Leipzig. Der Wocheneinkauf kann jetzt einfach und ohne Mühe sein, zumindest versprechen sie das in der Welt der Lieferdienste. Die Kuriere liefern direkt an die Wohnungs- oder Haustür, ohne dass Kundinnen und Kunden schleppen oder in der Kassenschlange stehen müssen. Mit diesem Konzept haben Lieferdienste in den vergangenen Jahren den Handel auch in Leipzig auf den Kopf gestellt, und jetzt beginnt eine neue Phase im intensiven Wettkampf um die Kundschaft.
Nach Informationen dieser Zeitung treibt das Unternehmen Picnic seine Expansion in Sachsen voran. Für den Lieferanten von Lebensmitteln und Drogerieprodukten scheint Leipzig dabei eine Schlüsselrolle zu spielen. „Europas schnellst wachsender Online-Supermarkt kommt nach Leipzig“, heißt es seit Kurzem auf der Unternehmenswebsite. Dort kündigt Picnic zudem an, 500 neue Arbeitsplätze in Leipzig zu schaffen.
Picnic setzt auf elektrische Lieferfahrzeuge
Fest steht damit: Leipzigerinnen und Leipziger können sich darauf einstellen, dass neben den bekannten Fahrradkurieren bald elektrische Lieferfahrzeuge der Picnic-Flotte im Stadtgebiet unterwegs sind. Und die Kunden können sich allmählich an einen neuen Anbieter gewöhnen, der auf dem Massenmarkt für Lebensmittel mitmischen will.
Wann genau die ersten Picnic-Fahrzeuge durch Leipzig rollen, ist derzeit noch offen. Auf der Website sind für Leipzig derzeit mehrere Jobs ausgeschrieben, etwa im Logistikbereich. Auf Karriereportalen lassen sich zudem Jobs in Dresden und Chemnitz finden – das deutet darauf hin, dass Picnic auch dort den Markteintritt plant.
Picnic: „Sind in Sachsen noch am Anfang“
Picnic-Deutschland-Mitgründer Frederic Knaudt erklärte gegenüber dieser Zeitung: „Wir sind in Sachsen noch ganz am Anfang und rekrutieren derzeit das regionale Führungsteam, das die nächsten Schritte vorbereitet.“ Konkrete Details zum Zeitplan, der Anzahl der Stellen und den Standorten könne er derzeit noch nicht bekannt geben.

Quelle: Volker Herold
Einen großen Logistikstandort hat sich Picnic im Umkreis von Leipzig offenbar schon gesichert: In einer Logistikimmobilie in Kabelsketal (Saalekreis), die dem Investor Garbe Industrial gehört, steht Picnic eine Fläche von 22.000 Quadratmetern zur Verfügung, wie Adrian Zellner, Mitglied der Garbe-Geschäftsleitung, bestätigt. Genauere Informationen zum Bezug und zum Start des operativen Geschäfts seien ihm jedoch nicht bekannt.
Unternehmen liefert nach dem „Milchmann-Prinzip“
Dass Picnic nach Leipzig expandiert, überrascht den sächsischen Handelsexperten Erik Maier nicht. „Picnic verfolgt die Strategie, sich seit mehreren Jahren von den Niederlanden aus Richtung Osten und Süden auszubreiten“, erklärt Maier, Leiter der Professur BWL-Marketing an der TU Chemnitz. In den Niederlanden wurde das Unternehmen 2015 gegründet.
Das Alleinstellungsmerkmal von Picnic liegt in der besonderen Organisation der Lieferungen. Vom „Milchmann-Prinzip“ ist die Rede: „Genau wie der traditionelle Milchmann liefern wir zu festen Zeiten in deiner Nähe“, erklärt das Unternehmen.
Keine Gebühren für Lieferung
In der App können Kundinnen und Kunden bis zum Vortag der Lieferung bestellen, und am Liefertag wird ein 20-Minuten-Zeitfenster angegeben, in dem die Lieferung erfolgt.
Picnic wird es sicherlich gelingen, in Leipzig Kundinnen und Kunden zu gewinnen. – Erik Maier, Leiter der Professur BWL – Marketing an der TU Chemnitz
Die Lieferung ist kostenlos, allerdings muss der Bestellwert mindestens 40 Euro betragen. „Weil Picnic auf Lieferrouten nach dem ‚Milchmann-Prinzip‘ setzt, habe ich als Kunde zwar weniger Flexibilität – aber ich profitiere davon, dass die Lieferung schon ab einem relativ geringen Warenkorbwert gratis ist“, erklärt Maier. Zudem setzt das Unternehmen seine Ressourcen so effektiver ein und spart Geld.
Bei anderen kostet der Service: Bei Flink fällt unter 59 Euro Einkaufswert eine Gebühr von 2,49 Euro an. Rewe bringt den Einkauf ab einem Warenkorbwert von 120 Euro kostenlos nach Hause.

Quelle: Annika Dollmeyer
Stellt sich nur die Frage: Gibt es überhaupt noch Potenzial für Lieferdienste hierzulande – oder ist der Hype vorbei?
Nach dem Boom rutschte die Branche in eine Krise
Viele erinnern sich noch an die Corona-Pandemie, als Start-ups wie Gorillas und Flink den Markt betraten. Laut der Beratungsgesellschaft PwC Deutschland wuchs der Markt pro Jahr um 30 Prozent. Doch mit dem Abflauen der Pandemie 2022 stagnierte das Wachstum. Dazu kamen die wirtschaftliche Abkühlung, die hohe Inflation und die steigende Preissensibilität der Verbraucher. So stellte Gorillas den Betrieb in Leipzig ein und zog sich aus ganz Deutschland zurück.
Denn die Schnelllieferdienste stehen vor einem Problem: Sie verbrennen viel Kapital. Ihre Profitabilität ist kritisch, erklärt Experte Maier. Die Logistikkosten sind hoch, und Lebensmittel haben eine geringe Ertragsmarge. In Deutschland sind Konsumenten dafür bekannt, beim Einkauf sparsam zu sein.
Dass sich Picnic so schnell aus Leipzig zurückzieht wie Gorillas, hält Handelsexperte Maier für unwahrscheinlich. „Picnics Expansion ist weniger risikobehaftet: Sie erschließen neue Liefergebiete langsamer, und das Geschäftsmodell ist bereits bewährt.“
Für die Kunden könnte die Expansion von Picnic auch Vorteile haben: Es ist gut möglich, dass in Leipzig vermehrt Rabattaktionen angeboten werden, wenn der Wettbewerb der Lieferdienste wieder an Fahrt gewinnt.