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Tourismus-Boom im Leipziger Neuseenland: Steht die Erfolgsstory jetzt auf der Kippe?

Kanupark, Gastronomie, Strände: Der Tourismus im Leipziger Neuseenland hat sich binnen 25 Jahren zum wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Doch mehrere Niederlagen bringen die Erfolgserzählung in Gefahr. Dabei hängt in der Region viel vom Tourismus ab.

Lesedauer: 4 Minuten

Florian Reinke

Leipzig/Markkleeberg. Der Aperol auf der Terrasse, der Tauchgang im Cossi oder der Besuch im Freizeitpark – wer einen frühsommerlichen Tag im Leipziger Südraum verbringen will, steht vor einer schweren Entscheidung. Die Möglichkeiten rund um Markkleeberger, Störmthaler, Cospudener, Hainer oder Zwenkauer See sind vielfältig, und so liegt die Herausforderung für Ausflügler und Touristen bisweilen darin, den Überblick zu behalten.

Doch gerade mit dieser Kombination aus Natur und der pulsierenden Großstadt vor der Tür hat sich die Region in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Seit der Eröffnung des Cospudener Sees als Expo-Projekt am 1. Juni 2000 hat das Leipziger Neuseenland eine Entwicklung hingelegt, die deutschlandweit in der Tourismusbranche für Aufsehen sorgt. Von dem Boom profitiert die Region enorm: Der Tourismus ist zu einem Millionengeschäft herangewachsen, dessen positive Effekte weit über die Branche hinausstrahlen.

2025 lautet die Frage: Geht die Erfolgsstory Neuseenland weiter?

Doch wenn der Cospudener See diesen Sommer seinen 25. Geburtstag feiert, steht die Frage im Raum, ob sich die Erfolgsgeschichte fortsetzen kann. Der Grund sind ausgerechnet zwei Großprojekte, die einst für Aufbruchstimmung sorgten. Wie geht es also weiter?

Die Frage bewegt viele – denn fest steht: Am Tourismus führt kein Weg mehr vorbei. „Die Seen des Leipziger Neuseenlandes leben vom Tourismus“, sagt Christian Conrad, Geschäftsführer der Leipzig Seen GmbH, die touristische Angebote rund um die Gewässer betreibt, etwa Campingplätze und Ferienwohnungen. Er betont: Die Touristen sicherten nicht nur das Überleben der Gewerbetreibenden, sondern ermöglichten Angebote wie kostenlose Strände und Freizeitangebote, die für viele Menschen aus dem Raum Leipzig nicht mehr wegzudenken sind.

An den Seen wird ein Millionenumsatz generiert

Christian Conrad, Geschäftsführer der Leipzig Seen GmbH: „Die Seen leben vom Tourismus."
Christian Conrad, Geschäftsführer der Leipzig Seen GmbH: „Die Seen leben vom Tourismus.“
Quelle: Jens Paul Taubert

Conrad rechnet vor, wie wichtig die Seen für die Tourismuswirtschaft sind. „An unseren vier Seen, wo ich mit tätig bin, entstehen bei uns in der Verwaltung der Übernachtungen an jedem See fast 2 Millionen Euro Umsatz.“ Hinzu kämen die Einnahmen der Gastronomen, Saunen, Bootsverleiher und der weiteren Angebote, die nochmal für Erlöse von 3 bis 5 Millionen Euro jährlich sorgten.

An diese Summen konnten vor zwei Jahrzehnten noch wenige glauben. In diesem Juni wird es 25 Jahre her sein, dass der Landschaftspark Cospuden eröffnete – es folgte eine rasante Entwicklung: Mit dem Markkleeberger, Hainer, Störmthaler und Zwenkauer See entstanden aus ehemaligen Kohletagebauen lebendige Gewässer. Allein den Cossi besuchen schätzungsweise 600.000 Menschen im Jahr.

Eine Region mit Strahlkraft

Was im Zuge einer Kraftanstrengung von Politik und Wirtschaft gelang, ist nicht selbstverständlich: Es ist eine Markenidentität rund um das Neuseenland entstanden. Die Erfolgsgeschichte markieren mehrere Meilensteine: etwa die Eröffnung des Kanuparks Markkleeberg im Jahr 2007 oder der schwimmenden Kunst- und Eventplattform Vineta auf dem Störmthaler See 2011 sowie der kontinuierliche Ausbau von Seerundwegen, Marinas und Stränden. Parallel wuchs die Zahl der Beherbergungsstätten von 69 Übernachtungsbetrieben im Jahr 2003 auf 81 im Jahr 2023.

Das stärkste Wachstum hat Christian Conrad in den Jahren von 2005 bis 2015 beobachtet. „Aber auch in den letzten Jahren stieg dank guter Binnentourismusnachfrage der Tourismus um circa 4 bis 7 Prozent pro Jahr an“, sagt er. Am stärksten seien die Zugewinne beim Camping gewesen.

