Von Nora Miethke
Es ist nicht so, dass die Ostdeutschen pauschal Klimaschutz und Erneuerbare Energie ablehnen, wie manche Medien und Politiker uns glauben machen wollen. Zwei von drei Ostdeutschen finden einzelne Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung wie etwa schnellere Genehmigungsverfahren für Windräder, den Ausbau von Stromtrassen oder die Förderung von Wasserstoff-Anwendungen gut bis sehr gut. Ein Drittel wäre auch bereit, mehr für die Energiewende zu zahlen. Aber mit dem Gesamtpaket der Bundesregierung in der Energie- und Klimapolitik auch zwei Drittel der Ostdeutschen unzufrieden, egal ob jung oder alt. So das Ergebnis einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Energieversorgers Envia-M, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
Für Envia-M-Vorstandschef Stephan Lowis ist das kein Widerspruch. „Wir haben harte Ausstiegsziele, aber keinen klaren Gesamtplan, wie wir diese Ziele erreichen wollen. Das merkt die Bevölkerung und daraus resultiert die Unzufriedenheit“, sagt Lowis.
Ostdeutsche wollen in die Wärmewende investieren
Im Juli befragte das Institut für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung (IMK) in Erfurt 1.000 Ostdeutsche zu Klimaschutz und Energiewende, die Hälfte im Alter von 16 bis 26. Jahren. Hier sind die wichtigsten Ergebnisse:
Rund 30 Prozent der Befragten sind bereit, mehr Geld für Klimaschutz und Energiewende auszugeben, vor allem in den Bereichen Energie (67 Prozent) und sparsamere Elektrogeräte (59 Prozent). Bei der jüngeren Generation sind es 36 Prozent, die auch mehr für ressourcenschonende Kleidung und Ernährung bezahlen würden.
Fast jeder zweite Befragte mit Wohneigentum (47 Prozent) hat die finanziellen Möglichkeiten und ist bereit, in die Wärmewende zu investieren. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der Personen von 15 auf 25 Prozent gestiegen, die schon investiert haben und noch mehr Geld in Ladepunkte, Wärmepumpen oder die Dämmung ihres Hauses fließen lassen würden.
Bezahlbarkeit wichtigstes Klimaschutz-Thema
Großes Thema für viele Menschen ist die Bezahlbarkeit. Auf die Frage, welches Klimaschutz-Thema die Bundesregierung dringend angehen solle, antworteten vier von zehn Personen: die Bezahlbarkeit. Danach folgten ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren (12 Prozent), Wiedereinstieg in die Kernenergie (11 Prozent) und Versorgungssicherheit (10 Prozent). Bei der jüngeren Generation nannten auch 32 Prozent die Bezahlbarkeit, aber im Unterschied zur Befragtengruppe insgesamt sind den Jüngeren ein vorzeitiger Kohleausstieg, höhere CO2-Preise für fossile Brennstoffe und ein schnellerer Ausbau der Stromnetze wichtiger.
Eine Hürde bleibt die Akzeptanz vor Ort. Knapp 70 Prozent der Befragten, jung wie alt, würden eine Solaranlage in unmittelbarer Wohnnähe tolerieren, aber nur 38 Prozent eine Windkraftanlage. Bei den Jüngeren sind es 41 Prozent. Bei Stromtrassen sinkt die Akzeptanz auf 30 Prozent und bei Biogasanlagen auf 22 Prozent. Jeder zehnte Ostdeutsche würde überhaupt keine Anlage in Wohnnähe tolerieren. „Die geringe Akzeptanz von Stromtrassen bringt uns nicht voran, Energiewende geht nur mit Netzausbau“, betont Lowis. Um Wärmepumpen im Keller, Ladesteckdosen in der Garage oder Mini-Solarkraftwerke auf dem Balkon anschließen zu können, brauche es den Ausbau der Verteilernetze. „Für alles haben wir Ziele, aber ein klares Netzausbauziel fehlt“, kritisiert der Envia-M-Chef die Politik.