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Sachsen braucht bald noch mehr Altenpfleger

Der Bedarf ist höher als bisher gedacht. Grund ist, dass viele Chefs in der Branche Teilzeitstellen bevorzugen.

Lesedauer: 3 Minuten

Dresden. Selbstheilungskräfte in der Pflegebranche: Sachsen könnte wenigstens einen Teil seines Fachkräftemangels dadurch beheben, dass vorhandene Teilzeitkräfte länger arbeiten dürfen. Das ergibt sich aus einer neuen Studie zum Pflegearbeitsmarkt in Sachsen, geschrieben von Forschern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit.

IAB-Forscher Uwe Sujata weist darauf hin, dass der künftige Bedarf noch höher ist, als vor wenigen Wochen in Prognosen zu lesen war. Von 17 000 zusätzlichen „Vollzeitstellen“ in Sachsen bis zum Jahr 2030 war die Rede. Doch tatsächlich werden kaum Vollzeitstellen angeboten. In der Statistik werden Teilzeitstellen häufig zur Vereinfachung auf Vollzeitstellen umgerechnet. Die meisten Altenpflegerinnen haben aber Teilzeitjobs. Bleibt es dabei, werden laut Arbeitsagentur mehr als 21 000 Menschen benötigt, um Sachsens zusätzlichen Bedarf in der Pflege bis 2030 zu decken. Bei dieser groben Schätzung ist noch nicht der Ersatz für jene Pfleger berücksichtigt, die in den nächsten zwölf Jahren in Rente gehen oder den Beruf wechseln.

Laut Sujata muss die Politik dafür sorgen, Pflege bezahlbar zu machen – und zugleich attraktiver für Pflegekräfte. Altenpfleger in Sachsen bekamen voriges Jahr im Mittel 2 203 Euro im Monat, wenn sie eine Vollzeitstelle hatten. Zum Vergleich: In Deutschland insgesamt gab es über 500 Euro mehr, nämlich 2 744 Euro. Laut IAB ist das der Median, also das Gehalt, das von der Hälfte der Pfleger nicht erreicht, von der anderen Hälfte aber überschritten wird. Die Diakonie Sachsen als großer Arbeitgeber gibt ihr Basisgehalt mit 2 725,61 Euro an und zahlt 13 Gehälter im Jahr. Altenpflegehelfer bekommen wesentlich weniger: Der Median in Sachsen lag laut IAB voriges Jahr bei 1 691 Euro im Monat, in Deutschland bei 1 944 Euro für Vollzeitkräfte.

Fast 90 000 Sachsen arbeiten in der Alten- oder Krankenpflege, davon mehr als die Hälfte in Teilzeit. Laut IAB-Studie gibt es „zu wenige“ Vollzeitstellen, und diese bekommen häufig Männer. Von den Altenpflegerinnen arbeiten 88 Prozent in Teilzeit – wobei dieser Begriff nicht sehr klar ist, denn dazu zählen Halbtagsstellen ebenso wie Beschäftigungen, die nur wenige Stunden weniger als Vollzeit dauern. Etwa jede zweite dieser Teilzeitkräfte würde gerne in Vollzeit arbeiten, hat aber keine voll bezahlte Stelle gefunden. Bei manchen Frauen sind familiäre Pflichten oder eine Weiterbildung der Grund für die Teilzeit. Von den arbeitslosen Fachkräften in der Altenpflege ist jede vierte alleinerziehend, braucht also eine kinderfreundliche Arbeitszeit und eine passende Kita.

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Doch häufig ist es aus Sicht der Arbeitgeber praktischer, Teilzeit- statt Vollzeitkräfte einzustellen. Sachsens Diakonie-Chef Christian Schönfeld erklärte das vor kurzem im SZ-Interview: Viele Pflegeheime müssten ihr Personal „flexibel“ einsetzen können, weil sich der Bedarf rasch ändern könne. Die Einnahmen des Heims hängen davon ab, wie hoch der Pflegegrad der Bewohner ist. Schönfeld sagte: „Stirbt in einem Heim ein Bewohner, der zum Schluss einen Pflegegrad 5 hatte, und kommt danach einer mit Pflegegrad 2, gibt es Änderungen. Die Kasse sagt dann, es gibt nicht mehr denselben Personalbedarf wie vorher.“ Dann kann das Heim weniger Geld ausgeben. „Deshalb arbeiten viele Einrichtungen mit vielen Teilzeitkräften“, sagte der Diakonie-Chef.

Niedrige Teilzeit-Löhne sind kein guter Anreiz, einen Beruf zu wählen. In Sachsen dauerte es voriges Jahr durchschnittlich 153 Tage, freie Stellen für Altenpflegefachkräfte zu besetzen. Ein Grund für Sachsens Arbeitsagentur-Chef Klaus-Peter Hansen, in diesem Beruf von einem Fachkräftemangel zu sprechen – mit diesem Begriff hält er sich sonst zurück. Die Pflegebranche in Sachsen ist allerdings in den vergangenen Jahren stark gewachsen, auch stärker als in Deutschland insgesamt. In zehn Jahren gab es 45 Prozent Zuwachs, am stärksten im Mittelsachsen und im Kreis Meißen. Die Arbeitsagenturen gaben Geld zur Weiterbildung von rund 2 200 Sachsen, die damit in den vergangenen vier Jahren das Examen als Altenpfleger machten.

Das IAB rechnet damit, dass die Zahl der Sachsen in ambulanter und stationärer Pflege von rund 99 000 Ende 2015 auf mehr als 130 000 bis 2030 wächst. Für einzelne Landkreise ist die Prognose schwierig, denn wer in ein Heim zieht, bleibt dabei nicht unbedingt in seinem bisherigen Kreis. Die Pflege durch Angehörige wird wohl abnehmen, schreiben die Forscher – denn Pflegebedürftige haben heute weniger Kinder als früher, und die wohnen auch noch weiter entfernt von ihren Eltern.

Die Arbeitsagentur sieht zwar „keinen Königsweg“, aber zumindest viele Ansätze, um zu mehr Altenpflegern zu kommen. Außer längerer bezahlter Arbeitszeit schlägt sie den Unternehmen vor, Helfer zu Fachkräften zu qualifizieren. Laut Behördenchef Hansen gibt es bis zu 100 Prozent Zuschuss. Um den Beruf Altenpfleger attraktiver zu machen, setzt die Agentur auch auf Werbung mit dem Image als „Helden des Alltags“ und auf Arbeitsbedingungen, die sich nach dem Alter und nach Kindern richten. Die Werbung um Fachkräfte aus dem Ausland geht außerdem weiter – jetzt in Vietnam und in Mexiko.

 

von Georg Moeritz

Bildquelle: dpa

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