Von Georg Moeritz
Dresden. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) will mit neuen Gesetzen den Windkraft-Ausbau in Sachsen erleichtern und die sächsischen Hersteller von Solartechnik vor China-Konkurrenz retten. Günther zog am Dienstag in Dresden eine Zwischenbilanz zur Windenergie: „Die Trendwende ist da, wir fangen an zu ernten.“
Voriges Jahr sind laut Günther in Sachsen 29 neue Windkraftanlagen genehmigt worden, für 130 andere liefen die Genehmigungsverfahren. Etwa zwei Jahre dauere es von der Erlaubnis bis zur ersten Strom-Erzeugung. Nun müssten die Verfahren beschleunigt werden. Erfahrungsgemäß führten nicht alle Anträge zum Erfolg.
Falls alle Anträge genehmigt würden, steige die mögliche zusätzliche Windstromproduktion in Sachsen um mehr als zwei Terawattstunden pro Jahr. Das wäre eine Verdopplung. Im Koalitionsvertrag war allerdings vereinbart worden, diese Menge schon in diesem Jahr zu erreichen. „Wir kommen aus einer Zeit des Blockierens und Verhinderns“, sagte der Minister. Seit 2020 sei umgesteuert worden.
Sachsen plant Beteiligungsgesetz für neue Windanlagen
Voriges Jahr sind in Sachsen zehn neue Windkraftanlagen ans Netz angeschlossen und 13 alte abgerissen worden. Moderne hohe Anlagen können zehnmal so viel Ertrag liefern wie alte kleinere. „Wir holen auf“, sagte Günther. Bremsen seien gelöst worden, auch mit Änderungen in der Bauordnung und mit Beratung durch die Landesagentur Saena. Das sächsische Energie- und Klimaprogramm mit seinen Zielvorgaben habe dazu beigetragen. „Wir haben die Hürden abgebaut, jetzt kommen die Leute mit Anträgen.“
Um mehr sächsische Gemeinden für Windkraft zu begeistern, will die Koalition noch in dieser Wahlperiode ein Beteiligungsgesetz erlassen. Die Kommunen sollen damit an den Erträgen künftiger Windanlagen und großer Fotovoltaikanlagen finanziell beteiligt werden. Bisher zahlt nur ein Teil der Besitzer, aufgrund freiwilliger Vereinbarungen. Andere Bundesländer planten ähnliche Gesetze, darunter Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Klagen gegen Genehmigungen von Windkraftanlagen sind laut Ministerium in Sachsen Einzelfälle und spielen keine signifikante Rolle. In der Landesdirektion gebe es eine Servicestelle, die Behörden zum Thema Erneuerbare Energien berate.
Je neuer die Windkraftanlage, desto höher die Leistung
Für jedes neue Windrad können Gemeinden laut Energieministerium 20.000 bis 40.000 Euro pro Jahr vom Betreiber erwarten. „Dreht sich das Windrad, kommt Geld rein für die neuen Fenster in der Kita, für die Vereine, für die freiwillige Feuerwehr“, sagte der Minister. Damit könnte die Akzeptanz der Windanlagen steigen. Das geplante Beteiligungsgesetz könne ein gutes Beispiel für gute Zusammenarbeit in der Koalition in schwierigen Zeiten werden. Details aus dem Gesetz wollte Günther noch nicht nennen.
Im Jahr 2020 waren in Sachsen neun Windkraftanlagen genehmigt worden, mit einer maximalen Leistung von je 4,3 Megawatt im Durchschnitt der Anlagen. 2021 waren es elf Windräder, 2022 dann 20 und im vergangenen Jahr 29. Die Leistung stieg auf durchschnittlich 5,7 Megawatt. Eine moderne Windkraftanlage liefert laut Ministerium rund 15.000 Megawattstunden im Jahr. Das reiche für 6.000 Haushalte, denn ein Durchschnittshaushalt in Sachsen komme mit etwa 2.500 Kilowattstunden Strom im Jahr aus.
Zu den neu genehmigten Anlagen aus dem vorigen Jahr zählen 15 in einem Windpark des Braunkohleunternehmens Mibrag südlich von Leipzig. Staatssekretär Gerd Lippold sagte, Windparks seien bei den Planern beliebter als Einzelanlagen. Sie ließen sich mit weniger Aufwand genehmigen, etwa auf ehemaligen Tagebauen.
Minister Günther unterstützt Forderung der Solarfirmen
Die Nachfrage nach Solarmodulen ist unterdessen so hoch, dass der Energieminister von einem „Boom“ spricht. Die sächsischen Fabriken von Meyer-Burger in Freiberg, Solarwatt in Dresden und Heckert in Chemnitz leiden allerdings laut Günther unter „akutem Dumping“ aus China. Meyer-Burger hat daher vorige Woche angedroht, die Fabrik in Freiberg mit 500 Beschäftigten Anfang April zu schließen, falls der Bundestag keinen Bonus für europäische Solartechnik beschließt.
Günther unterstützt diese Forderung, die inzwischen von einem Bündnis der Hersteller sowie Lieferanten wie Wacker-Chemie erhoben wird. Die FDP in der Bundesregierung müsse überzeugt werden, dass die Branche strategisch wichtig sei. Günther sagte, falls Europa keine Solartechnik mehr herstelle, könne China die Mengen und Preise bestimmen.
Der energiepolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Michael Kruse, hatte sich gegen zusätzliche Förderung für Solarstrom ausgesprochen, weil sie Energie verteuern könne. Lippold sagte dazu, der geplante Bonus müsse aus dem Klima- und Transformationsfonds bezahlt werden, also nicht über den Strompreis. Gefördert werden solle nur ein kleines Marktsegment: Es gehe vor allem um Solaranlagen für Hausdächer. Dort die europäischen Hersteller zu bevorzugen werde ausreichen, ihnen das Überleben zu sichern. Von einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in Euro pro Jahr ist die Rede. Die Subvention soll befristet werden.
Wie lange hält China Dumpingpreise durch?
Günther sagte, es gehe nicht um einen Wünsch-dir-was-Katalog der Industrie, der erfüllt werden solle. „Wir wollen, das unsere Industrie überlebt“. Freilich wisse man nicht, wie lange China es durchhalte, seine Solartechnik zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Als ein Grund für die derzeit niedrigen Preise gilt auch, dass die USA die Einfuhr aus China bremsen, sodass mehr Anlagen auf den europäischen Markt drängen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte in einem Handelsblatt-Interview, man solle mindestens einen Teil des Fertigungswissens in Deutschland halten. „Es geht ja nur darum, die zehn Prozent Solarpaneele, die nicht aus China kommen, zu halten“. Die Folgen für den Preis seien „nicht so groß“. Habeck antwortete mit Ja auf die Frage, ob es in fünf Jahren in Deutschland noch eine Solarindustrie geben werde. Vor gut zehn Jahren waren in Deutschland Hersteller von Solartechnik Pleite gegangen, hatten Fabriken geschlossen oder gar nicht erst eröffnet – auch damals mit der Begründung, die Konkurrenz aus China unterbiete die Preise zu stark.
Sachsen müsse Industrie- und Energieland bleiben, betonte Günther. Auch energie-intensive Industrie müsse weiterhin hier stattfinden. Lippold sagte, auch bei Windkraftanlagen sehe er „asiatische Überkapazitäten“. Zur Corona-Zeit habe es Liefer-Engpässe bei Stahl und anderen Teilen gegeben, da der Welthandel nicht funktioniert habe. Nun müsse darauf geachtet werden, dass europäische Hersteller zum Zuge kämen.