Schlegel. Nur wenige Höfe in der Oberlausitz können eine solche Tradition vorweisen wie der Kunack-Hof in Schlegel: 300 Jahre sind Gebäude, Felder und Wiesen untrennbar mit einer Familie verbunden. Ein Grund zum Feiern? Christoph Kunack, der aktuelle Hof-Chef, nickt. Und doch spiegelt sich in Gebäuden und Erinnerungen nicht nur eine fröhliche und stolze Familiengeschichte wider. Der Hof hat die Familie zuletzt durchaus gefordert: emotional, finanziell, prinzipiell. Und er hat sie gleichzeitig miteinander verbunden.
Kunack sitzt auf einer Bank im Hof-Geviert und schaut auf die Gebäude. Der 39-Jährige ist hier aufgewachsen, er liebt und kennt jede Ecke. Aber übernehmen? „Das war eigentlich nicht der Plan“, sagt er. Das hatte weniger damit zu tun, dass der Hof traditionell immer an den jüngsten Sohn geht und er der Mittlere ist. Christoph Kunack hatte schlicht andere Pläne: Er ist von Haus aus Bäcker, zog nach der Lehre in die Schweiz.
LPG baut fast alles um
Dann kam alles anders. „2010 bin ich zurückgekommen, um meinem Vater zu helfen“, erzählt er. Christoph Kunack hat höchsten Respekt vor der Leistung seines Vaters. Hans-Jürgen Kunack ist es im Grunde zu verdanken, dass der Hof noch immer der Kunack-Hof ist. „In den 50er und 60er Jahren wurde die Landwirtschaft kollektiviert, unser Hof kam in die LPG. Mein Vater hat dann noch in der LPG auf dem Hof gelernt, aber er hat die Situation nicht ausgehalten“, schildert er.

Quelle: privat/Kunack

Quelle: Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Da Kunacks Wohnrecht behielten, haben sie nach der Enteignung mit angesehen, wie die LPG das einstige Eigentum großflächig umbauen ließ: Die hochmoderne Milchviehanlage mit Fütterung brauchte viel Platz, Ställe wurden neu eingerichtet, Büro- und Sozialräume für die LPG-Angestellten abgeteilt. „Einzig das Wohnhaus blieb Wohnhaus“, fasst es Christoph Kunack zusammen. Die Spuren und Narben dieser Zeit sind bis heute zu sehen.
Vater trägt schwer an Verlust
Hans-Jürgen Kunack wurde zu DDR-Zeiten Vermesser. Der Hof rückte aber mit der Wende wieder ins Zentrum seines Interesses. Als Privatperson und mit jahrelangen Rechtsstreitigkeiten im Schlepptau holte er ihn sich als Wiedereinrichter zurück, um ihn erneut zum Familienhof zu machen. „Die Leistung meines Vaters ist nicht in Worte zu fassen“, sagt Sohn Christoph heute. Als Kind habe er den Vater eigentlich immer arbeitend und angespannt gesehen. Kein Wunder, bei einer Vollzeitstelle als Vermesser, dem Hof nebenbei und drei Kindern. Dass der Vater 2021 mit Mitte 60 gestorben ist und das große Jubiläum nun nicht mitfeiern kann, geht Christoph Kunack spürbar nahe.
Die Leistung meines Vaters ist nicht in Worte zu fassen. – Christoph Kunack, aktueller Hofbesitzer
Sein Erbe aber wächst weiter: Christoph Kunack bewirtschaftet den Hof auf seine Weise: „Ich mache sehr viel nachhaltig, sehe das Ganze“, erklärt er. Dabei gehe es ihm aber um kein Bio- oder Öko-Label. Kunack geht pragmatisch ran, er sucht den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Naturschutz. Die Familie hält eine Mutterkuhherde, Hühner und Bienen, baut Weizen, Gerste, Roggen und Hafer, aber auch Raps, Erbsen und Zuckerrüben an.
Auch ein Windrad gehört seit 2000, nach neun Jahren Genehmigung und Planung, zum Hof. Hans-Jürgen Kunack war Ende der 1990er fasziniert von dieser Art alternativer Energiegewinnung: „Zumal auf dem Hof immer dieser böse Wind wehte, wie mein Vater sagte“, erinnert sich der Sohn. Und es lohnte sich: Die Windkrafterträge haben am Ende dem Vater bei der Hoffinanzierung geholfen.

Quelle: Rafael Sampedro/foto-sampedro.de
Dass es auf dem Hof noch einiges zu tun gibt, ist kein Geheimnis. „So wie es dort in der Ecke aussieht“, sagt Kunack und zeigt auf den Winkel zwischen Wohnhaus und Scheune, wo kein frischer Putz in der Sonne leuchtet, „sah es nach der Übernahme von der LPG überall aus.“ Dass in den vergangenen Monaten noch mal so richtig Schwung in die Sache gekommen ist, hängt tatsächlich mit dem Jubiläum zusammen: „Das Hoffest ist ein krasser Anlass, um etwas loszutreten“, meint Kunack und lacht. Die Motivation in der ganzen Familie sei jedenfalls groß, erklärt er.
Hoffest schweißt Familie zusammen
Jeder helfe nach seinen Stärken und vor Ort hat der Hof-Herr selbst große „Baustellen“ angepackt. So wie im ehemaligen LPG-Kuhstall: Neun verschieden hohe Ebenen hatte man damals in das Gebäude eingezogen. „Wir haben wochenlang Beton weg gestemmt und Schlacke abgefahren“, schildert Kunack. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Und das hofft er auch von den Dingen, die seine Familienmitglieder vorbereiten. „Jeder hat seine Aufgabe“, erklärt er. Und so arbeiten Geschwister, Cousins, Onkel und Tanten von Potsdam über München bis Bremen, Leipzig und Coburg für das große runde Jubiläum. Rund anderthalb Jahre tüftelt die Familie schon daran.
Das größte Geschenk für Christoph Kunack zum 300. Hofgeburtstag ist aber gar nicht die Party selbst. Zu sehen, wie der Hof all seine Verwandten zusammenschweißt, auch nach vielen Jahren und obwohl niemand Langeweile hat, fasziniert ihn. So wie er einst mit Geschwistern, Cousins und Cousinen auf Hof, Feldern und im „Saal“ des Wohnhauses gespielt und getobt hat, so tun das nun seine und ihre Kinder. „Es ist schön, das mit anzusehen. Dafür habe ich das gemacht und nicht, weil ich unbedingt Landwirt werden wollte“, sagt er − und schaut lächelnd auf den Familienhof.
Der Hof-Geburtstag wird am 21. Juni von 10 bis 20 Uhr gefeiert. Auf dem Hof in Schlegel erwarten die Gäste neben Café, Kuchen und herzhaften Leckereien ein Trödelmarkt, Kutschfahrten, eine Strohburg für Kinder, Oldtimer, Landtechnik und Live-Musik. Mehr Infos auf der Internetseite.
SZ