Von Jana Mundus
Dresden. Die Medizin wird digital. In unserer technisierten Welt sollen digitale Lösungen die Gesundheitsversorgung verbessern. Sie analysieren Patientendaten, unterstützen Diagnosen und machen Therapien individueller, schneller und kostengünstiger. Um diese Chancen zu nutzen, müssen jedoch zwei zusammenarbeiten, die oft nicht die gleiche Sprache sprechen: Medizin und Ingenieurwissenschaften. Ärzte kennen die Probleme ihrer Patienten, Ingenieure bringen das technische Know-how mit, um Behandlungen zu verbessern. Wie lässt sich dieses Wissen also verbinden? Dafür braucht es Menschen, die übersetzen und vermitteln. Nora und Moritz Herzog tun genau das mit Leidenschaft.
In einem Mietshaus aus dem 19. Jahrhundert in der Dresdner Johannstadt befinden sich die Büros des Start-ups ConnCons. Das Gebäude atmet Geschichte, doch drinnen dreht sich alles um die Zukunft: intelligente Lösungen für die Medizin von morgen. Seit 2023 ist Nora Herzog Chief Medical Officer des Unternehmens, seit 2024 zudem Prokuristin.
Für das gemeinsame Interview ist ihr Mann Moritz mit ins Büro gekommen. Eigentlich leitet er eine Forschungsgruppe am Else Kröner Fresenius Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ) und arbeitet als Assistenzarzt am Universitätsklinikum Dresden. Zuvor haben sie ihre beiden Kinder, fünf und drei Jahre alt, in die Kita gebracht. Die Balance zwischen beruflichem Erfolg und Familienleben meistert das Paar gemeinsam. „Die Elternzeiten haben wir so aufgeteilt, dass wir beide für die Kinder da sein konnten und auch beide die Chance hatten, uns beruflich weiterzuentwickeln“, erzählt der 30-Jährige.
Innovative Infusionspumpe macht Chemotherapie einfacher und sicherer
Kennengelernt haben sie sich beim Medizinstudium an der TU Dresden. Nora hatte lange überlegt, Maschinenbau zu studieren, entschied sich dann aber für die Medizin. Im Studium wuchs ihre Enttäuschung über den fehlenden technologischen Fortschritt in Praxis und Lehre. „Wir hatten das Gefühl, dass Technologie und Medizin in getrennten Welten leben, die dringend verbunden werden müssen“, sagt sie. Der umständliche Umgang mit Daten in vielen Kliniken kostet Zeit, vieles läuft manuell und belastet das ohnehin überarbeitete Personal. Es muss sich etwas ändern.
Mit dieser Überzeugung gründeten sie 2018, kurz vor Studienende, das Clinicum Digitale. Ihr Ziel: eine Plattform, die Mediziner, Ingenieure und Informatiker zusammenbringt. Sie wollten junge Menschen für die Herausforderungen der digitalen Medizin sensibilisieren und ihnen Einblicke in andere Disziplinen geben. Anfangs organisierten sie alles selbst. „Es war anstrengend, aber wir haben gesehen, wie viel Begeisterung und neue Ideen entstehen, wenn Menschen wirklich ins Gespräch kommen“, erinnert sich die 33-Jährige. Heute ist das Clinicum Digitale des EKFZ eine professionelle Springschool, die jährlich 50 Studierende und junge Forschende aus ganz Deutschland nach Dresden zieht. „Wir kennen einige, die danach eine Karriere in der Medizintechnik begonnen haben“, sagt Moritz.
Seine Frau versteht diesen Schritt gut. Als Ärztin in einer Klinik sah sie sich nicht. Sie liebt es, Projekte anzustoßen, Neues zu schaffen und täglich den Spagat zwischen Medizin und Technologie zu meistern. „Der Job bei ConnCons passt perfekt zu mir“, sagt sie. „Es ist immer noch verrückt, dass ich für diese erfüllende Aufgabe auch noch bezahlt werde.“ Als sie begann, waren sie zu acht. Heute zählt das Team 18 Köpfe. Das Start-up entwickelt etwas, das die Chemotherapien für Krebspatienten weltweit einfacher und sicherer machen soll. Mit moderner Technik wollen sie die Infusionspumpe, die die hochtoxischen Medikamente in den Körper der Patienten leitet, intelligenter machen. „Derzeit muss eine Pflegekraft ständig die individuell festgelegten Medikamente anhängen und zwischendurch Spüllösungen anschließen.“ Die Pumpe von ConnCons steuert die Infusionen und Spüllösungen künftig präzise, passt die Geschwindigkeit anhand der Patientendaten an und überprüft über eine integrierte Datenleitung, ob das richtige Medikament verabreicht wird. Diese Automatisierung verschafft dem Pflegepersonal wieder mehr Zeit für die Patienten. „Für ein aufmunterndes Gespräch bleibt heute keine Zeit, weil ständig irgendeine Pumpe neu bestückt werden muss.“
Neuartiger Ultraschall für bessere Bilder und genauere Diagnosen
Während Nora Herzog erzählt, wirft ihr Mann gelegentlich ein Detail ein. Er weiß genau, worum es geht. Wird es nicht irgendwann zu viel, wenn die Arbeit auch zu Hause ständig Thema ist? „Für uns nicht“, sagt er lachend. „Wir lieben, was wir tun. Und wenn wir bei der Arbeit auf ein Problem stoßen, hilft es, darüber zu sprechen.“ Seit 2020 leitet er die Forschungsgruppe HybridEcho, die den medizinischen Ultraschall neu definieren will. Ingenieure, Informatiker und Mediziner arbeiten dort zusammen. Sie kombinieren traditionelle piezoelektrische Elemente, wie sie in aktuellen Ultraschallgeräten verwendet werden, mit moderner Halbleiter-Technologie. Diese Verbindung ermöglicht eine deutlich höhere Bildauflösung und eine bessere Diagnosefähigkeit – selbst bei tief liegenden Gewebestrukturen oder winzigen Veränderungen. „Wir vereinen das Beste aus beiden Welten“, sagt er. Ziel ist es, Ultraschallgeräte kompakter, handlicher und effizienter zu machen. Die Gruppe verbessert auch die Verarbeitung und Übertragung der riesigen Datenmengen, die bei Ultraschalluntersuchungen anfallen.
Wahrscheinlich wird aus Hybrid-Echo eines Tages auch ein Start-up. Wohin führt Moritz Herzogs Weg dann – in die Forschung oder die Wirtschaft? „Das entscheide ich später“, sagt er. Bis dahin arbeiten beide in ihren Jobs weiter an einem großen Ziel: einer modernen Medizin, in der Technologie nicht nur Werkzeuge bietet, sondern Menschen entlastet und heilt. Sie wissen, dass Innovation Zeit, Ausdauer und die Kunst verlangt, Welten zu verbinden. Nora und Moritz Herzog schlagen solche Brücken – zwischen Medizin und Technik, Forschung und Praxis, Familie und Beruf.