Wir ruhen uns alle auf dem aus, was seit 2000 geschaffen wurde. – Christian Conrad, Geschäftsführer Leipzig Seen GmbH

Das wirtschaftliche Gewicht, das daraus resultiert, ist heute immens, wie Zahlen des Landkreises Leipzig belegen: Übernachtungsgäste brachten 2023 rund 102 Millionen Euro Tourismusumsatz ein, Tagestouristen sogar 104 Millionen Euro – zusammen fast 206 Millionen Euro Umsatz.

Paradebeispiel für gelungenen Strukturwandel

Über die Einnahmen hinaus haben die Seen weitere wirtschaftliche Relevanz: „Das Leipziger Neuseenland zieht Gäste aus der Region wie auch überregional an und trägt damit wesentlich zur Profilierung Leipzigs als attraktiver Tourismus- und Wirtschaftsstandort bei. Dies steigert die Standortattraktivität, fördert weitere Investitionen in Freizeit- und Tourismusangebote und unterstützt die Ansiedlung von Unternehmen“, erklärt Gert Ziener, Geschäftsführer für Grundsatzfragen der IHK zu Leipzig.

Zudem erhöhe sich die Lebensqualität für alle Bewohner, was es auch Unternehmen erleichtere, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Sein Fazit: „Insgesamt ist die touristische Entwicklung des Leipziger Neuseenlandes ein Paradebeispiel für gelungenen Strukturwandel.“

Surfer im Kanupark Markkleeberg: Die Eröffnung im Jahr 2007 markiert einen Meilenstein.
Surfer im Kanupark Markkleeberg: Die Eröffnung im Jahr 2007 markiert einen Meilenstein.
Quelle: Andre Kempner

Die Zukunft hängt nun maßgeblich von zwei Projekten ab: Der Harthkanal, der Zwenkauer und Cospudener See verbinden sollte, ist durch eine Kostenexplosion zum Stillstand gekommen. Und der Störmthaler Kanal, der den gleichnamigen See mit dem Markkleeberger verbinden soll, wurde gesperrt – eine Wiedereröffnung ist ungewiss.

Stillstand sorgt für Enttäuschung

Bei Unternehmern wie Christian Conrad ist die Enttäuschung spürbar. „Das Thema ist auch für uns als Unternehmen, aber auch mich persönlich ein riesiger Rückschritt“, sagt er. „Es ist wie bei der Börse, der Wert ist ja immer eine Emotion, eine Hoffnung auf Zukunft.“ Die „träge gewordenen Behörden“ hätten jedoch eine Trendwende zum Schlechten eingeläutet.

Seine Kritik: „Wir ruhen uns alle auf dem aus, was seit 2000 geschaffen wurde. Viel kreatives Neues, Vereinfachungen bei Genehmigungen für selbst mickrige Veranstaltungen oder dergleichen – Fehlanzeige.“

Die regionalen Entscheidungsträger kennen die Herausforderungen. Henry Graichen (CDU), Vorsitzender des Tourismusverbands Leipzig Region, sieht den Stillstand bei den Gewässerverbindungen als die zentrale Herausforderung.

Gewässerverbindungen als Schlüsselprojekte

Der Pier 1 am Cospudener See ist einer der touristischen Magneten im Neuseenland.
Der Pier 1 am Cospudener See ist einer der touristischen Magneten im Neuseenland Quelle: Andre Kempner

Der Großteil sei auf dem Weg vom Kohlerevier zum Leipziger Neuseenland geschafft, sagt Graichen, der auch Landrat des Kreises Leipzig ist. Er fordert: „Um die vollständige touristische Wertigkeit zu erreichen, sind zwingend die durchgängige Gewässerverbindung vom Leipziger Stadthafen zum Zwenkauer See als Schlüsselprojekt wichtig!“ Auch müsse die Funktionsfähigkeit der Schleuse zwischen Markkleeberger und Störmthaler See zügig wieder hergestellt werden.

Denn klar ist: Für den Wassertourismus sind durchgängig befahrbare Strecken entscheidend. Will die Tourismusregion weiter wachsen, so sehen es viele, führt an vernetzen Wasserwegen kein Weg vorbei.

Weiteres Potenzial für touristisches Wachstum sieht auch Gert Ziener von der Leipziger IHK. Voraussetzung dafür seien gezielte Investitionen. Die gute Nachricht ist: Diese finden nach wie vor statt.

Am Markkleeberger See wird bis 2026 eine moderne Jugendherberge errichtet. Die Zahl der Gästebetten wird also weiter ansteigen, und die Symbolik ist nicht zu unterschätzen: Das Projekt ist ein Statement des Vertrauens in einer Region, deren Transformationsgeschichte längst nicht zu Ende geschrieben ist.

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