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Produktionsschulen: Nach Wehlen kämpft jetzt Heidenau um seine Zukunft

Die etwas anderen Schulen helfen jungen Leuten, die es mit den anderen Schulen schwer haben. Alle zwei Jahre geht es um die öffentliche finanzielle Förderung - und um die Frage, wie viele solcher Schulen gebraucht werden. Das vorläufige Ergebnis: 38 junge Leute wissen nicht, wie es weitergeht.

Lesedauer: 3 Minuten

Man sieht einen Schild von "Sprosse", eine Produktionsschule in Heidenau
Eine von derzeit vier Produktionsschulen im Landkreis, die es künftig nicht mehr geben soll: die "Sprosse" in Heidenau. Quelle: Karl-Ludwig Oberthuer

Heike Sabel

Heidenau. Produktionsschulen verbinden Schule und Produktion. Hier erhalten Jugendliche, die mit dem „normalen“ Schulsystem Probleme haben, eine zweite Chance. Oft haben sie die Schule abgebrochen. In den Produktionsschulen können sie innerhalb von maximal 24 Monaten den Schulabschluss nachholen und gleichzeitig Grundlagen für einen späteren Beruf erlernen. Das gelingt nicht immer, aber oft.

Im Landkreis gibt es derzeit vier solche Schulen – das „Stellwerk“ der Arbeiterwohlfahrt in Stadt Wehlen, den Hofladen in Heidenau vom CJD, das „Ambos“ von der AMS GmbH in Dippoldiswalde/Freital sowie die „Sprosse“ in Heidenau. Die vier Schulen sind fast ein Drittel aller in Sachsen. Die Heidenauer AMS-Schule wurde 2023 gegründet, ist damit die jüngste und einzige Schule in Trägerschaft einer GmbH – und die, die ab 2025 keine Förderung mehr bekommt. Sie kämpft nun wie Ende 2022 die Wehlener um ihre Zukunft – und die von 38 jungen Leuten.

Zehn Prozent Schulabgänger ohne Abschluss

Die Förderung muss alle zwei Jahre beantragt werden. Sie besteht aus 90 Prozent vom Land und 10 Prozent vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Entscheidend ist die Zusage des Landkreises, ohne die gibt es die 90 Prozent nicht. Alle vier Schulen bewarben sich im Frühsommer 2024 für die nächsten zwei Jahre. Teil des Antrages ist die Stellungnahme des Landkreises, mit der die Zahlung der 10 Prozent verbunden ist. Genau diese Stellungnahme bekam die AMS für Heidenau nicht, sagt Geschäftsführer Norbert Rokasky.

Der Landkreis habe den Bedarf ermittelt, sieht ihn nur für maximal drei Produktionsschulen und die unterstützt er. Konkrete Zahlen nennt das Landratsamt nicht. Die AMS hat im Oktober eigenen Aussagen zufolge 38 Produktionsschüler in Heidenau, begonnen wurde mit zwei im März 2023. Die geforderten mindestens 24 wurden mit 25 erstmals im Juli 2023 erreicht. Der Bedarf an Produktionsschulen ist nach wie vor hoch und wächst, sagt ihr Bundesverband. Seit vielen Jahren seien über 10 Prozent Schulabgänger ohne Abschluss und viele bis 29-Jährige ohne Berufsabschluss. An genau diese wenden sich die Produktionsschulen.

AMS erkämpfte sich Schule mit drei Bedingungen

Die AMS hatte für 2023 zunächst Fördermittel erhalten sollen – statt der Wehlener. Das wurde dann revidiert und die AMS erkämpfte sich ihre Heidenauer Schule bei der Sächsischen Aufbaubank. Dafür musste sie drei Bedingungen erfüllen: Bedarf nachweisen, Teilnehmer dürfen nicht aus dem Landkreis kommen und die zehn Prozent, die sonst der Landkreis zahlt, muss sie selbst zahlen. Erstens fiel Geschäftsführer Rokasky nicht schwer, zweitens auch nicht, weil die AMS ihren Ursprung in Dresden hat, dort gut vernetzt ist und sich der Heidenauer Standort unweit von S-Bahn und Bus-Haltestelle befindet und so gut erreichbar ist. Für die zehn Prozent, die 80.000 Euro ausmachen, nahm die GmbH einen Kredit auf. Damit war der Landkreis in Heidenau von Anfang nicht einbezogen und sieht, weil die Teilnehmer hier nicht aus dem Landkreis kommen, keinen Bedarf.

Rokasky sagt, die Teilnehmer könnten genauso gut aus dem Kreis kommen. Erst dieser Tage habe man eine Anfrage aus Altenberg erhalten. Der Bedarf scheint die entscheidende Frage, die ohne konkrete Zahlen nicht zu beantworten ist. „Grundsätzlich steht es im Landkreis jedem Träger frei, eine Produktionsschule zu gründen“, sagt die Beigeordnete des Landrates, Kati Kade (CDU). Der Landkreis unterstütze Initiativen, die jungen Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. Doch mitfinanziert werden nur die drei, für die man Bedarf sieht.

Bundesverband: Förderung bis Schuljahresende wichtig

Der Bundesverband der Produktionsschulen fordert institutionelle Angebote auf Dauer statt kurzfristige Maßnahmen über zwei Jahre. „Die Politik erkennt nicht die umfassenden Bedarfe der Zielgruppe und setzt sich nicht ausreichend damit auseinander, trotz der seit Jahren bekannten Fakten wie Fachkräftemangel und hohen Schulabbruchquoten“, sagt die Verbands-Geschäftsführerin Maelene Lindgren. Die unzureichenden und unklaren Finanzierungen schaffen permanente Unsicherheit bei Jugendlichen, Kooperationspartnern und Mitarbeitern der Schulträger. „Viele Mitarbeitende bei Freien Trägern im sozialen Bereich sind froh, wenn der Job zwei Jahre verlängert wird.“

„Am kritischsten ist es für die zwölf Teilnehmer, die auf den Hauptschulabschluss im Frühjahr vorbereitet werden.“

Norbert Rokasky – Chef der Produktionsschule „Sprosse“ in Heidenau

Vor dieser Situation steht jetzt die AMS in Heidenau. Die „Sprosse“ hat vier Mitarbeiter. Aufgrund der Sozialauswahl müsse vier Mitarbeitern der GmbH gekündigt werden, die an anderer Stelle fehlen, sagt Rokasky. Für sie und die 38 Produktionsschüler ist am 31. Dezember 2024 Schluss, wenn es keine Lösung gibt. Die „Sprosse“ nehme schon jetzt keine Teilnehmer mehr auf. Das wäre angesichts der Unsicherheit unverantwortlich, sagt Rokasky. „Am kritischsten ist es für die zwölf Teilnehmer, die auf den Hauptschulabschluss im Frühjahr vorbereitet werden.“ Ob andere Schulen sie aufnehmen, ist offen. „Wer sich aufmacht, sein Leben zu gestalten und in einer Produktionsschule Perspektiven findet, sollte nicht ausgebremst werden, das kann fatale Folgen haben. Ich fände eine Weiterförderung auch bei nicht bewilligten Angeboten bis Ende des Schuljahres immens wichtig“, sagt Verbands-Geschäftsführerin Lindgren. Die AMS hat der Ablehnung widersprochen. Noch einmal könne man keinen Kredit aufnehmen, sagt Rokasky.

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