Ernährungsberatung, Rückentraining im Fitnesscenter oder Workshops zur Stressbewältigung – immer mehr Firmen entwickeln Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeiter. Das soll helfen, die Belegschaft fit zu halten, damit Mitarbeiter nicht länger aus gesundheitlichen Gründen ausfallen. Denn Ersatz zu finden, wird in vielen Branchen immer schwerer.
Präventionsmaßnahmen bis zu 500 Euro pro Mitarbeiter im Kalenderjahr sind steuerfrei, das steht ausdrücklich in Paragraf 3 Nr. 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Damit soll gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen die Förderung der Mitarbeitergesundheit gestärkt werden. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn sollte die geplante Änderung des Paragrafen im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2019 durchkommen, können die Präventionskosten nur noch dann von der Steuer befreit werden, wenn die Angebote von den Krankenkassen zertifiziert sind. Die Folge dürfte sein, dass kleinere Unternehmen wegen der Kostensteigerungen und des bürokratischen Aufwands für die Zertifizierung weniger in die Gesundheitsförderung investieren.
An diesem Mittwoch soll die Gesetzesänderung im Finanzausschuss des Bundestages abschließend beraten und einen Tag später vom Bundestag beschlossen werden. Die Zeit drängt, und Arbeitgeber wie Gewerkschaften laufen Sturm gegen die Gesetzesnovelle, auch der Arbeitgeberverband Nordostchemie. „Eigentlich soll es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums keine Einschränkungen bei der Steuerfreiheit der Gesundheitsförderung geben. Durch ungeschickte oder missverständliche Formulierungen wird es aber in der Praxis dazu kommen“, sagte Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Nordostchemie, der Sächsischen Zeitung.
Gerade für die Mitgliedsunternehmen in Ostdeutschland sei das Thema aufgrund der demografischen Entwicklung sehr wichtig. Laut Schmidt-Kesseler engagiert sich die Chemische Industrie „sehr stark“ für die Gesundheit ihrer Beschäftigten. „Wir brauchen eine Formulierung des Paragrafen 3 Nr. 34 EStG, die die Steuerfreiheit von Maßnahmen der Verhältnisprävention und der Verhaltensprävention regelt“, fordert die Hauptgeschäftsführerin.
Diskussionen um Definitionen
Die Verhältnisprävention setzt an den Arbeitsbedingungen an, also etwa bei der Arbeitsplatzgestaltung oder den Arbeitsmitteln, um Erkrankungen vorzubeugen. Bei der Verhältnisprävention geht es um Gesundheitsvorbeugung im Hinblick auf die Arbeitsplatzgestaltung, der Arbeitsstätte, die Arbeitsmittel und die sonstige Arbeitsumwelt. Die Verhaltensprävention bezieht sich dagegen auf das individuelle Verhalten des einzelnen Mitarbeiters im Zusammenhang mit seiner Arbeit.
Das Problem am vorliegenden Gesetzentwurf liegt nach Ansicht des Verbandes Nordostchemie und anderer Arbeitgeberverbände darin, dass die Maßnahmen zur Verhältnisprävention auch weiterhin ohne Siegel der Krankenkassen möglich sein werden. Für Maßnahmen der Verhaltensprävention wäre dagegen die Zertifizierung notwendig, damit die Finanzämter die Steuerbefreiung anerkennen. Viele Programme oder innovative Ansätze zur Gesundheitsvorsorge, die in Betrieben angeboten werden, würden jedoch nicht dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen. Und es könnten Jahre vergehen, bis eine Zertifizierung für sie vorliegen könnte.
„Im Ergebnis wird es zu Unsicherheit und Diskussionen um Definitionen kommen. Denn die Grenze zwischen Verhältnis- und Verhaltensprävention kann nicht in allen Fällen und für alle Maßnahmen sauber gezogen werden“, befürchtet Schmidt-Kesseler. Die Gefahr bestehe, dass „sicherheitshalber“ viele Maßnahmen unterbleiben werden oder nur noch auf Standardprogramme der Krankenkassen zurückgegriffen wird. Um das zu verhindern, „müssten die Worte ,und Zertifizierung’ aus dem Entwurf gestrichen werden“, fordert die Verbandsvertreterin.
Von Nora Miethke
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