Dresden. Wer zwischen diesen Maschinen steht, hört viele Geräusche: Zischen, Rumpeln, Knattern – ab und zu warnt ein Piepton. Ein Schieber drückt Pflanzenfett voran. Verpackungsfolie läuft von der Rolle und wird automatisch um den Kilo-Würfel gefaltet. Im Dresdner Margarinewerk des belgischen Konzerns Vandemoortele arbeiten vier unterschiedliche Produktionslinien. 90 Menschen halten sie am Laufen.
Die Margarinewürfel Sana, Sonja und Marina kommen wie zu DDR-Zeiten aus der Fabrik an der Pirnaer Landstraße in Leuben. Allerdings nicht nur von dort. Andere Konzerne haben ebenfalls die Rechte an diesen Marken und dürfen sie herstellen, sagt Werksleiterin Chantal Mortier. Sie hat ihr Büro in der alten Direktorenvilla vorn am Parkplatz. Die Fabrikgebäude dahinter wurden 1993 erneuert, nachdem der belgische Lebensmittelkonzern den Betrieb gekauft hatte.
Margarine für Aldi und Lidl
Die DDR-Marken allein würden diese Fabrik nicht auslasten. Daher bekommen auch runde und eckige Plastebecher in Dresden ihre margarinegelbe Füllung. Sie tragen die Handelsnamen, die von den großen Supermarktketten vorgegeben werden. Später stehen sie zum Beispiel bei Aldi und Lidl in den Regalen, mit Aufschriften wie Bellasan oder Vita D‘Or, Ja oder Frisan. Sie werden aber auch in anderen Werken produziert.
Es stimmt also nicht, dass die Margarine mit den Discounter-Namen in derselben Fabrik hergestellt wird wie die teurere Markenmargarine aus der Werbung? Nein, sagt Werksleiterin Mortier. Das Dresdner Werk nutze unterschiedliche Rezepte, nach Wunsch der bestellenden Handelskonzerne. Die Qualitätskontrolle sei dieselbe wie bei Markenprodukten.

Quelle: Matthias Rietschel
Wer ins Margarinewerk will, muss sauber sein: Hände waschen genügt nicht. Sie werden auch desinfiziert. Die Mitarbeiter verweigern den Handschlag, auch die Chefin: Das sei wegen der Hygiene schon vor der Corona-Epidemie so üblich gewesen. Außerdem ist eine Haube über die Haare zu ziehen, für Bartträger enthält ein Spender am Eingang dünne Bartbinden. Eine Leuchttafel darüber zeigt die unfallfreien Tage an, über 330.
Im Operator-Raum sitzt ein Mann ohne Bartbinde vor sechs Bildschirmen. Von dort hat er den Überblick über die Bestände in der Fabrik, über den Aufschmelzbehälter und den Altfetttank. Die Diagramme zeigen Füllstände, Temperaturen und Inhalte. In drei Schichten wird gearbeitet, in der Reihenfolge Spät-, Früh- und Nachtschicht.
Margarine ist erst mal heiß und flüssig
Weiter geht es über Treppen in eine Zwischenetage. Es wird immer wärmer: Hier wird die Emulsion hergestellt, in Stahlbehältern auf gelben Fliesen. Margarine ist keine kalte Angelegenheit: „Sie ist erst mal flüssig, bei 50 bis 70 Grad“, sagt Mortier. Später wird das Produkt auf 25 oder 10 Grad heruntergekühlt, je nach Bedarf der Kunden. Das können auch Industriebetriebe sein, die das Fett bei unterschiedlichen Temperaturen verarbeiten.
Die jüngste Anlage im Werk schiebt Zehn-Kilo-Blöcke heraus. Ein Draht schneidet sie ab. Blaue Folie legt sich um die Riesenwürfel für die Industrie. Sie werden vielleicht in einer Großbäckerei für Blätterteig benötigt. Mehr als drei Millionen Euro hat das Unternehmen in die neue Anlage investiert.

Quelle: Matthias Rietschel
Dafür wurde eine andere Anlage stillgelegt, die flüssige Margarine in Flaschen abfüllte. Die Nachfrage danach sei zurückgegangen, sagt die Werksleiterin. Dieses Produkt werde aber noch in einer anderen der 29 Vandemoortele-Fabriken abgefüllt.
Der Bedarf an Margarine für die Industrie steigt, bei Konsumenten schrumpft er. – Chantal Mortier, Werksleiterin Vandemoortele Lipids Dresden
Für fast vier Millionen Euro hat das Dresdner Margarinewerk eine andere Anlage jüngst erneuert – eine Becherlinie, die 33 Jahre lang gelaufen war. Sie füllte 125 Margarinebecher pro Minute. Die neue fünfbahnige Linie schafft 180 Rundbecher oder 200 Rechteckbecher pro Minute. Außerdem kann sie statt Alu- auch Kunststofffolien über die Becher ziehen – es ist besser fürs Recycling, wenn gleichartige Materialien verwendet werden.

Quelle: Matthias Rietschel
In diesem Jahr soll die Dresdner Fabrik 41.000 Tonnen Margarine produzieren, wie voriges Jahr. 1970 waren es 15.000 Tonnen. Margarine ist ein Saisonprodukt, sagt Mortier: Zu Ostern und vor Weihnachten steigt der Bedarf. Im Sommer legt der Betrieb immer eine Produktionspause ein, um Kühlanlagen und Dampferzeuger gründlich zu reinigen.
Nachhaltiges Palmfett nur auf Kundenwunsch
Wichtigste Rohstoffe der Fabrik sind Fette und Öle, an erster Stelle Palmfett. Die Werksleiterin sagt, je nach Wunsch der Kunden werde auch „nachhaltig“ erzeugtes Palmfett eingesetzt. Dafür darf kein Urwald gerodet werden. Das sei allerdings teurer, schon weil es Nachweise brauche und getrennte Verwendung.

Quelle: Matthias Rietschel
Organisationsmanager Christian Schwamberger berichtet, dass in den vergangenen Jahren auch in die Gebäude investiert wurde, etwa in Umkleiden, Duschen und Büros. Wie viele Unternehmen bemühe sich auch Vandemoortele um neue Mitarbeiter, bilde aus und zahle nach Tarifvertrag. Eine Jahresarbeitszeit mit Stundenkonto erlaubt bis zu 100 Über- oder Unterstunden.
Wenn wenig zu tun ist, können Mitarbeiter nach Absprache an andere Betriebe verliehen werden – ans Dresdner Serumwerk oder nach Dommitzsch bei Torgau. Dort hat Vandemoortele 150 Beschäftigte. Sie stellen Teiglinge her, die vorgebacken in den Handel gehen. Die Nachfrage nach Margarine für die Industrie wächst, Haushalte brutzeln immer weniger.
SZ