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Polizei gerufen: Streiks bei Radeberger eskalieren weiter

Rund 70 Beschäftigte der Radeberger Brauerei sind am Montagmorgen erneut in den Arbeitskampf getreten. Sie fordern sieben Prozent mehr Lohn. Während der Kundgebung vor dem Betriebsgelände kam die Polizei dazu. Alle Hintergründe.

Lesedauer: 3 Minuten

Benjamin Woop und Verena Belzer

Radeberg. Die Warnstreiks bei sächsischen Brauereien reißen nicht ab. Zu Wochenbeginn hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) die Beschäftigten der Radeberger Brauerei erneut aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Seit Montagmorgen streiken rund 70 Beschäftige des Unternehmens vor dem Radeberger Betriebsgelände. Sie wollen erst am Dienstagabend zum Beginn der Nachtschicht wieder ihre Arbeit aufnehmen.

Das entspricht in etwa der Hälfte aller Kollegen in der Produktion. Die übrigen der insgesamt 250 Radeberger-Mitarbeiter am Standort sind in der Verwaltung beschäftigt. Zuletzt hatten die Mitarbeiter vor rund drei Wochen ihre Arbeit zwei Tage lang niedergelegt, davor hatte es Ende Juni einen vierstündigen Warnstreik gegeben.

Lohnlücke zwischen Ost und West

Hintergrund ist die aktuelle Tarifauseinandersetzung der Brauwirtschaft Sachsen-Thüringen. Die Gewerkschaft fordert sieben Prozent mehr Lohn und 100 Euro mehr für die Auszubildenden. Laut NGG klafft in der Branche nach wie vor eine Lohnlücke zwischen Ost und West.

Außerdem wird in Radeberg in Vollzeit 38,5 Stunden gearbeitet, in anderen Bundesländern zwischen 37 und 38 Stunden. Der Lohnunterschied beträgt den Angaben der Gewerkschaft zufolge über 4000 Euro im Jahr – ohne Zuschläge.

Arbeitgeberseite hat kein Angebot vorgelegt

Die Mitarbeiter der Radeberger Brauerei streiken für sieben Prozent mehr Lohn.
Die Mitarbeiter der Radeberger Brauerei streiken für sieben Prozent mehr Lohn.
Quelle: Matthias Rietschel

Nach wie vor kritisieren Gewerkschaft und Mitarbeiter, dass kein Angebot der Arbeitgeberseite vorläge. Und dass die Stimmung so langsam kippt, merkte man am Montagvormittag auf und vor dem Betriebsgelände deutlich.

Das Zusammentreffen zwischen Betriebsleitung und Gewerkschaft in den frühen Morgenstunden war dem Vernehmen nach ziemlich frostig und kurz. Der Bitte der Gewerkschaft, den Streik aus Sicherheitsgründen auf das Betriebsgelände zu verlegen, sei nicht entsprochen worden, berichtet Thomas Lißner. Er ist Geschäftsführer der NGG Region Dresden-Chemnitz.

Beim Streikrecht handelt es sich um ein grundlegendes Recht der Arbeitnehmer. – Stefan Heiduck; Pressesprecher der Polizeidirektion Görlitz

„Hier fahren ständig Lastwagen rein und raus“, sagte Lißner. „Wir wären gerne auf den kleinen Parkplatz rechts hinter dem Pförtnerhäuschen gezogen.“ Das jedoch sei untersagt worden – und so blieben die Streikenden wie vor drei Wochen außerhalb des Betriebsgeländes und postierten sich mit ihren Bannern und Fahnen im Nieselregen auf dem Fußweg an der Dresdener Straße.

Betriebsleiter der Brauerei ruft die Polizei

Und kurz darauf stießen sowohl die Ordnungsamtsleiterin der Stadt Radeberg als auch Polizeibeamte zur Streikversammlung. Offiziellen Angaben der Pressestelle der Polizeidirektion Görlitz zufolge war es der Betriebsleiter der Radeberger Brauerei, der die Ordnungshüter gerufen hatte.

„Die Kräfte des Polizeireviers Kamenz wurden telefonisch über eine Störung der Lieferfahrzeuge informiert. Ursache der Störung sollte eine Streikkundgebung sein“, berichtet Stefan Heiduck, Pressesprecher der Polizei. Was die Beamten vor Ort jedoch erlebten, habe sich „geordnet und ruhig“ dargestellt. „Gemeldete Störungen von Zulieferern konnten im Zeitraum der Anwesenheit nicht festgestellt werden.“

Die Polizei stellt auch grundsätzlich fest: „Beim Streikrecht handelt es sich um ein grundlegendes Recht der Arbeitnehmer, um ihre Interessen gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen“, erläutert der Pressesprecher. „Derzeit sind keine strafrechtlich relevanten Sachverhalte bekannt. Demnach werden derzeit auch keine Ermittlungen durchgeführt.“

Dass der Betriebsleiter die Polizei gerufen habe, kam indes bei den streikenden Mitarbeitern nicht gut an. „Respektlos“ und „Verhalten wie im Kindergarten“, nannten einige Beschäftigte die Aktion. Thomas Lißner von der NGG sagte: „Für uns ist das ein Nebenkriegsschauplatz. Was wir fordern, ist ein angemessenes Tarifangebot des Unternehmens.“

Unternehmen kritisiert „unrealistische Forderungen“

Ob es dazu kommt, wird sich zeigen. Die Radeberger Brauerei reagierte am Montag mit einer offiziellen Stellungnahme. „Wir haben von den Streikplänen der NGG vorrangig erstmals aus den Medien und somit erst sehr kurzfristig erfahren, insofern war eine Vorbereitung auf den nun gestarteten Streik kaum möglich“, sagt Pressesprecher Hendrik Wagner. „Daher trifft uns diese, gezielt auf unternehmerischen Schaden ausgelegte Maßnahme natürlich.“

Eine Tarifforderung, die die Realitäten des Marktes völlig ignoriert. – Hendrik Wagner; Pressesprecher der Radeberger Brauerei

Das alles ändere aber nichts an der Antwort des Unternehmens an die Arbeitnehmervertreter: „Eine viel zu hohe Tarifforderung, die die Realitäten des Marktes völlig ignoriert, bleibt auch im Lichte wiederholter und mehrtägiger Streiks genau das: eine viel zu hohe Forderung, die uns einem Tarifabschluss nicht näher bringt.“ Da der deutsche Biermarkt absatzseitig aktuell bei einem Minus von nahezu sieben Prozent stehe, könnten Löhne nicht um sieben Prozent steigen, „das dürfte sich eigentlich jedem erschließen“.

Man sei weiterhin offen für einen „vernünftigen Tarifabschluss, der Marktgegebenheiten einpreist“. Doch dazu müsse sich die Arbeitnehmerseite „zwingend bewegen und von unrealistischen Forderungen Abstand nehmen“.

Die nächsten Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sind für den 14. August vorgesehen. Eine vierte Streikwelle vor diesem Termin sei nicht ausgeschlossen, sagt die Gewerkschaft NGG.

SZ

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