieder des Branchenverbandes mehr als 46.000 Menschen unmittelbar, so die Sprecherin: „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette Papier sichert die Papierindustrie über 500.000 Arbeitsplätze.“
Bürgermeister: Firma will den Markt bereinigen
Von einer „niederschmetternden Botschaft“ spricht der Peniger Bürgermeister André Wolf (CDU). Die Papierfabrik in der Kleinstadt in Mittelsachsen geht auf eine seit 1537 produzierende Papiermühle zurück. Die 119 Beschäftigten stellen vor allem Dekorpapiere und Papier aus recycelten Fasern her. Jahreskapazität: 30 000 Tonnen. Eigentümer ist die Felix Schoeller Holding mit Sitz in Osnabrück. Sie betreibt Fabriken in Europa, Asien, Nordamerika – und in Weißenborn im Erzgebirge.
Die Mitarbeiter werden eiskalt abserviert. – André Wolf, Bürgermeister Penig
Das Unternehmen begründet die Schließung des Werks mit schwacher Konjunktur und dem Druck des Marktes. Der Bürgermeister will das so nicht stehen lassen. Er habe Schoeller Unterstützung bei der Suche nach Investoren angeboten, um die Produktion in Penig zu retten. „Reaktion darauf war die Klarstellung, dass jedweder Verkauf der Papiermaschine an Dritte ausgeschlossen wird“.
Es sei eine strategische Entscheidung des Managements, die Produktionskapazität aus dem Markt zu nehmen. Wolf ist empört: „Nachdem das Team im Werk Penig Jahrzehnte starke Leistungen abgeliefert hat, wird es nun eiskalt abserviert.“

Quelle: Thomas Kube
Trebsener Fabrik verzichtet auf zweite Maschine
Konnte sich die Branche nach der Corona-Pandemie kurz stabilisieren, folgte 2023 ein Einbruch, heißt es im aktuellen Leistungsbericht des Verbandes. „Die Produktion ging 2023 um 14 Prozent auf 18,6 Millionen Tonnen zurück. Sie sank damit auf den niedrigsten Wert der letzten 20 Jahre.“
Das sei ein Indikator für die allgemeine Konjunktur. „Die Rückgänge bei Druck und Verpackung zeigen deutlich die gegenwärtige Wirtschaftsschwäche und die schwierigen Marktbedingungen am Standort Deutschland.“
Die Julius Schulte Trebsen GmbH & Co. KG zieht daraus ihre Konsequenz. Sie investierte bereits mehrere Millionen Euro in ihr Projekt „Vision 700“. Eine zweite, innovative und klimaneutrale Papiermaschine sollte aufgebaut werden. Zusätzliche Gebäude und Anlagen sollten entstehen, 100 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Pläne wurden über Jahre intensiv und durchaus kontrovers in Trebsen diskutiert. Ein Aktionsbündnis hatte gegen die Erweiterung des Werks mobilisiert.
Die Unterlagen für ein Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzgesetz reichte das Unternehmen im vergangenen Sommer ein. Kurz vor Weihnachten der überraschende Stopp: „Die fehlenden, langfristig verlässlichen Rahmenbedingungen für eine so bedeutende Investitionsentscheidung haben uns dazu bewogen, unsere Investitionspläne zu überdenken und das Projekt zu beenden.“
Energiekosten stellen hohe Belastung dar
Die Betriebsleitung wurde noch konkreter: „Die hohen Energiekosten in Deutschland, die im Zuge der Energiewende weiter steigen werden, stellen eine erhebliche Belastung dar. Hinzu kommen die gestiegenen Baukosten und die allgemeine wirtschaftliche Lage, die sich bereits stark auf die Verpackungsmittelindustrie auswirkt.“
Das Unternehmen stellt Wellpappenrohpapier und Spezialpapiere her. Es beschäftigt 137 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Jahresumsatz 2023 betrug 80 Millionen Euro.
Bundespolitik ist am Zug
Drei zentrale Forderungen formuliere der Verband Papierindustrie vor der Bundestagswahl, sagt Sprecherin Marilena Hantke: Bezahlbare Energie durch Senkung der Strom- und Energiepreise. Bürokratieabbau. Stärkung der Kreislaufwirtschaft durch Anerkennung von Altpapier als Rohstoff plus sicherer und fairer Zugang zu Wasser.
Die Gewerkschaften ihrerseits sind ebenfalls nicht untätig. Um eine neue Bundesregierung auf die alarmierende Situation für viele Industriebereiche aufmerksam zu machen, sagt Felix Schultz, planten die Gewerkschaften – voran die IG Metall und die IGBCE – in Leipzig eine große Kundgebung. Sie soll am 15. März auf dem Augustusplatz stattfinden.