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Sachsen ist Vorletzter bei der Tarifbindung

Kaum jedes 6. Unternehmen in Sachsen regelt Löhne und Arbeitszeiten mit Gewerkschaften und nur gut jeder Zweite im Staatsbetrieb profitiert von einem Tarifvertrag. Der Unterschied beim Lohn ist erheblich.

Lesedauer: 2 Minuten

Ein Tarifstreiker steht mit einem Schild mit der Aufschrift "Tarif jetzt" vor dem Gesicht vor einem Haus.
Der DGB Sachsen fordert eine höhere Tarifbindung. Bei Lieferdiensten wie Lieferando ist die Durchsetzung wegen der hohen Fluktuation besonders schwer.

Von Michael Rothe

DresdenObwohl in Sachsen weniger Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren als vor fünf Jahren, hat der Freistaat den letzten Platz im Länderranking an Mecklenburg-Vorpommern abgegeben. Das geht aus neuen Daten des WSI-Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung für 2021 hervor. Danach hatten 42 Prozent der Mitarbeitenden Tarifbindung, nach 43 Prozent zwei Jahre zuvor und 51 Prozent zur Jahrtausendwende. Das Mittel betrug 52, bei Spitzenreiter Bremen 59 Prozent.

Noch gravierender ist der Rückgang bei den Unternehmen. In Sachsen regeln nur 15 Prozent der Betriebe Löhne, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen mit Gewerkschaften – wie der Chiphersteller Globalfoundries und die SKS Kontakttechnik, ein Hersteller von Elektro-Steckverbindungen in Niederdorf bei Chemnitz.

Für Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach ist das erwartungsgemäß „eindeutig zu wenig“. Wer für Fachkräfte aus dem In- und Ausland attraktiv sein wolle, müsse dafür sorgen, dass Tarifverträge Normalität werden, sagt der Gewerkschafter. Die Staatsregierung habe es selbst in der Hand, Sachsen durch Stärkung der Tarifbindung zum attraktiven Standort zu machen, etwa durch ein Vergabegesetz mit Tariftreue wie in den meisten Bundesländern. „Die CDU muss ihre Blockadehaltung endlich beenden“, fordert er.

„Wir stehen für starke Tarifpartnerschaft“, versichern CDU, SPD und Bündnisgrüne im Regierungsprogramm 2019-2024. „Unter dem Leitbild ,Gute Arbeit für Sachsen‘ setzen wir uns für die notwendige Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen ein. Dazu gehört weiterhin die Erhöhung der Tarifbindung“, so das Versprechen.

In Nachbarländern haben fast alle Tarifverträge

Tatsächlich hat der Freistaat selbst bei Unternehmen Nachholbedarf, die ganz oder mehrheitlich in seinem Besitz sind. Wie Sachsens Finanzministerium auf Anfrage bestätigt, sind von 14 Komplettbeteiligungen acht tarifgebunden – aber in Summe nur 400 der 5.000 Beschäftigten in Landesobhut tariflos.

In jüngerer Vergangenheit hätten die Leipziger Messe, der Flughafen Leipzig/Halle, dessen Mutterkonzern MFAG, der Ingenieurdienstleister List und die Sächsische Spielbanken GmbH Verträge geschlossen. Bei der Sächsischen Dampfschiffahrt erledigte sich das Problem durch Verkauf an die Schweizer United Rivers AG.

Ist die Wochenarbeitszeit von Betrieben mit und ohne Tarifvertrag mit 39,2 und 39,4 Stunden laut WSI ähnlich, so unterscheidet sich das Bruttomonatsentgelt mit 3.650 gegenüber 2.780 Euro erheblich.

Am Dienstag feierten die deutschen Gewerkschaften 150 Jahre Flächentarif. Doch die Forscher sehen eine andauernde Erosion. In Österreich, Frankreich und vor allem in Italien liegt die Tarifbindung bei nahezu 100 Prozent.

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