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Riesenantenne wird abgerissen

Lange wurde um die Landmarke an der A 4 bei Wilsdruff gerungen. Nun bekommt der Besitzer seinen Willen.

Lesedauer: 3 Minuten

Der Mittelwellensender Wilsdruff ist seit mehr als 65 Jahren ein Wahrzeichen von Wilsdruff. Nicht nur die Wilsdruffer bekommen heimatliche Gefühle, wenn sie auf der Autobahn A 4 fahrend zum ersten Mal den Mast erspähen. Ähnlich geht es den Dresdnern und anderen Bewohnern des Elbtals. Nun steht fest: Die 153 Meter hohe, rot-weiß lackierte Landmarke wird in diesem Jahr verschwinden. Das bestätigen die Stadt Wilsdruff und der Besitzer der Sendeantenne, die Media Broadcast GmbH. Das Landratsamt Pirna, das den Abriss genehmigte, hat bis Mittwochnachmittag nicht auf eine Anfrage reagiert.

Eine mögliche Nachnutzung des 2013 stillgelegten Senders sei geprüft worden, versichert Holger Crump, Sprecher der Media Broadcast. Doch aufgrund der technischen Beschaffenheit ist der Antennenmast für andere Funknutzungen wie UKW, DAB+ oder Mobilfunk nicht geeignet. "Der Mast ist kein Antennenträger", so Crump.

Angebot ausgeschlagen

Obwohl die Anlage nicht mehr genutzt wird, verschlingt sie Geld. "Die jährlichen Kosten liegen im sechsstelligen Euro Bereich", sagt Crump. "Hinzu kommen Kosten im umgerechnet fünfstelligen Bereich pro Jahr für Wartung und Instandhaltung sowie für turnusmäßige Bauwerksprüfungen." Das sei viel Geld.

Doch so einfach war es nicht, eine Abrissgenehmigung zu bekommen. Weil die Bauten als frühe Zeugnisse der DDR-Architektur gelten und aufgrund ihrer gestalterischen Qualität und Ursprünglichkeit eine baukünstlerische Bedeutung haben, wurde die Anlage unter Denkmalschutz gestellt. Das Landratsamt tat sich offenbar sehr schwer, diesen aufzuheben und den Abriss zu genehmigen. Der Media Broadcast dauerte es jedenfalls zu lange. Wie Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother (CDU) in der jüngsten Stadtratssitzung erklärte, verklagte das Unternehmen den Landkreis wegen Untätigkeit. Der Fall landete vor Gericht. Anfang Dezember trafen sich die beteiligten Seiten vor dem Verwaltungsgericht in Dresden. Dort erklärte sich der Landkreis zusammen mit dem Innenministerium bereit, Geld für den Erhalt des Mastes zu zahlen. Wie Rother weiter informierte, seien dem Unternehmen 250 000 Euro geboten worden. Im Gegenzug verlangten Landkreis und Ministerium, dass der Mast noch 15 Jahre stehen bleiben soll.

Zu hohe Kosten

Doch die Media Broadcast habe das Angebot abgelehnt, so Rother. Das Unternehmen habe das nicht nur mit den hohen Kosten begründet, sondern auch damit, dass dort keine Einnahmen erzielt werden könnten. Rother zeigte Verständnis für die Position. Schließlich gebe es am Mast – anders als beim Dresdner Fernsehturm – kein Turmcafé. Weil das Gericht dem Landkreis und dem Ministerium andeutete, dass die Klage des Unternehmens erfolgreich sein werde, gab der Landkreis nach und genehmigte den Abriss. Damit will die Media Broadcast nun so schnell wie möglich beginnen. Der Mast soll noch 2019 abgerissen werden, so Sprecher Crump. Zuvor wolle man alle Auflagen erfüllen. Unklar ist, wie es nach dem Abriss auf der Fläche weitergehen wird.

Die Sache ist komplex, sagt Unternehmenssprecher Crump. Sein Unternehmen ist nur Besitzer der Antennenanlage. Der Sockel und das Gebäude, auf dem die Antenne steht, gehören der Deutschen Funkturm GmbH, die eine Tochter der Deutschen Telekom ist. Ein Dritter, den Crump nicht namentlich erwähnt, ist Besitzer des Grundstücks, auf dem die Antenne steht.

Erhalt des Denkmals In Wilsdruff löste die erteilte Abrissgenehmigung unterschiedliche Reaktionen aus. Bürgermeister Rother trug die neuste Entwicklung sehr sachlich vor. Kein Stadtrat zeigte Bedauern, bis auf Stadtrat Matthias Schlönvogt (Freie Wähler), der auch im Technikverein Sender Wilsdruff mitarbeitet. Schlönvogt bedauerte die Entscheidung. Ähnlich reagierte Harald Strehle, der den Verein als Stellvertreter leitet. "Es gibt keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun", sagt er. Sein Verein kämpfte über Jahre für den Erhalt des Denkmals, weil es nichts Vergleichbares mehr in Deutschland gibt.

Hoher historischer Wert Sowohl die interessante 1950er-Jahre-Architektur der Gebäude als auch die Landschaftsgestaltung des Gesamtobjektes und die Sendetechnik seien von hohem historischen Wert. Nach Vereinsangaben befinden sich im Hauptgebäude noch Senderöhren, riesige Kondensatoren und Schaltpulte. Zudem ständen dort noch zwei große U-Boot-Dieselmotoren. Diese dienten dem Sender als Notstromaggregate und stünden seit Jahrzehnten still.

Der Verein wollte daraus ein Museum machen. Eine Übernahme der Anlage könnte sich der Verein aber aus finanziellen Gründen nicht leisten, sagte Strehle. Er hofft, dass es dem Verein ermöglicht wird, wenigstens Teile der Technik zu bergen, um sie an anderen Stelle Technikfans zeigen zu können.

Zur Historie

Der Sender Wilsdruff wurde 1952/53 gebaut. Am 8. Mai 1954 ging er mit dem Programm des Landesstudios Dresden in Betrieb. Ab 1959 wurde von hier aus das Programm Radio DDR 1, ab 1978 auch der Berliner Rundfunk ausgestrahlt.

Vom 21. August 1968 bis zum 12. Februar 1969 wurde vom Sender das Programm Radio Vltava ausgestrahlt. Es richtet sich gegen die Reformbewegungen in der CSSR. Das Programm kam aus Berlin.

Von 1990 bis 1991 wird von Wilsdruff aus das Programm von Radio Aktuell ausgestrahlt. Ab 1992 wird MDR Info ausgestrahlt.

Am 30. April 2013 , 6 Uhr, endete die Mittelwellenübertragung von MDR Info. Der Sender wurde am 6. Mai 2013 eingestellt. 

 

 

Von Maik Brückner

Foto: Andreas Weihs

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