Stephan Schön
Eine neue Methode zur Herstellung von Medikamenten wird jetzt in der Lausitz getestet. Es geht um Green Pharming, ein auf Pflanzen basierendes und CO₂-neutrales Verfahren, um lebenswichtige Medikamente zu bekommen, berichtet TU-Professor und Arzt Ali El-Armouche der SZ. Er ist Direktor des Instituts für klinische Pharmakologie der TU Dresden und leitet das Projekt Green Pharming.
Es geht um nicht weniger, als eine neue Art der Wirkstoffgewinnung. Dies kann der Anfang einer völlig neuen Wertschöpfung und damit für Jobs in der Lausitz sein. Green Pharming soll zunächst bereits bekannte Wirkstoffe, die bereits am Markt sind, nachhaltiger herstellen. Später aber auch neue Medikamente für weitere schwere Erkrankungen produzieren. Vor allem neue Krebsmedikamente.
Eine neue pharmazeutische Industrie
Im Industriegebiet Schwarze Pumpe an der brandenburgisch-sächsischen Grenze entsteht dafür derzeit eine Versuchsfarm. Bis Januar soll das erste Gewächshaus stehen. Die ersten Pflanzen ziehen dort im Frühjahr ein, kündigt TU-Professor El-Armouche an. „Es geht darum, den prinzipiellen Nachweis zu erbringen, dass Pflanzen die benötigten therapeutischen Stoffe in ähnlicher Qualität erzeugen können, wie es bisher nur mit tierischen Zellen möglich ist.“ Solche Antikörper, wie sie für die Krebsbekämpfung immer mehr an Bedeutung gewinnen, werden bisher in großen Bioreaktoren mit Zellen von Säugetieren produziert.
Qualitativ besser, ohne die Verwendung von Tieren, mit weniger Nebenwirkungen für den Patienten und letztlich preiswerter sollen diese Medikamente künftig von der genetisch veränderten Australischen Tabakpflanze produziert werden. Diese, und das ist seit längerem bekannt, eignet sich für die genetische Veränderung und Wirkstoffproduktion besonders gut. Sie ist zudem vergleichsweise anspruchslos was deren Haltung betrifft.
Grüne Gentechnik verändert Pflanzen so, dass sie besser schmecken, besser aussehen, resistent werden, mehr Ertrag bringen. Das ist es hier nicht. „Es geht nicht darum, die Pflanze für egoistische Zwecke zu optimieren, sondern sie als Pharmafabrik zu nutzen. Wir produzieren hier lebenswichtige Medikamente. Die Pflanze ist für uns die Produktionstechnologie der besseren Wahl, verglichen mit den Säugerzellen wie bisher.“
Medikamente wachsen im Gewächshaus
Es gibt dabei keine Veränderung der Pflanzensamen, sondern nur der Pflanzen an sich. „Das geschieht völlig isoliert von der Umwelt im Gewächshaus.“ Um dieses herum wird nochmals ein Gebäude errichtet. Nach der Ernte soll zudem die verbleibende Biomasse noch genutzt werden. Auch dies ist Teil des Projekts. „Wir ernten das Protein da heraus. Die verbliebene Biomasse wird zur Energiegewinnung für diese automatisierten Gewächshäuser verwendet.“
Grüne Gentechnik verändert Pflanzen so, dass sie besser schmecken, besser aussehen, resistent werden, mehr Ertrag bringen. Das ist es hier nicht. „Es geht nicht darum, die Pflanze für egoistische Zwecke zu optimieren, sondern sie als Pharmafabrik zu nutzen. Wir produzieren hier lebenswichtige Medikamente. Die Pflanze ist für uns die Produktionstechnologie der besseren Wahl, verglichen mit den Säugerzellen wie bisher.“
Die ersten Laborversuche der Dresdner Uni-Medizin waren erfolgversprechend. Unter Leitung von Karin Fester, Professorin für Pharmazeutische Biotechnologie der Hochschule Zittau/Görlitz, werden die Pflanzen nun fürs Gewächshaus tauglich gemacht. Die Verfahrens- und Umwelttechnik der TU Dresden indes entwickelt und baut die Sensorik und Steuerung für das Versuchsgebäude in der Lausitz. Bis Mitte 2026 soll damit der prinzipielle Nachweis erbracht sein, dass diese neue Biotechnologie auch außerhalb der Forschungslabors funktioniert.
Lebensnotwendige Wirkstoffe aus der Lausitz
„Wir haben die Ideen. Wenn uns der Nachweis praktisch gelingt, dann wäre eine neue Fertigung freilich der nächste Schritt. Dies ist eine echte Chance für eine neue Pharmaindustrie auf Pflanzenbasis in der Lausitz“, sagt Projektleiter El-Armouche. Das könnte die pharmazeutische Industrie grundlegend verändern und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.
„Lebensnotwendige Medikamente müssen wir künftig auch wieder in Europa herstellen. Unser Ziel ist diese, mit neuen, sauberen Technologien und nachhaltig herzustellen.“ Der Green Deal der Europäischen Union hat das Ziel, bis 2050 eine klimaneutrale Pharma- und Chemische Industrie zu etablieren. Und es geht auch darum, unabhängiger von Pharmalieferungen aus Indien und Asien zu werden. „Wir betreten hier Neuland in der Lausitz. Es gehört sehr viel Mut dazu. Wir trauen uns. Und wir hoffen natürlich, dass hier die Industrie aufspringt. Wenn dies aber groß wird, und davon gehe ich aus, muss ich hier wohl viele andere Dinge aufgeben.“