Von Luisa Zenker
Meißen. Im Produktionsraum der Druckerei Thieme rattert es. Anna Meisel steht vor den Farbtöpfen: „Wir wollen auf keinen Fall mit Greenwashing verbunden werden“, sagt die 42-Jährige. Denn die Druckerei aus Meißen mit mehr als 70 Beschäftigten hat sich vorgenommen, nachhaltiger zu werden.
Dafür hat Anna Meisel einen Umweltbericht aufgesetzt. Ganz nach dem Vorbild der „European Sustainability Reporting Standards“ (ESRS). Diesen müssen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ab 2026 jedes Jahr in einem verpflichtenden Bericht veröffentlichen. In der Druckerei arbeiten nicht so viele Menschen, sie müssten das also nicht machen. Dennoch will die Meißner Druckerei vorausgehen: „Der Begriff Nachhaltigkeit wird immer häufiger im Marketing verwendet“, schreibt das Unternehmen. Die Druckerei Thieme sorgt deshalb mit einem Umweltbericht für Transparenz. Daher weiß sie, dass sie sich für den Marathon hin zu einer grünen Druckerei auf den ersten Kilometern befindet.
Der Umweltbericht besteht aus mehreren Bereichen. Einerseits zeigt das Unternehmen, welche Klimaschutzprojekte es in den vergangenen Jahren durchgeführt hat. Anschließend geht es um das Thema Kreislaufwirtschaft. Verbraucht doch die Papierproduktion einen Haufen Tonnen Kohlenstoffdioxid. Anna Meisel sagt jedoch: „Die Papierproduktion kann detailliert den CO2-Fußabdruck nachweisen, der elektronische Datenverkehr ist nicht so transparent.“
Was noch auffällt: Es geht eben nicht nur um Natur, sondern auch um das Soziale – orientiert sich der Bericht doch an den 17 Nachhaltigkeitszielen, darunter fallen auch Gesundheit, Armutsbekämpfung und Gleichheit. Ein wichtiger Aspekt ist die seit 2021 etablierte Sprecher-Gruppe. Dabei wählt jede Abteilung einen Sprecher bzw. eine Sprecherin aus, sie treffen sich einmal in der Woche mit der Geschäftsleitung, um Probleme zu lösen.
Die Perspektive gewechselt
Was noch hervorsticht an dem Bericht? Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit. Hierbei hat das Unternehmen andere gefragt, was die Druckerei besser machen könnte. Kunden, Lieferanten, eine Behindertenwerkstatt und eine Schule waren dabei. „Das war ein Perspektivwechsel. Das hat wach gemacht und uns auf neue Gedanken gebracht“, findet Meisel. Das Unternehmen nimmt sich deshalb vor, Job-Bikes zu etablieren, einen Außenarbeitsplatz für Menschen mit Behinderung zu schaffen und regelmäßig den Lohn anzupassen. Außerdem wollen sie untersuchen, inwieweit sie Regenwasser auffangen und für die Bewässerung der Bäume nutzen können. Die Druckerei Thieme hat außerdem die Absicht, die Kunden in Richtung Nachhaltigkeit zu beraten. Denn eines weiß das Unternehmen sicher: „Wir werden für den Druck immer Rohstoffe und Energie brauchen.“ Anna Meisel erklärt deshalb: „Mach die Produkte gut, dann werden sie auch gut genutzt.“
Damit es keine Überproduktion gibt, müsse auch ein wirklich „schönes Produkt“ entstehen, das der Kunde gern aufschlägt und eben nicht ein billiges „abstoßendes Werbemagazin“ sei, findet die Meißnerin. Sie hangelt sich deshalb an folgenden Fragen entlang: Wird das Papier regional produziert? Ist das Produkt so durchdacht, dass es auch wirklich genutzt wird? Wird der CO2-Ausstoß kompensiert? Kann es auf recyceltem Papier gedruckt werden? Und muss es unbedingt lackiert werden?
Die 1903 gegründete Druckerei hat innerhalb der vergangenen zehn Jahre die Mitarbeitendenzahl beinahe verdoppelt. Sie stellt Materialien her für Kunst- und Kultureinrichtungen, Unternehmen aus den Branchen Kosmetik und Tourismus. Darunter Kalender aus Graspapier oder Broschüren aus FSC-zertifiziertem Naturpapier. Eines bleibt jedoch dennoch mit einem gewissen Beigeschmack: auf nachhaltige Zertifikate wie den Blauen Engel oder Craddle-to-Craddle verzichtet das Unternehmen. „Eine Zertifizierung verlangt große Investitionen und bringt viel Bürokratie mit sich. Unter Umständen ändert sich am Produktionsprozess selbst aber nur sehr wenig“, heißt es von Thieme. Nachhaltigkeit sei bereits eine Unternehmensphilosophie. Ohne Kontrolle bleibt aber am Ende nur eines: Vertrauen.